PORTRÄT

DAS WILD UND DER WEIN

Lange war der Schlosswirt Tratzberg ein solides Ausflugsgasthaus. Das ist er immer noch – tagsüber. Am Abend fährt Leo Erler und sein junges Team ein anspruchsvolles Programm mit Fokus auf Wild und Wein.

Text & Fotos: Jürgen Schmücking

Es war eine große Rochade, die sich über die Orte Zellberg, Stans und Schwaz erstreckte. Der „Tippeler“, ein wunderschönes, historisches Wirtshaus am Schwazer Pfundplatz verlor seinen Pächter. Das Team, das den Schlosswirt Tratzberg bespielte, sprang ein und übernahm das ehrwürdige Haus. Also brauchte es einen neuen Pächter für den Schlosswirt. Diese Gelegenheit ließ sich Leo Erler nicht entgehen – im Frühling unterschrieb der bekannte Sommelier den Pachtvertrag.

Vor zwei Jahren schaffte es Leo Erler unter die Top 10 der besten Sommeliers Österreichs. Damals war er als Sommelier im legendären Schulhaus in Zellberg tätig. Im Schlosswirt Tratzberg legt er in seiner neuen Rolle als Patron einen großartigen Start hin. Was er und sein junges Team dort bieten, ist ein kulinarischer Gewinn für die Region und hat eine Strahlkraft, die weit übers Zillertal hinausreicht. Als Küchenchef heuerte Martijn Matthijsse an, die Diplomsommeliere Franziska Burger ist die neue Restaurantleiterin.

Der Schlosswirt ist ein beliebtes Ausflugsziel mit schattigem Garten und Kinderspielplatz. Eine kleine Eisenbahn bringt Familien stimmungsvoll hinauf ins Schloss. So ein Gastgarten in so einer Lage funktioniert nicht ohne die Klassiker der heimischen Wirtshausküche. Also gibt es – und zwar in erfreulicher Qualität – was man sich von einer bodenständigen Küche erwartet. Vom Alpen-Focaccia mit Tiroler Speck und Bergkäse über das unverzichtbare Wirtshausschnitzel mit Schlosswirt-Pommes hin zum Tratzberg-Gröstl. So weit, so gut.

Was den Schlosswirt zum kulinarischen Hotspot machen könnte, steht tagsüber nicht auf der Karte. Leo Erler hat einen guten und kurzen Draht zur Stanser Jägerschaft. Es ist also naheliegend, dass Wild ein elementarer Bestandteil seines Angebots ist. Da ist zum Beispiel dieser grandiose Gang, der als Vorspeise serviert wird: Tataki vom Reh. Ein in großzügiger dicke geschnittenes Carpaccio (Filet & Rücken) samt Ponzu, schwarzen Nüssen, Affila-Kresse und geröstetem Buchweizen.

Ein fein abgestimmter und frischer Start. Auch die Schlutzkrapfen, ein Tiroler Klassiker, sind großartig. Zwar nicht mit Wild, dafür aber mit Wald. Also mit Pilzen gefüllt. In unserem Fall herrliche Eierschwammerl, dazu braune Butter, Parmesan und etwas Grünzeug. Auch das ein Gericht, das in Erinnerung bleibt. Beim Hauptgang klopft der Herbst bereits vehement an die Tür. Hirschrücken in Dunkelbiermarinade mit einer üppig-verführerischen Walnuss-Sellerie-Creme und eingelegten Äpfeln mit Thymian. Wieder schwarze Nüsse und dazu noch Erdäpfelpaunzen in Wacholderbutter. Waidmannsdank!

Martijn Matthijsse erledigt in der Küche die Doppelrolle – also gut bürgerlich unter tags, kreativ-köstlich am Abend – ganz hervorragend. Der junge Mann war davor Sous-Chef im Grauen Bär in Innsbruck und hat eine gute Hand für eine Wildküche, die über solides Handwerk weit hinausgeht.

Franziska Burger, die nicht nur die Geschicke des Restaurants, sondern auch den Weinkeller zu verantworten hat, steht dem um nichts nach. Zum Hirsch empfiehlt sie – perfekt zur Dunkelbiermarinade passend – ein Zillertaler Schwarzes, ein Schwarzbier mit dunklen Röstmalzaromen, die bis hin zu Bitterschokoladenoten gehen. Zum Gericht ein Volltreffer. Aber auch bei den Weinen kann Burger aus dem Vollen schöpfen. Im Angebot sind große Namen ebenso wie junge Wilde und (noch) unbekannte Underdogs. Leo Erler und sein Team haben offensichtlich noch viel vor.

Schlosswirt Tratzberg
Tratzberg 3, 6135

www.schlosswirt-tratzberg.at