CHEFTALK
KOCH, KÜNSTLER, UND EIN UMTRIEBIGER KOSMOPOLIT
Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Rainer Fehringer
Auch wenn Juan Amador den Wiener Dialekt wohl nie perfekt draufhaben wird, ist er längst ein echter Wiener geworden, dem auch das leicht Grantige gefällt, weil es zumeist augenzwinkernd und einem versteckten Lächeln daherkommt.
In einer Stunde ist Servicebeginn. Wir sitzen ganz entspannt bei Dir in deinem Atelier. Ist das Restaurant heute nicht voll, oder läuft die Küche auch ohne Dich problemlos?
Das Restaurant ist wie an fast jedem Tag ausreserviert, was das Arbeiten leichter und nicht schwieriger macht – sowohl was die Abläufe wie auch den Einkauf betrifft. Du wolltest auch über Kunst und Kreativität reden und nicht nur über das Restaurant. Deshalb haben wir uns hier getroffen. Die Küche würde wohl auch ohne mich funktionieren, weil wir ein eingespieltes Team sind, aber das ist eine theoretische Frage, weil ich bei jedem Service dabei bin. Sollte ich einmal nicht in Wien sein können, hat das Restaurant geschlossen. Punkt! Wir brauchen mit dem Auto keine 15 Minuten ins Restaurant. Also keine Sorge, sobald die ersten Gäste kommen, bin auch ich da und unterstütze unser 14-köpfiges Küchenteam.
Vor ein paar Jahren hast du die Malerei als Leidenschaft entdeckt. Mitten im Atelier steht auch ein Schlagzeug. Was hat es damit auf sich? Hast du auch als Drummer weiter gehende Ambitionen?
Nein, da bleibe ich leidenschaftlicher Amateur. Zumeist spiele ich alleine. Wir haben hier keine Nachbarn, also kann ich die Musik richtig laut aufdrehen und dann Vollgas drauf los trommeln. Das ist die beste Art und Weise, um nach dem Service den Kopf frei zu bekommen. Früher bin ich manchmal noch auf einen Drink in die Stadt gefahren. Das war damals zwar lustig, ist auf Dauer aber nicht befriedigend. Man wird ja auch älter. Nach wie vor schätze ich ein gutes Glas Wein zum Essen, aber mein Umgang mit Alkohol ist wesentlich bewusster geworden. Heute fahre ich nach der Arbeit lieber noch einen Sprung in mein Atelier.
Im Vergleich zu anderen Köchen sieht man dich eher selten in der Öffentlichkeit. Du gehst fast nie auf Galas und Präsentationen. Magst du dich nicht mit anderen Kollegen auf der Bühne zeigen?
Mir liegen solche Veranstaltungen nicht. Ich fühle mich da immer ein bisschen deplatziert. Ich weiß, schon, dass das mediale Theater um Sterne und Hauben dazu gehört, aber mein Platz ist in der Küche und nicht auf einer Bühne. Ich bin nicht menschenscheu, aber mit vielen Menschen herumzustehen und Smalltalk zu führen, ist nicht mein Ding. Mit meinen österreichischen Kollegen habe ich überhaupt keine Probleme, mit einigen bin sogar gut befreundet. Aber ich treffe sie lieber in ihren Restaurants, wo sie mir dann auch etwas zum Essen kochen, und nicht auf einer Gala.
Das Theater rund um Guide-Präsentationen ist eine Sache. Die Auszeichnungen an sich eine andere. Als erster Koch in Österreich drei Sterne von Michelin zu bekommen hat dich doch sicher stolz gemacht. Und fürs Geschäft sind solche Top-Bewertungenauch wichtig, oder etwa nicht?
Wollen wir wirklich über meine Eitelkeiten reden? Also gut. Natürlich habe ich mich großartig gefühlt, als ich als junger Koch meinen ersten Stern bekommen habe. Auch der zweite Stern war toll. Echt stolz war ich auf den dritten Stern in Langen, weil ich den nicht nur als Koch, sondern als Besitzer meines eigenen Restaurants bekommen habe. Damit ist mein Höhenflug in Deutschland so richtig los gegangen. Gleichzeitig war das aber auch der Anfang vom Ende. Ich habe zu expandieren begonnen und gedacht, dass ich ohnehin alles kann. Ich suche keine Ausreden, an meiner Pleite in Mannheim war ich selbst schuld. Ich habe daraus gelernt. Wien war für mich ein echter Neunanfang, beruflich wie privat. Nachdem, was ich beruflich alles erlebt habe, geht mir der mediale Hype um Auszeichnungen nicht mehr nahe. Aber für die Positionierung des Restaurants und die Etablierung eines gewissen Preisniveaus macht es sehr wohl einen Unterschied, ob man einen, zwei oder gar drei Sterne hat …
Natürlich. Auch für das Team ist das enorm wichtig. Wir arbeiten jeden Tag daran. Es ist großartig, ein Restaurant auf diesem Niveau führen zu dürfen. Das haben wir uns hart erarbeitet. Mein Punkt ist nur der: ich bin nicht der 3-Sterne Koch. Ich führe mit einem großartigen Team, das in den letzten Jahren zusammengewachsen ist, ein 3-Sterne Restaurant, das auch wirtschaftlich erfolgreich ist.
Mit welcher Art von Küche hast du es in Wien geschafft? Mit der „Molekular-Küche“, die ich vor fünfzehn Jahren in deinem Restaurant in Langen gekostet habe, hat es ja nicht mehr viel zu tun. Hast du dich in Wien neu erfunden?
Neuerfindung ist das falsche Wort. Ich sehe das als eine konsequente Weiterentwicklung. Den Begriff Molekular-Küche habe ich schon damals nicht gemocht. Gleichzeitig, war es schon etwas Besonderes, neue Techniken zu lernen und daraus spektakuläre Gerichte zu kreieren. Ferran Adriá, bei dem ich in diesen Jahren regelmäßig gegessen habe, war wirklich ein Genie. Die Gäste haben es damals geliebt. Ich spiele immer noch ganz gerne mit Überraschungsmomenten, wie etwa bei meinen Interpretationen von Tafelspitz und Apfelstrudel, aber das sind punktuelle Highlights. Unsere Küchenlinie ist insgesamt etwas klassischer geworden und lebt von der Qualität der Grundprodukte.
Ich finde es toll, dass so viele Landgasthäuser in Österreich bei regionalen Produzenten einkaufen. Der Floh in Langenlebarn macht das perfekt, ich gehe gerne zu ihm essen. Aber Wien ist eine Millionenstadt mit internationalen Gästen. Da darf es auch ein Restaurant geben, wo man Langostinos, Thunfisch, Kaviar und Jakobsmuscheln in Top-Qualität bekommt.
Wie oft ändert sich das Menü?
Zum einen spielen natürlich die Jahreszeiten eine Rolle. Ansonsten variieren wir gerne die Gerichte, weil uns sonst langweilig werden würde. Den Balfego Tuna gibt es zum Beispiel recht oft, aber immer wieder in einer anderen Form. Auch die Taube haben wir schon ein Dutzend Mal variiert. Weil es auch Gäste gibt, die unbedingt einen unserer Signature-Dishes wie etwa die geeiste Beurre Blanc mit Auster und Kaviar kosten möchten, haben wir jetzt immer auch ein oder zwei dieser Klassiker als Zusatzgang auf der Karte.
Und wie wird es weiter gehen? Seit ein paar Jahren kursieren in Wien Gerüchte, dass du ans Aufhören denkst. Was ist da dran? Wo siehst du dich in fünf Jahren?
Wenn man einen Betrieb mit mehreren Mitarbeitern führt, ist man nicht nur für sich selbst verantwortlich. Für mich war das Corona-Jahr 2020 in mehrfacher Hinsicht wichtig. Zum einen habe ich damals mit dem Malen begonnen. Ich beschäftige mich schon sehr lange intensiv mit bildender Kunst. Aber erst mit der gesetzlichen verordneten Restaurantschließung, hatte ich plötzlich Zeit, um selbst mit dem Malen zu beginnen. Das hat mich bis heute nicht mehr losgelassen. Gleichzeitig habe ich mir damals überlegt, wie es mit dem Restaurant langfristig weiter gehen soll. Schließlich will ich nicht bis ins hohe Alter in der Küche stehen und kochen. Ich habe damals beschlossen, das Restaurant noch fünf Jahre zu führen und mich dann zurückzuziehen.
Das war vor fünf Jahren. Nach Rückzug ins Private schaut es nicht aus. Oder wird das Restaurant im kommenden Jahr tatsächlich schließen?
Ich glaube an die Magie der Zahlen. Bei mir ist es die 3. Ein Restaurant namens Amador hat es jetzt 21 Jahre gegeben. Zwei plus eins ist drei. In Wien bin ich jetzt neun Jahre. Also drei Mal drei. Die Quersumme von 2025 ergibt 9 – also drei mal drei. Ich bin jetzt 57, die Quersumme ist 12. Eins und zwei ist drei. Und bevor du jetzt fragst: Das hat nichts mit dem Michelin-Guide zu tun. Dieses Spiel mit der Zahl Drei ist ein Faible, das ich seit meiner Kindheit habe.
Alles klar. Aber wie geht es jetzt mit dem Restaurant Amador tatsächlich weiter?
Von außen betrachtet, wird sich zunächst gar nichts ändern, aber es gibt eine entscheidende interne Weichenstellung. Weil das Restaurant meinen Namen trägt, stand meine Person bisher medial im Vordergrund. Dass ich mit David Fleckinger einen Koch an meiner Seite habe, der mit mir seit 13 Jahren durch dick und dünn gegangen ist, wissen die wenigsten. Bei der Arbeit in der Küche ist er genauso wichtig ist, wie ich. Mit 33 Jahren hat er auch die notwendige Energie, um das Restaurant weiterzubringen. Jetzt werden wir im Unternehmen gleichberechtigte Partner. Ich werde auch im kommenden Jahr noch regelmäßig in der Küche stehen. Dann will ich mich Schritt für Schritt aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Einen großen Bruch wird es nicht geben. Was bedeutet das für die Gäste? Zunächst einmal gar nichts, außer dass die langfristige Fortführung des Restaurants in der jetzigen Form gesichert ist. Mir ist das, was wir hier in den letzten neun Jahren aufgebaut haben, zu wertvoll, um es einfach aufzugeben.
Und du bleibst weiter in Wien?
Eh kloa. Auch wenn ich den Wiener Dialekt wohl nie perfekt draufhaben werde, bin ich längst ein echter Wiener geworden. Die Wiener reden ihre eigene Stadt manchmal zu schlecht. Ich finde Wien großartig. Mir taugt auch die Mentalität total. Auch das leicht Grantige entspricht meiner Mentalität, weil es zumeist augenzwinkernd und einem versteckten Lächeln daherkommt. Auch wenn ich wie ein Deutscher klinge, habe ich mich in Deutschland als halber Spanier nie ganz zu Hause gefühlt. Ich war und bin oft und gerne in Spanien, aber wirklich zu Hause fühle ich mich auch dort nicht. Bevor ich 2016 fix nach Wien gekommen bin, hatte ich ja schon sechs Jahre eine Fernbeziehung mit meiner Frau Berghild gehabt und bin jedes zweite Wochenende hier gewesen. Sie ist eine gebürtige Vorarlbergerin, stammt also ganz aus der Nähe des Schwabenlandes, wo ich aufgewachsen bin. Wir sind beide „Zuagreiste“ aus dem Westen und lieben die Stadt wahrscheinlich mehr, als viele „Eingeborene“.
wer&wo
Restaurant Amador
Grinzingerstrasse 86, 1190 Wien
Mittwoch – Freitag (abends)
18:30 – 24:00
Samstag (mittags und abends)
12:00 – 15:00 / 19:00 – 24:00



