INTERVIEW

WIR DÜRFEN ANDERS SEIN

Ein besonderes Hotel zeichnet sich auch durch besondere Mitarbeiter aus. Wir haben den General Manager des Dolder Grand Hotels zum Interview getroffen.

Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Philippe Hubler; beigestellt

Lust & Leben: Dieses Hotel ist ja wirklich anders. Beim Betreten der Lobby habe ich mich über den Penner, der direkt neben der Eingangstür in der Ecke sitzt, gewundert. Erst beim zweiten Blick wurde mir klar, dass es sich nicht um einen lebenden Menschen, sondern um ein Kunstobjekt handelt. Dennoch bleibt die Frage: Was soll das?

Markus Granelli: Der sitzt schon länger dort. Wir sagen nicht Penner, sondern Traveller zu ihm. Es ist eine Skulptur des verstorbenen amerikanischen Künstlers Duane Hanson. Es ist nur eines von über hundert Kunstwerken, die in unserem Haus zu sehen sind. Kunst darf irritieren, mitunter auch verstören. In unserem Haus wird Kunst gelebt. Sie dient nicht nur zur „Behübschung“ der Räume. Im besten Fall regt sie zum Nachdenken an und bietet unseren Gästen Gesprächsstoff. Die Objekte stammen aus der Privatsammlung unseres Eigentümers und geben dem Dolder Grand eine ganz persönliche Note.

Sozialkritische Kunst kann auch provozieren und Ablehnung bewirken. Wie weit darf man da in einem Hotel gehen?

Religiöse Themen und ekelerregende Darstellungen sind natürlich tabu. Wir sind und bleiben ein Hotel und keine Galerie. Aber wir sind ein bisschen anders als internationale Hotelketten. Das schätzen unsere Gäste ja auch.

Generalmanager Markus Granelli auf der Treppe, über die schon viele Berühmtheiten gegangen sind. Wir sprechen von echten Weltstars und Präsidenten und nicht von B- und C-Promis.

Was ebenfalls auf den ersten Blick auffällt, ist das Spannungsverhältnis zwischen dem klassischen Stil des historischen Hauses und der modernen Architektur von Norman Foster. Die Gegensätze wirken krass, aber irgendwie geht es dann doch ganz gut zusammen.

Verbunden durch einen Kuss – so nennen wir den Übergang zwischen Altbau und den zwei neu errichteten Flügeln. Es hat viel Mut dazu gehört, Alt und Neu derart radikal zu verbinden, aber es funktioniert sehr gut. Für das Arbeiten im Hintergrund ist es natürlich sehr hilfreich, die Infrastruktur eines modernen Hauses nutzen zu können. Gleichzeitig haben wir hier eine einzigartige Bühne mit historischem Charme. Meine Aufgabe ist es, sie so attraktiv zu bespielen, dass auch viele Einheimische regelmäßig zu uns kommen. Wir verstehen uns primär als lebendiges Stadthotel und nicht als Refugium für ruhesuchende Touristen.

Dabei bietet sich die idyllische Lage am Waldesrand eigentlich dafür an. Ein bisschen Sport in der Natur, Erholung im riesigen Spa, dazu noch gutes Essen. Eigentlich ist das Dolder Grand das perfekte Feriendomizil für Ruhesuchende. Was spricht gegen die Positionierung als Urlaubshotel?

Würden wir uns ausschließlich als Ferienunterkunft für wohlhabende ausländische Gäste positionieren, wäre die Auslastung wesentlich geringer. Das wäre zumindest die rein kaufmännische Antwort. Wir sind ein Haus mit Geschichte. Wir gehören seit 125 Jahren zu Zürich. Die Einheimischen kommen zum Schwimmen, zum Tennisspielen, zum Golfen und im Winter auch zum Eislaufen herauf. Im ehemaligen Restaurant Rotonde haben die Zürcher fast hundert Jahre lang besondere Anlässe gefeiert. Wir haben heute neben dem Epicure-Festival übrigens auch zwei Hochzeiten im Haus. Es gibt keinen einzigen Tag im Jahr, an dem bei uns nicht irgendetwas los ist. Die Nähe zur Zürcher Gesellschaft ist Teil unserer Identität, die wir ganz gezielt pflegen.

Schön, wenn einem das auch gelingt. Aber die meisten Zürcher Gäste schlafen dann doch daheim. Wie füllen Sie Ihre Betten? Als eigenständiges Hotel können Sie ja nicht auf die Marketing-Power einer internationalen Kette zurückgreifen.

Wir sind Mitglied bei Leading Hotels, was im globalen Vertrieb sehr hilfreich ist. Erfreulicherweise gibt es genug Reisende, die ganz bewusst individuelle Häuser mit Geschichte suchen. Nichts gegen tolle Kettenhotels – ich habe selbst ein paar Jahre lang bei Four Seasons gearbeitet und dort viel gelernt. Trotzdem ist es spannender, ein inhabergeführtes Haus zu leiten, weil man dabei viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat. Natürlich müssen auch bei uns die Zahlen stimmen, aber wir können es uns erlauben, längerfristig zu planen.

Was Sie nicht planen können, sind die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Wegen des starken Frankens ist ein Urlaub in der Schweiz sehr teuer geworden. Spürt man das im Luxussegment gar nicht?

Wir Schweizer haben damit zu leben gelernt. Natürlich ist ein Aufenthalt bei uns verglichen mit anderen europäischen Städten etwas teurer, aber wenn es uns gelingt, die Gäste mit Leistung zu begeistern, rückt das Preisniveau rasch in den Hintergrund. Wir haben darauf auch strategisch reagiert und während der Reisebeschränkungen wegen Corona ganz bewusst Gäste aus der Westschweiz angesprochen. Das hat großartig funktioniert. Bis heute ist die Schweiz mit rund 20 Prozent nach den USA unser zweitwichtigster Herkunftsmarkt. Im Sommer sind Besucher aus dem arabischen Raum, die der großen Hitze entfliehen wollen, eine stetig wachsende Zielgruppe. Auch Asien entwickelt sich sehr gut.

Ganz generell gefragt: Wieso fährt man in die Schweiz auf Urlaub?

Unser Land ist sicher, die Infrastruktur ist top – sowohl der Flughafen wie auch das Bahnnetz. Viele Gäste, die mit dem Flugzeug kommen, nutzen Zürich als Basis, um Ausflüge an die schönsten Plätze der Schweiz zu machen. Das kulturelle Angebot in Zürich ist in den letzten Jahren sehr attraktiv geworden. Auch Privatkliniken locken ein zahlungskräftiges Publikum an. Ein derart hohes Niveau wie bei uns findet man weltweit nur sehr selten. So gelingt es uns, dass internationale Gäste nicht nur ein oder zwei Nächte bei uns bleiben, sondern oft deutlich länger.

Ist das ein Grund, wieso Sie gleichfünf Restaurants im Haus haben?

Natürlich. Wer länger bei uns bleibt, soll die Möglichkeit haben, unterschiedliche Küchen zu genießen. Neben unserem Fine-Dining-Restaurant gibt es noch das „normale“ Saltz, das bloom mit vegetarischer Küche, unseren sehr persönlich gehaltenen Japaner Mikuriya sowie ein Pop-up-Restaurant, das wir alle drei Monate mit einem neuen Thema bespielen. Für die Positionierung unseres Hauses ist unser exklusives Kulinarik-Angebot entscheidend. Ich spreche da lieber von einem Entertainment-Center und nicht von einem Profit-Center. Das Epicure-Festival machen wir nicht nur für die Einheimischen, sondern auch für unsere internationalen Gäste. Unsere Gastköche werden dabei im besten Fall zu Markenbotschaftern. Deshalb bieten wir ihnen auch gerne an, ein paar Tage länger zu bleiben und auch den Partner sowie ihre Kinder mitzubringen.

Um es mit einem Bild aus der Theaterwelt zu sagen: Eine tolle Bühne zu haben ist das eine. Ein gutes Stück zu spielen – also ein Erfolg versprechendes Konzept zu haben – das andere. Aber ohne gute Schauspieler – sprich die richtigen Mitarbeiter – gelingt es dann doch nicht. Wie gehen Sie bei der Mitarbeitersuche und -führung vor?

Das ist meine wichtigste Aufgabe. Aber so schwierig ist das dann auch wieder nicht, weil wir sehr viele langjährige Mitarbeiter im Haus haben, die genau wissen, worauf es ankommt. Unser kulinarischer Direktor Heiko Nieder ist sogar schon ein Jahr länger als ich im Haus. Wir haben klare Werte, die für uns alle gelten. Ein respektvoller Umgangston miteinander ist einer der wichtigsten. Natürlich legen wir auf ein gepflegtes Auftreten und gute Manieren wert, aber das dürfen die Mitarbeiter entsprechend ihrer Persönlichkeit und der jeweiligen Situation weitgehend eigenständig interpretieren. Nur so gelingt es auf Dauer, dass das Lachen von innen kommt und keine aufgesetzte Geste ist. Wir dürfen anders sein. Schlussendlich soll jedem Mitarbeiter das Arbeiten im Dolder Grand genauso viel Spaß machen wir mir selbst.

Seit der Neueröffnung im Jahr 2008 ist Heiko Nieder als Kulinarik-Direktor für das gesamte gastronomische Angebot des Hauses verantwortlich.

Neben dem Fine-Dining-Restaurant gibt es noch das Restaurant Saltz, das bloom mit vegetarischer Küche, den sehr persönlich gehaltenen Japaner Mikuriya sowie ein Pop-up-Restaurant, das alle drei Monate ein neues Thema bespielt.

ZEHN JAHRE EPICUR
111 Gastköche aus 30 Ländern sind in den letzten zehn Jahren ins Dolder Grand gekommen, um im Rahmen des Festivals Epicure für außergewöhnliche Abwechslung zu sorgen. Zunächst gibt es die Gourmet-Abende im Restaurant mit gesetzten Dinners und Weinbegleitung, wie heuer etwa mit dem taiwanesischen Drei-Sterne-Koch Kai Ho (Foto).

Eine wahres Fest der Sinne ist dann immer das Grand Finale, bei dem ein Dutzend Gastköche an eigenen Stationen jeweils einen Signature-Dish zubereiten. Für Österreich war heuer Alain Weissgerber vom Taubenkobel mit dabei.

Eine wahres Fest der Sinne ist dann immer das Grand Finale, bei dem ein Dutzend Gastköche an eigenen Stationen jeweils einen Signature-Dish zubereiten. Für Österreich war heuer Alain Weissgerber vom Taubenkobel mit dabei. Live-Musik, feine Zigarren und ein außergewöhnliches Barteam (heuer das SIPS aus Barcelona) sorgen stets für eine rundum heitere Stimmung. Hier die besten Bilder dazu:

www.theepicure.ch