DER BLICK NACH VORNE
Text: Wolfgang Schedelberger; Fotos: Rainer Fehringer
Manche Dinge ändern sich nicht. Und das ist gut so. Der legendäre Forellenstrudel ist eines jener Signature-Gerichte, das den Ruf der Obauers in den 1980er Jahren begründet hat. Es steht auch diesmal wieder auf der Karte und schmeckt so gut wie immer.
Und doch hat sich hier im Laufe der Jahre einiges geändert. Die jungen Mitarbeiter, die sich heute um das Wohl der Gäste kümmern, waren damals noch gar nicht auf der Welt. Wir wollen gemeinsam mit Karl, Rudi und seinem Sohn Berthold einen Blick in die Zukunft wagen. Schließlich interessiert es die gesamte Branche: Wie geht es mit dem Obauers weiter?
Lieber Karl, Du hast im letzten August deinen 70. Geburtstag gefeiert, den viele deines Jahrgangs im Altersheim begehen. Willst du aus Prinzip nicht in Pension gehen?
Karl Obauer: Nein. Solange ich gesund bleibe, möchte ich weiterhin arbeiten. Für mich gibt es gibt nichts Schöneres.
Rudi Obauer: Auch ich höre die Frage „Wie lange hast du noch?“ regelmäßig. Sie ist eines der Grundübel unserer Gesellschaft, ganz abgesehen von der langfristigen Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems. Für viele Landsleute hat sich der Begriff Arbeit zu etwas entwickelt, das es zu vermeiden gilt, anstatt Sinn darin zu sehen, etwas fürs Gemeinwesen zu machen. Das ist übrigens kein Vorwurf an die nächste Generation, sondern an meine eigene. Wer hat den Begriff „Work-Life-Balance“ denn erfunden?
«Über die Arbeit zu Jammern, ist ein Grundübel unserer Zeit.»
RUDI OBAUER
Lieber Berthold, wie schaut es denn mit deiner persönlichen Work-Life-Balance aus?
Berthold Obauer: Ich kann mich nicht beklagen, aber für eine finale Bilanz ist es noch etwas zu früh. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mir eine fundierte Ausbildung ermöglicht und mich nicht in den Betrieb gedrängt haben. Ich bin zwar mit dem Restaurant aufgewachsen, aber nicht im Restaurant. Wir wurden nicht von früh an genötigt, mitzuarbeiten. Zunächst war mir auch gar nicht klar, dass ich hier einmal einsteigen will. Mein Feuer für die Gastronomie wurde erst nach der Matura gezündet, als ich bei der Familie Reitbauer im Steirereck mein Praktikum absolviert habe.Â
Du hast noch einen jüngeren und einen älteren Bruder. Habt ihr nicht schon als Kinder darüber diskutiert, wer in den Betrieb in welcher Rolle einsteigen wird?
Berthold Obauer: Nein, gar nicht. Wir wurden damit auch nicht von unseren Eltern konfrontiert. Wichtig war nur, dass wir alle die Schule gut absolvieren. Mein älterer Bruder ist in der Baubranche tätig, mein jüngerer Bruder arbeitet aktuell in der Schweiz. Der Generationswechsel ist ein komplexes Thema und bringt natürlich auch gewisse Herausforderungen mit sich. Gleichzeitig ist es phantastisch, wenn man ein erfolgreiches Unternehmen fortführen und weiter entwickeln darf. Das ist ein fließender Prozess. Schließlich bin ich bereits seit sechs Jahren wieder zurück in Werfen und Rudi und Karl sind erfreulicherweise immer noch da. Deshalb konnte ich in den letzten beiden Jahren „nebenher“ noch einen MBA an der Hospitality School in Lausanne absolvieren, was mir persönlich sehr viel bedeutet hat.
Aber Koch hast du nicht gelernt. Wie wird es mit der Küche weiter gehen, wenn sich dein Vater einmal zurückziehen wird?
Berthold Obauer: Jetzt ist ja noch der Papa da. Ich will nicht darüber spekulieren, wie es in der fernen Zukunft einmal ausschauen wird.
Rudi Obauer: Die Küche ist das Herz des Hauses, aber was in der Öffentlichkeit oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass Kochen immer Teamarbeit ist. Während wir jetzt hier sprechen, ist unserer langjähriger Sous-Chef Peter Buchegger in der Küche am Werken. Wir haben zumindest vier erfahrene Köche an Bord, die auch ohne meine Anwesenheit die „Obauer-Küche“ perfekt draufhaben. Und dann gibt es viele Junge, die bei uns etwas lernen wollen. Lernen heißt bei uns allerdings immer aktiv mitmachen und nicht zuschauen. Ich beschreibe unsere Küche gerne als Akademie, weil man hier so viel lernen kann. Ich bin auf viele unserer Absolventen stolz, weil sie mit dieser Erfahrung ausgestattet ihren eigenen Weg erfolgreich gegangen sind. Seit kurzem gibt es in Tokio sogar ein Restaurant namens „Werfen“, weil sich unser ehemaliger Küchen-Mitarbeiter Jinji zu Hause selbständig gemacht und sein Restaurant nach unserer Heimatgemeinde benannt hat.
Ein gutes Stichwort: Ihr wohnt in einem malerischen Ort, eine internationale Metropole ist Werfen allerdings nicht. Die meisten Gäste kommen also von weit her, um bei Euch zu essen. Wie bleibt man 45 Jahre lang als angesagtes Restaurant im Gespräch?
Karl Obauer: Wir haben eine enorme Medienpräsenz gehabt, die mit den immer höheren Auszeichnungen der Restaurant-Führer einher gegangen ist. Es war eine Zeit des Aufbruchs für die gesamte Branche, auch für Winzer, Bauern und Züchter. Ganz am Anfang hat sich niemand für uns interessiert. Wenn man lang genug verlässlich auf einem Top-Level agiert, wird man irgendwann zu einer Marke, die über den eigenen Ort hinausstrahlt. Gleichzeitig war es für uns immer wichtig, auch für Gäste aus der Region zugänglich zu bleiben. Niemand muss bei uns das große Gourmet-Menü bestellen. Wer bei uns zu Mittag nur zwei, drei kleine Gerichte essen will, ist genauso willkommen. Man muss wissen, wo man ist und was man kann.Â
Aber wie bleibt man angesagt? Viele der Gäste der ersten Stunde, werden 45 Jahre später kaum mehr kommen. Wie verführt man jüngere Gäste zu einem Erstbesuch bei den Obauers?
Berthold Obauer: Wir waren nie ein steifer Gourmet-Tempel, sondern haben uns immer als familiengeführtes Restaurant empfunden. Das haben unsere Gäste auch so gesehen. Es passiert regelmäßig, dass wir drei Generationen gleichzeitig am Tisch haben. Viele unserer heutigen Stammgäste sind die Kinder von Stammgästen der ersten Stunde. Die Medienlandschaft hat sich verändert, da müssen auch wir neue Wege gehen. Als ich vor sechs Jahren zurückgekommen bin, hat Social Media überhaupt keine Rolle gespielt. Heute sind wir dort sehr präsent, es gibt sympathische Kurzvideos, die nicht nur auf Instagram verfügbar sind, sondern auch auf unserer Website. Die Obauers sind jedenfalls auch in meiner Altersgruppe bekannt und angesagt. Das betrifft auch das, was Karl gerade über die regionalen Gäste gesagt hat: Wer sich einmal anschauen will, wie bei uns gekocht wird, kann dies auch relativ günstig machen. Wir haben zwar auch Flaschen für mehrere tausend Euro im Keller liegen, aber es geht bereits bei 45 Euro los.
In gewisser Weise war die Obauer-Küche immer ein Mix aus großer Klassik, regionaler Bodenständigkeit und Innovation und damit ein Trendsetter. Heute wird in der internationalen Luxusgastronomie vieles auf die Spitze getrieben. Wie bleibt man in diesem veränderten Marktumfeld relevant?
Karl Obauer: In dem man Gastfreundschaft lebt. Ich kann mit dem Getue, das in manchen Luxusrestaurant betrieben wird, nichts mehr anfangen. Ein Restaurant ist kein Theater, ein Teller muss gut schmecken und nicht möglichst fotogen sein. Restaurants, die dauerhaft erfolgreich sind, leben nicht davon, dass sie Modeerscheinungen hinterherlaufen. Â
Zum Schluss wollen wir noch eine zentrale Herausforderung der Branche ansprechen. Wie findet und bindet ihr gute Mitarbeiter an den Betrieb?
Rudi Obauer: Wir sind ehrlich und fair und leben diese Werte auch tagtäglich im Umgang miteinander. Wir erwarten von unseren Mitarbeitern Einsatz und Engagement, aber wir bieten ihnen auch etwas. Die Gastronomie ist trotz aller Herausforderungen eine wunderschöne Branche, wo die Arbeit Sinn und Freude machen kann. Das wollen wir unseren jungen Mitarbeitern jeden Tag aufs Neue vermitteln. Â
«Ein breites Angebot zu machen, ist uns wichtig.»
KARL OBAUER
«Wir sprechen auch ganz gezielt ein junges Publikum an.»
BERTHOLD OBAUER
wer & wo
Restaurant & Hotel Obauer
Markt 46, 5450 Werfen, Österreich