HUMOR, GROSSZÜGIGKEIT UND GESCHMACK

Heuer feiert Hans Reisetbauer sein 30jähriges Jubiläum als Schnapsbrenner. Scheinbar mühelos reiht sich bei ihm Erfolg an Erfolg, sowohl quantitativ als auch qualitativ.

Text: Wolfgang Schedelberger; Fotos: Rainer Fehringer

Bevor wir uns im Besprechungszimmer im neu errichteten Gebäudetrakt zum Interview niedersetzen dürfen, besteht Hans Reisetbauer auf eine kurze Rundfahrt über seine umliegenden Felder. Sie werden seit einigen Jahren allesamt biologisch bewirtschaftet. Naturnah zu arbeiten, war ihm seit je her wichtig. Irgendwann wollte er das dann auch offiziell zertifiziert haben. Heute kümmert sich vor allem Sohn Hansi um Obst- und Ackerbau. Hier draußen nimmt alles seinen Anfang, denn nur wenn das Ausgangsprodukt perfekt ist, lohnt es sich, es auch zu veredeln.

Dann folgt ein Rundgang durch die vor 1,5 Jahren neu gebaute Brennanlage. So etwas gibt es nirgendwo sonst auf der Welt, schildert Reisetbauer stolz. Seine Jahrzehnte lange Destillierungs-Erfahrung ist in die Planung eingeflossen, die er minutiös ausgetüftelt hat. Temperaturen lassen sich auf 0,05 Grad genau steuern, die Gärungstanks kann man vollautomatisch mit fast schon klinischen Hygiene-Standards reinigen, alle Abläufe kann er mit einer selbst entwickelten App von seinem Smart-Phone aus steuern. Eine hocheffektive Wärmerückgewinnung sowie über 4.000 Quadratmeter Photovoltaik-Panele am Dach sorgen dafür, dass im Betrieb mehr Energie erzeugt als verbraucht wird. Dann schaut der Meisterbrenner aus Axberg noch kurz zum Herd, wo er in der Früh ein Sugo für das gemeinsame Mittagessen mit der gesamten Belegschaft aufgesetzt hat. „So, jetzt können wir mit dem Interview beginnen“, sagt Hans Reisetbauer endlich. 

Wie bringst Du das Alles unter einen Hut? Du bist dauernd auf Achse, kümmerst Dich aber gleichzeitig auch um das Mittagessen für die Mitarbeiter. Dann gibt es die Landwirtschaft. Ein bisschen Administratives wird wohl auch anfallen. Findest Du überhaupt noch Zeit zum Brennen?

Das Brennen ist das Wichtigste, das hat immer Priorität. Mit unserer neuen Anlage muss ich aber nicht mehr so viele Stunden unmittelbar vor den Kesseln stehen, weil alle Abläufe permanent überwacht werden. Das war also eine Investition, die nicht nur dazu beiträgt, noch exakter destillieren zu können, es spart auch sehr viel Zeit. Außerdem habe ich mit meinem Sohn Hansi eine Stütze, die mich zunehmend auch beim Brennen unterstützt. Ich stehe jeden Tag um halb sechs Uhr auf, habe es mir aber inzwischen angewöhnt, nach dem Mittagessen eine kurze Siesta zu halten, weil ich auch am Abend fit sein will, wenn ich Termine außer Haus habe. Ja, ich habe jeden Tag viel zu tun, aber ein Sugo fürs Mittagessen anzusetzen, verbuche ich nicht als Arbeit.

«Meine Leidenschaft ist und bleibt das Schnapsbrennen.»

Trotzdem hast Du mehrere berufliche Rollen gleichzeitig zu erfüllen. Siehst du dich mehr als Bauer, als Brenner, als „Außendienstler“, sprich Verkäufer oder vor allem als Unternehmer, der Investitionen und Cash-Flow plant, damit der Betrieb dauerhaft prosperiert?

Eigentlich bin ich vor allem ein leidenschaftlicher Tüftler, der gerne plant und technische Lösungen sucht. Meine Leidenschaft ist und bleibt das Schnapsbrennen. Auf die Welt gekommen bin ich als Sohn eines Bauers. Wer den eigenen Grund und Boden bewirtschaftet, um davon leben zu können, ist zwangsläufig ein Unternehmer, ganz egal wie groß oder klein der Hof auch ist.

Und wie schaut es mit Deiner ausgedehnten Reisetätigkeit aus? Wir treffen uns ja immer wieder auf Veranstaltungen im In- und Ausland, zuletzt vor einem Monat in New York. Dienen deine Reisen ausschließlich dem Verkauf?

Ja, natürlich, wobei mir das Präsentieren meiner eigenen Brände auch wirklich Spaß macht. Wenn es wie jetzt in New York 40 Tastings in ein paar Tagen sind, wird es allerdings auch ein bisschen anstrengend. Der operative Verkauf läuft über unseren Vertriebspartner Skurnik, der auch seit dem ersten Tag an Bord ist. Ich schätze dauerhafte Partnerschaften. So sind die USA unser wichtigster Markt geworden, noch vor Deutschland und Österreich. Das erreicht man nicht über Nacht. In den letzten 25 Jahren war ich über 60 Mal in Amerika. Im Gegensatz zum Autofahren macht mir das Fliegen wirklich keinen Spaß mehr. Außerdem habe ich mich dort auch an einer neuen Destillerie namens Branchwater beteiligt, die mich zunächst nur als Berater haben wollten. Aber wieso soll ich bei einem potentiellen Konkurrenten als Berater arbeiten? Als Miteigentümer schaut das ganz anders aus. Amerika ist ein richtig spannender Markt für Edelbrände, wo wir noch viel erreichen können. 

Das Sugo-Kochen ist Chefsache und wird von Hans Reisetbauer „nebenher“ erledigt.

Aber die Tastings könnten doch auch Vertriebsmitarbeiter erledigen? Muss das immer Chefsache sein?

Als ich ganz am Anfang meiner Laufbahn die Gelegenheit bekam, gemeinsam mit meinem Freund Bernhard Ott in der noblen Villa d’Este am Comer See unsere Produkte einem internationalen Publikum zu präsentieren, haben wir uns ein Zimmer geteilt, weil wir uns das damals sonst nicht leisten hätten können. Am nächsten Tag standen wir neben Aubert de Villain von der Domaine de la Romanée-Conti. Ich habe ihn gefragt, wieso er es sich solche anstrengenden Auftritte antut. Schließlich verkaufen sich seine Weine ohnehin zu Rekordpreisen. Er hat nur gemeint, dass dies keine Selbstverständlichkeit sei und er will, dass das auch länger so bleibt. Deshalb mache er bei wichtigen Kunden nach wie vor persönliche Präsentationen. Diese Lektion habe ich mir gemerkt und ich bin damit nicht schlecht gefahren.

Die Angebotspalette hat sich im Laufe der Jahre deutlich erweitert. Nach den feinen Fruchtdestillaten und dem bekannten Blue Gin kam der Axberg Vodka dazu. Dann gibt es noch die Marke Brandstatt mit verschiedenen Destillaten. Auch Whisky und Rum spielen eine Rolle, wiederum mit eigenen Etiketten. Jetzt gibt es auch noch eine Soja-Sauce in Bio-Qualität. Ist das nicht ein bisschen zu viel auf einmal?

Gar nicht. Außerdem sind diese Sachen ja nicht auf einmal passiert. Wir haben seit je her Gerstenfelder, also lag es für mich auf der Hand, vor 25 Jahren mit der Herstellung von Whisky zu beginnen. Bis ein Whisky richtig gut ist, dauert es halt viele Jahre. Dass wir jetzt beim Dallmeier in München mit unserem 24jährigen Whisky gelistet sind, macht mich richtig stolz, aber das ist eigentlich keine neue, sondern eine ganz alte Geschichte, die ich vor der Jahrtausendwende gebrannt habe. Das Gleiche gilt für unseren Elsbeer-Brand, der heute so viele Fans hat. Weil ich von der Einzigartigkeit dieser Frucht begeistert war, haben wir vor über 20 Jahre 325 Elsbeerbäume gesetzt, was zuvor nie jemand gemacht hatte. Es hat viele Jahre gedauert, bis die Bäume getragen haben, aber jetzt bereiten sie uns Jahr für Jahr große Freude. Gin und Vodka sind für die Auslastung unserer Anlagen wichtig und sind zu stabilen Standbeinen unseres Betriebs geworden. Unser Superior Rum ist ein Projekt mit Freunden aus der Top-Gastronomie und hat mich persönlich als Brenner besonders gereizt. Auch die Soja-Sauce ist als Kooperation mit einem Freund gestartet. Roland Trettl hat mich gefragt, ob ich nicht mit ihm eine Bio-Soja-Sauce machen wolle. Roland ist ein super Typ und versteht sich aufs Marketing, ich hatte das Getreide und Ackerflächen für Soja. Mit Vergären kenne ich mich auch aus, also haben wir das gemeinsam gestartet. Das Alles ändert aber nichts daran, dass die Fruchtbrände unser Kerngeschäft sind und bleiben.

Die verschiedenen Kategorien haben sehr unterschiedliche Labels. Nur das R im Kreis ist überall drauf. Wie wichtig ist für dich die Verpackung?

Das habe ich am Beginn unterschätzt. Bei den Prämierungen, wo blind verkostet wird, war das Etikett total egal. Auch für Heinz Reitbauer Senior, der als erster Gastronom meine Brände geführt hat, war das Aussehen der Flasche egal – für ihn hat nur der Geschmack gezählt. Es war Heinz Kammerer von Wein & Co, der mir damals gesagt hat, dass er sich mit dem Verkauf schwer tut, weil ich zwar den besten Schnaps, aber die hässlichsten Etiketten hätte. Ich bin beleidigt aufgestanden und nach Hause gefahren. Aber ein paar Tage später ist mir klar geworden, dass er Recht hatte. So habe ich mit gemeinsam mit Werner Meisinger die neuen, schwarzen Etiketten entwickelt. Die waren am Anfang zwar auch umstritten, aber es war dennoch ein glücklicher Wurf, der bis heute auf der ganzen Welt toll funktioniert. Seither beschäftige ich mich intensiv mit der Ausstattung unserer Produkte – egal, ob Gin, Vodka oder eben auch die Sojasauce. Das R im Kreis ist unser Logo geworden, das wir natürlich markenrechtlich schützen ließen.  

Du sprichst viel von Freunden und Partnerschaften. Wie wichtig sind deine persönlichen Netzwerke fürs Geschäft?

Die sind nicht nur fürs Geschäft wichtig, sondern vor allem fürs Leben. Am Schönsten ist es natürlich, wenn man gemeinsam mit seinen Freunden erfolgreich ist. Als Bernhard Ott das elterliche Weingut übernommen hatte, handelte es sich um einen kleinen, traditionellen Betrieb. Heute zählt er zu den besten und bekanntesten Winzern des Landes. Auch Köche wie Heinz Reitbauer und Juan Amador haben großartige Erfolgsgeschichten geschrieben. Ein Motto, das für mich die Brücke zwischen Beruf und Privatem versinnbildlicht, lautet „Qualität schafft Freundschaft“.

Beim gemeinsamen Mittagessen mit Deinen Mitarbeitern ist mir das riesige Bild vom Gunter Damisch aufgefallen. Hast Du diesen großen österreichischen Künstler persönlich gekannt?

Wir haben uns gut gekannt. Leider ist der Gunter vor acht Jahren viel zu früh von uns gegangen. Mein Lieblingsbild von ihm hängt zu Hause im Wohnzimmer. Kunst hat mich immer schon inspiriert. Ein lieber Freund, der mir ein großes Kompliment machen wollte, hat mir einmal gesagt, dass er an mir drei Dinge schätzt, die man einfach nicht lernen kann: Humor, Großzügigkeit und Geschmack. Das hat mich stolz gemacht.  

«Amerika ist ein richtig spannender Markt für Edelbrände, wo wir noch viel erreichen können.»

Dank Hans Reisetbauer und Roland Trettl gibt es jetzt auch eine Premium-Sojasauce in Bio-Qualität.

wer & wo

Reisetbauer Qualitätsbrand

Zum Kirchdorfergut 1, 4062 Axberg