SEPP, WAS MACHST DU?

Sepp Schellhorn hat in seinem Leben schon viele Rolle bekleidet. Die des Hoteliers hat er mit Jahresbeginn abgelegt. Unternehmer ist er geblieben. Politiker ist er wieder geworden. Jetzt hat er sich auch noch zum Instagram-Star entwickelt – in seiner Lieblingsrolle als Koch.

Text: Wolfgang Schedelberger; Fotos: Rainer Fehringer

Sepp, was machst du? Bücher signieren!

Die neue Wirkungsstätte von Sepp Schellhorn ist der Gasthof zum Bierführer in Goldegg. Der liegt keine 200 Meter vom elterlichen Seehof entfernt, den er die letzten 25 Jahre geleitet hat. Als wir den Gasthof betreten und nach Sepp Schellhorn suchen, finden wir ihn am Küchentisch beim Signieren seines jüngsten Kochbuchs.   

„Sepp, was machst du?“ wird gerade in der vierten Auflage gedruckt. Ein Ende des Hypes ist noch lange nicht abzusehen. Als er vor drei Jahren den Gasthof zum Bierführer im Herzen von Goldegg übernommen hat, wollte er wieder vermehrt am Herd stehen. Gemeinsam mit Freunden entstand die Idee, die Zubereitung einfacher Gerichte der traditionellen österreichischen Küche in Kurzvideos zu erklären. Über Tik Tok und Instagram fanden die „Sepp, was machst du?“-Reels, die herzerfrischend unprätentiösen rüberkommen, eine unglaubliche Verbreitung: Mehr als 600.000 Followers sind es Stand August 2024. Kein Wunder, dass sich auch das Buch, das für ambitionierte Hobbyköche gedacht ist, großartig verkauft.

Nach einer zweijährigen Auszeit bist du vor kurzem wieder für die NEOS als Abgeordneter in den Nationalrat eingezogen und wirst auch für die nächste Legislaturperiode kandidieren. Wie kam es zu diesem Comeback, das viele überrascht hat?

Über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen, war mir immer schon ein Anliegen. Als ich 2003 gemeinsam mit Peter Peer die ÖHV-Präsidentschaft übernommen habe, ging es mir auch um ein politisches Engagement, das über den eigenen Betrieb hinaus geht. Für einen Unternehmer ist es zwar entscheidend, zunächst den eigenen Betrieb erfolgreich zu führen. Aber genauso wichtig ist es, jene Rahmenbedingungen aktiv mitzugestalten, über die man sich allzu oft ärgert. Macht so ein Engagement immer nur Freude? Nein, natürlich nicht. Man muss auch viel Zeit investieren, die anderen als Freizeit zu Verfügung steht. Aber wenn man nicht selbst versucht, das gesellschaftliche Umfeld mitzugestalten, dann machen das andere. Dann hätte ich noch mehr Grund, mich zu ärgern.  

Momentan wirkst Du alles andere als ärgerlich. Liegt das daran, dass du jetzt wieder selbst öfter in der Küche stehst?

Kochen ist für mich tatsächlich eine sehr befriedigende Tätigkeit geworden. Das hätte ich mir in meiner Jugend nicht träumen lassen. Schließlich habe ich meinem letzten Jahr in der Hotelfachschule sogar einen „Nachzipf“ im Kochen bekommen, weil mich das damals überhaupt nicht interessiert hat. Dann habe ich einen Sommer lang bei der Ingrid Häupl in Seewalchen am Attersee mitgearbeitet. Da ist mir ein Licht aufgegangen und ich habe begriffen, worum es geht. Die Nachprüfung habe ich dann problemlos bestanden. Ich hatte Blut geleckt und wollte richtig gut kochen lernen. Mein wichtigster Lehrmeister war Jörg Wörther. Auch die Zeit beim Eckart Witzigmann in der Aubergine will ich nicht missen, wenngleich mir der Umgangston in den Küchen überhaupt nicht getaugt hat. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt – auch wie man es nicht macht.

Die Zeiten haben sich geändert. Der Umgangston in der Küche ist deutlich respektvoller geworden, auch junge Frauen fühlen sich dort jetzt wohl. Trotzdem ist es wesentlich schwieriger geworden, gute Leute für die Küche zu finden. Woran liegt das?

Die Gründe für den aktuellen Mitarbeitermangel sind vielfältig. In meiner Jugend sind viele Kollegen nach Deutschland zum Arbeiten gegangen. Heute ist es vielfach umgekehrt. In heimischen Küchen arbeiten viele ausländische Mitarbeiter, was prinzipiell nichts Schlechtes ist. Ein Hauptproblem ist allerdings die Bezahlung. Viel zu wenig vom Bruttolohn kommt bei den Mitarbeitern netto an. Viele jungen Leute wollen arbeiten. Aber das soll sich auch lohnen. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen – das mache ich dann, wenn ich mich in meiner Rolle als Politiker äußere. Vor zwei Jahren war ich jedenfalls wieder einmal verzweifelt auf der Suche nach Köchen für den Bierführer, als mir drei Freunde, geraten haben, neue Wege zu gehen und zu versuchen, über Social Media Mitarbeiter zu finden. So ist das erste „Sepp, was machst du?“ Video entstanden, das meine Freunde professionell auf Instagram und Tik Tok gelauncht haben. Wie gut das funktioniert, erstaunt mich bis heute. So habe ich auch ein paar engagierte Leute für den Bierführer gewinnen können. Außerdem ist ein richtig gutes Kochbuch entstanden.

« Am Herd zu stehen, hat etwas Meditatives. »

Wie schaffst du das alles unter einen Hut zu bringen?

Am wichtigsten war, dass Ich habe den Seehof vergangenes Jahr an meinen Sohn Felix übergeben habe. Das war eine entscheidende Entlastung. Ich hatte zu lange nicht auf mein tatsächliches Wohlbefinden geachtet und gedacht, dass sich schon alles irgendwie ausgehen würde. So bin ich in ein richtiges Burnout geschlittert. Ich habe auch professionelle Hilfe gesucht, um diese persönliche Krise zu überwinden. Leider ist das in der Öffentlichkeit immer noch ein Tabuthema. Das war auch der Grund für meinen Ausstieg aus der Politik vor zwei Jahren. 

Und trotzdem stehst du jetzt wieder fast jeden Abend im Bierführer am Herd. Hast du keine Angst, dass das wieder rasch zu viel wird?

Am Abend zu kochen ist etwas anderes, als für einen Betrieb wie den Seehof als Gastgeber verantwortlich zu sein. Am Herd zu stehen, hat für mich fast etwas Therapeutisches und macht mir wirklich Spaß. Auch den Wiedereinstieg in die Politik habe ich mir gut überlegt, weil es doch eine Belastung ist, zumindest einmal pro Woche nach Wien zu fahren und an langen Sitzungen teilzunehmen. Ich nehme da allerdings die Westbahn, sodass ich die Reisezeit nutzen kann. Mir mein gesellschaftliches Engagement wichtig. Es kostet Kraft, aber es gibt auch Kraft.

Über die Stiege im Seehof geht Sepp Schellhorn nur mehr selten.

« Gesellschaftliches Engagement ist mir wichtig. Es kostet Kraft, aber es gibt auch Kraft. »

Du bist auch noch für das M32 in Salzburg und zwei touristische Betriebe in Bad Gastein verantwortlich. Laufen die „nebenher“ oder wie machst Du das?

Nichts im Leben läuft nebenher. Allerdings bin ich dort nicht ins Tagesgeschäft involviert. Wir haben dort großartige Teams, alle Schlüsselpositionen sind mit langjährigen Mitarbeitern besetzt, die wissen, was sie tun. Ich bin zwar regelmäßig vor Ort, muss aber mich aber nicht ins operative Geschäft einbringen. Es dauert ein paar Jahre, bis ein Unternehmen so aufgesetzt ist, dass alles rund läuft. Das ist uns sowohl in Gastein wie auch in Salzburg sehr gut gelungen. 

Du bist mit 57 Jahren – wie man so sagt – in den besten Jahren. Es ist ziemlich unüblich, dass man so früh einen Betrieb übergibt. Wie schwer ist dir das Loslassen gefallen?

Überhaupt nicht. Es wird selten besser, wenn man wichtige Entscheidungen vor sich herschiebt. Ich habe meine Eltern vor 25 richtig gehend gedrängt, als ich gesagt habe, dass ich nicht endlos warten will, bis ich den Betrieb übernehme. Ich bin damals gerade Papa geworden und wollte mein Leben selbst in die Hand nehmen. Ich wäre ansonsten weg gegangen und hätte versucht, woanders etwas Eigenes zu starten. Meine Mutter hat mich dabei unterstützt, mein Vater hat allerdings große Schwierigkeiten damit gehabt, loszulassen. Ich denke, wir haben das diesmal besser hingekriegt. Deshalb halte ich mich mit guten Ratschlägen zurück und bin nur mehr ganz selten im Seehof. Ratschläge sind schließlich auch Schläge. Der Felix geht seinen eigenen Weg und es scheint sehr gut zu laufen.

« Man soll mit der Betriebsübergabe nicht zu lange warten. »

Trotzdem ist eine Betriebsübergabe eine heikle Sache, vor allem wenn man mehrere Kinder hat. Wie habt ihr das gelöst?

Neben dem Felix haben wir noch eine Tochter, die ganz etwas anderes machen will und einen Sohn, der in Berlin die Weinbar Freundschaft führt. Wir haben schon vor ein paar Jahren im Familienrat darüber gesprochen, ob sich eines der Kinder für die Weiterführung des Seehofs interessiert. Man kann ein Unternehmen schließlich nur dann erfolgreich führen, wenn man das auch will und nicht dazu gezwungen wird. Eine der größten Lügen, die wir in unserer Gesellschaft haben, lautet: Wir haben das alles nur für unsere Kinder gemacht. Einen tollen Betrieb an die nächste Generation übergeben zu können, ist eine großartige Sache, aber es sollte ohne Zwang passieren. Ich denke, dass wir eine gemeinsame Lösung gefunden haben, die für alle Kinder akzeptabel ist.  

Dein Sohn Felix ist – so wie einst deine Mutter – Koch geworden. Ist das wirklich die entscheidende Kompetenz, wenn es darum geht, einen Beherbergungsbetrieb zu führen?

Die entscheidende Kompetenz ist das unternehmerische Denken. Wenn du als Gastgeber dann auch noch gut kochen kannst, ist das sicherlich kein Nachteil. Im Seehof hat die gute Küche immer eine besondere Rolle gespielt. Deshalb haben wir auch ein Generationenkochbuch herausgebracht, wo Rezepte von meiner Mutter Karola, von Sohn Felix und von mir selbst drinnen sind. Felix wird sicher einiges anders machen als ich. Das ist auch gut so. Der Seehof ist ein solides altes Haus, das schon lange im Familienbesitz ist, die idyllische Lage mit Seeblick wird auch nicht verschwinden. Aber wie man diese Bühne bespielt, um für Gäste attraktiv zu sein, muss jede Generation neu definieren. Im besten Fall baut man auf dem auf, was die Generationen zuvor geschaffen hat und führt es eigenständig weiter. Die besten Ideen und die meiste Energie habe ich vor meinem vierzigsten Geburtstag gehabt.

« Kunst hat mich mit seit meiner Jugend fasziniert. »

Abschließend noch eine Frage zu einer privaten Leidenschaft von Dir, die Du im Seehof auch öffentlich ausgelebt hast. Du giltst als großer Kunstfreund. Findest Du überhaupt noch Zeit, dich mit den schönen Dingen des Lebens auseinander zu setzen?

Natürlich! Bilder zeitgenössischer Künstler inspirieren mich. Mit dem Seehof hatte ich eine große Bühne – sprich viele Wände – dafür. Felix wird das in der einen oder anderen Form wohl weiterführen. Damit ein Haus zeitgemäß bleibt, ist auch diesbezüglich ein Generationswechsel hilfreich. Die zeitgenössische Kunst, die ich gesammelt habe, stammt von Leuten aus meiner Generation. Das Gleiche gilt für die Literatur. Mein persönlicher Hero ist Thomas Bernhard, weil er das Österreich, in dem ich aufgewachsen bin, in einer unvergleichlichen Art und Weise beschrieben hat. Die kommende Generation wird andere Autoren hervorbringen. Da braucht es keinen alten, weißen Mann wie mich, der die Richtung vorgeben will.   

lesen & staunen

Das neue Buch „Sepp, Was machst Du?“ motiviert Amateure, den Kochlöffel in die Hand zu nehmen. Das aufwändig produzierte Generationen Kochbuch dokumentiert, welche Rolle gutes Essen im Seehof seit Jahrzehnten spielt. Es ist um 48.- € im Webshop des Seehofs erhältlich.

Bodenständiger geht es nicht mehr. Jetzt kocht Sepp Schellhorn im Gasthaus Zum Bierführer

Mit einem kleinen Team wird im Bierführer sehr ordentlich gekocht.

In der Küche trägt Schellhorn lieber Blau statt Weiß.

wer & wo

Die Mutter aller Wirtshäuser

2021 übernahm Sepp Schellhorn das seit 1809 bestehende Gasthaus zum Bierführer und führt es mit eigener Handschrift weiter.