DIE FAMILIE DER GUTEN GEISTER

Vulkanisches Gestein und mineralische Böden verhelfen Alois Gölles zu Werkstoffen für unvergleichliche Destillate und wunderbar süß-saure Essenzen. Und noch viel mehr.

Text: Günther Gapp; Fotos: Manufaktur Gilles

Viel mehr als sauer: Hochwertige Essige haben komplexe Aromen.

Auf einem sonnreichen Hügel unweit von Riegersburg in der Südoststeiermark erstreckt sich das 10 ha kleine Reich der Familie Gölles, an dem sich heute die Schnapsbrennerei & Essigmanufaktur und die Gölles-Erlebniswelt für edlen Brand & feinen Essig befindet.

Die ersten Apfelgärten wurden hier bereits in den 50er-Jahren angelegt. Die Spezialisierung auf die Verfertigung edler Destillate begann 1979 noch als „Hobby“, aber seit Mitte der 80er-Jahre steht der Name Gölles nicht nur für weltbekannte Schnäpse, sondern alsbald auch für feine, rein aus der Frucht gewonnene Essige. Die Suche nach etwas anderem als dem damals überall angebotenen klassischen Essig, dem Apfelessig führte Alois Gölles zum weltweiten Unikat des Apfelbalsamessig (reift mittlerweile in 1.400 Fässern) bis hin zur Kreativ-Essiglinie, den Frucht- und Gemüseessigen: Während Himbeere der absolute Fruchtessig ist, glänzt der Tomatenessig mit seiner Einsatzvielfalt. Die gläserne Manufaktur im Gewölbekeller ist seit 1993 das stilvolle Markenzeichen. 2015 wurde sie erweitert und ist nun Teil der umfassenden Erlebniswelt. Viele kluge Investitionen brachten über die Jahrzehnte das Wachstum zur Reife und beste Qualitäten hervor.

Innovationen prägen die 2000er Jahre

Einzigartig die Erzeugung von Tomatenessig direkt aus frischen Tomaten (2003). XA (Extra Alt), erlesene und gereifte Privatreserven von Edelbränden und Balsam Essig mit mindestens 20 Jahren Lagerung – das Lieblingsprojekt von Alois Gölles – werden erstmals in die Flasche gebracht (2004). Erstmalige Produktion von Essig-Gelees (2007). Der Spargelessig aus weißem und grünen Spargel erblickt das Licht der Welt (2014). Zuletzt überrascht Gölles noch mit Zitronenwürze, der belebenden Kreation aus frisch gepressten Zitronensaft und weißem Balsamessig (2014).

Convenience auf höchster Stufe

Der frühe Erfolg mit dem Apfelbalsamessig gab ihm Recht. Heute umfasst das Fruchtsortiment 15 bis 20 Essige. Für Gölles Essige werden schon immer ausschließlich makellose Früchte, gute Weine, Bier oder die Moste herausragender Winzer herangezogen. Und im Keller lagern immer zwei Ernten, um den Totalausfall einer Frucht nicht zu spüren. Je nach Sortencharakter vollzieht sich der wesentliche Prozess der Reife in Behältern aus Edelstahl oder kleinen Eichenfässern, über Jahre hinweg. „Essig machen ist viel schwieriger als Schnapsbrennen. Man braucht die richtige Portion Fingerspitzengefühl, Erfahrung und handwerkliches Geschick. Den Inhalt einiger Fässer mussten wir auch schon wegwerfen.“ Wohl auch deshalb steht neben dem Namen Gölles auch das Wort „Manufaktur“ – von Hand gemacht und bei der Produktion mitunter vor keinerlei Unbill gefeit. Und Zeit. „Unsere Fässer lagern sechs bis acht Jahre, wobei ein Teil des Inhalts verdunstet. Durch das Holz bekommt der Essig eine ölige Konsistenz und der Fruchtzucker bleibt verstärkt.“ So ist der Geschmack immer gleich gut. Die Essigmutter, die im Beisein von Sauerstoff den auf natürliche Weise vergorenen Fruchtzucker, also  Alkohol in Essigsäure wandelt,  ist dabei vom Start weg die Diva. Ohne Aromen, Farbstoffe und Konservierungsmittel und haltbar bis in alle Ewigkeit.

Glasklar, Fassbraun oder bitter-fruchtig

Im Hause Gölles wird der Schnaps nach eigenen, strengen Regeln gemacht. „Niemals gezuckert und in keiner Weise aromatisiert. Und Zeit ist Geschmack. Zweimal schonend gebrannt, werden unsere Schnäpse bis zur vollständigen Harmonie in Glasballons oder Eichenfässern gelagert. Bis zum Verkauf wird der Schnaps möglichst wenig bewegt. Denn Quintessenzen reifen gerne in aller Ruhe“, fasste Gölles sein hochprozentiges Credo schon zur ersten Ausgabe von Lust&Leben 2002 zusammen. Während die klaren Brände für 2-3 Jahre im Edelstall oder Glasballon die Ruhe und Zeit erhalten, die ihnen ihr einzigartiges, fruchtiges Aroma geben, ruhen die fassgelagerten Brände schon 8-10 Jahre im Eichenfass des eigens erbauten Schnapskellers. Über allem ruht der Schnapstresor der XA (extra alten) Raritäten, wo in besonderen Jahrgängen kleine Mengen zurückbehalten und nach sehr langer Lagerung in handnummerierten Flaschen abgefüllt wurden. Nur für den unendlich guten Genuss geeignet.

Bitter & Süß

Marille, Ribisel und Weichsel werden nur mit fruchteigenem Brand angesetzt und glänzen als sehr fruchtige Liköre. Grüne Walnüsse, Wurzeln und Kräuter aus Wald und Wiese werden nach altem Familienrezept zum Edelbitter, als steirische Antwort auf den italienischen Amaro. Während der Vogelbeer Bitter als Womanizer gute Cocktails, Longdrinks oder Eiscreme versüßt. 

Am Puls der Zeit

„Wir bringen in unsere Arbeit in der Gölles Manufaktur den Faktor Zeit ein. Und wir lassen sie uns …“ Der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke hat es wunderbar auf den Punkt gebracht: „Da gibt es kein Messen mit der Zeit, da gilt kein Jahr, und zehn Jahre sind nichts, Künstler sein heißt: nicht rechnen und zählen; reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht rängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch. Aber er kommt nur zu den Geduldigen …“ Für Alois Gölles und seine Familie werden noch viele Sommer ins Land kommen, in denen sie vollmundige saure und hochprozentige Essenzen präsentieren werden. Und der Besuch der Erlebniswelt mit Nächtigung im Genusshotel Riegersburg ist im Pflichtenheft einen Eintrag wert. 

Bunte Kreationen: Die 40 Jahre Jubiläumsedition Apfel Balsamessig mit Etiketten von Künstlerin Marlene Voves
Während Himbeere der absolute Fruchtessig ist, glänzt der Tomatenessig mit seiner Einsatzvielfalt.
XA Apfel Balsamessig: Was lange reift, wird unendlich gut.
Die Manufaktur: Was 1979 mit der Obstveredelung im elterlichen Betrieb begann, ist seit 2015 ein bodenständiger Ort süß-saurer Begegnungen. Und einzigartig!

Manufaktur Gölles

Stang 52, 8333 Riegersburg 

www.goelles.at