VAMOS A MIAMI

Miami boomt wie nie zuvor. Das gilt nicht nur für den Tourismus-Hotspot Miami Beach, sondern für die gesamte Metropolitan Region, die sich als Trendmetropole und heimliche Hauptstadt Lateinamerikas neu erfindet.

Text: Wolfgang Schedelberger.

Nirgendwo sonst in den USA ist die Dichte an Luxus-Limousinen so hoch wie in Miami.

Auch ich habe, wie so viele junge Leute, mein erstes Geld in der Gastronomie verdient. So bin ich 1986 als Kellner nach Miami Beach gekommen, um ein knappes Jahr lang in einem Hotel zu arbeiten. Damals war South Beach ein schäbiges Drogenviertel. Die Hotels nördlich davon wurden hauptsächlich von betagten „Snowbirds“ aus den nördlichen Bundesstaaten der USA zum Überwintern besucht. Glanz und Glamour? Fehlanzeige! Davon war trotz der Kult-Serie Miami Vice, die 1984 erstmals ausgestrahlt wurde, weit und breit nichts zu sehen. 

Heute ist alles anderes. Der organisierte Drogenhandel, um den es in Miami Vice ging, hatte für die Stadt trotz zahlreicher Gewaltverbrechen auch seine vorteilhaften Seiten. Ein Gutteil der Drogengelder wurde in Miami ganz konservativ investiert – nicht nur in protzige Sportwagen, sondern auch in reguläre Geschäfte und Immobilien. So hat sich Miami zu einer modernen Metropole gewandelt, in der sich vor allem Geschäftsleute aus Lateinamerika wohlfühlen. Zuvor war Miami vor allem von kubanischen Exilanten geprägt, die nach der sozialistischen Revolution 1959 vom nur 170 Kilometer entfernten Havana nach Miami flüchteten und den Stadtteil „Little Havana“ begründeten. In den letzten 30 Jahren kamen viele wohlhabende Geschäftsleute aus ganz Lateinamerika dazu, die vielfach einen Zweitwohnsitz in den USA gesucht haben, um hier abseits aller politischer Umtriebe in ihren Heimatländern einen sicheren Hafen zu finden. Darüber hinaus hat sich Miami auch für zahlreiche US-Unternehmen als Tor zu Südamerika etabliert. Der Hafen ist nicht nur Ausgangspunkt für die meisten Kreuzfahrten, sondern ist auch für den kommerziellen Handel einer der wichtigsten Umschlagplätze der USA geworden. Im vergangenen Jahr wurden am Flughafen Miami erstmals die meisten internationale Ankünfte aller US-Airports verzeichnet. Mit anderen Worten: Miami boomt wie nie zuvor!

Architektonisch besonders wertvoll

Die meisten Touristen zieht es nach wie vor nach Miami Beach. Das südliche Drittel der Insel ist von niedrigen Art Deco Hotels geprägt, die ein architektonisch überaus reizvolles Ensemble darstellen. Hier gibt’s lässige Beachclubs, hunderte Bars und Restaurants sowie einige der angesagtesten Nachtclubs von Miami. Vor allem ein junges, internationales Publikum fühlt sich hier wohl, wenn es um Party geht. Im Nikki Beach Club geht es – so wie im Smith & Wollensky, einem Ableger des berühmten New Yorker Steakhouses – etwas nobler zu. Trotzdem zählt South Beach zu den günstigeren Ausgeh-Vierteln der Stadt. 

Mid-Beach führte bis vor kurzem hingegen ein Schattendasein, obwohl hier mit dem Fountainbleu das älteste und bekannteste Grandhotel liegt, wo schon Celebrities wie Frank Sinatra und Marilyn Monroe feierten. Der Strand ist zwar genauso schön, wie in South Beach, aber touristisch herrschte nördlich der 24. Straße bis vor ein paar Jahren tote Hose. Das hat sich mit einigen spektakulären Hotel-Eröffnungen geändert.

Mid-Beach erfindet sich neu

Das Edition Hotel hat die Disco- und Hotellegende Ian Schrager gemeinsam mit Marriott Gruppe entwickelt – 20 Jahre nachdem Schrager mit dem Delano erstmals seine Philosophie eines zeitgemäßen Design-Hotels von New York nach Miami gebracht hatte. Das Edition wurde 2014 eröffnet und ist mehr als ein Urlaubshotel für Badegäste. Mit jeder Menge Entertainment (Bowlingbahnen und ein kleiner Eislaufplatz im Keller), coolen Bars und exklusiver Gastronomie (Jean-Georges Vongerichten wurde als Partner gewonnen) dient das schicke Haus auch als Kongress-Destination.

Ein paar Blocks weiter nördlich ist 2015 mit dem Faena ein noch spektakuläreres Hotel dazu gekommen. Der umtriebige Argentinier Alan Faena, der bereits mit seinem spektakulären Design-Hotel in Buenos Aires gezeigt hat, wie man einen herunter gekommenen Stadtteil zu neuem Leben erweckt, hat gemeinsam mit finanzkräftigen Investoren ein Luxushotel der Extraklasse geschaffen. Er sei zwar kein Hotelier betont der extravagante Alan Faena gerne. Deshalb würden seine Hotels auch ganz anders ausschauen. Im Keller gibt es neben einem coolen Club auch ein ganz in Rot gehaltenes Cabaret-Theater, wo bei Privat Events schon Größen wie Billy Joel aufgetreten sind. Im stylischen Restaurant Fuego wird ganz nach argentinischem Vorbild mit Feuer gekocht. Francis Malman hat das Konzept entwickelt. 

Mit der Vermietung von Zimmern alleine rechne sich so ein gewaltiges Investment nicht, erklärte uns Oliver Morgan bei der Führung durch das Haus. Auf der anderen Straßenseite wurde ein riesiger Shop und ein eigenes Veranstaltungszentrum errichtet, am Nachbargrundstück wird gerade das Ultra-Luxushotel The Aman gebaut, dessen Fertigstellung für 2026 geplant ist. Mit anderen Worten: aus einer ehemals biederen Gegend ist eine schicke Nachbarschaft entstanden. Der Wert der Immobilien hat sich in nur wenigen Jahren vervielfacht. Aktuell entsteht im angesagten Meatpacking District in Manhattan übrigens ein weiteres Faena Hotel, das 2025 aufsperren wird.

Refugium der Superreichen  

Das richtige Geld ist im obersten Zipfel von Miami Beach (Surfside) und nördlich davon zu Hause, wo Hotels wie das Four Seasons und das St. Regis liegen. Zwischen Fort Lauderdale und West Palm Beach wohnen die Millionäre, was sich in protzigen Villen und riesigen Motoryachten zeigt. Auch Donald Trump hat sich mit seinem Mar-a-Lago-Resort in Palm Beach niedergelassen. Hier fühlt sich Florida auch sehr amerikanisch an – Spanisch spricht hier nur das Personal. Ganz anders als in Downtown Miami, das 120 Kilometer weiter südlich liegt. Trotz dieser Distanz zählt auch Palm Beach noch zur Metropolregion Miami.

Brickell als neues, altes Zentrum

Bei meinem ersten Aufenthalt vor 40 Jahren war Southside Miami eine langweilige Gegend mit ein paar Wolkenkratzern, wo tagsüber Finanzgeschäfte getätigt wurden. Nach Geschäftsschluss war die Gegend ausgestorben. Heute ist der Financial District eines der lebendigsten Viertel überhaupt und wird „Brickell“ bezeichnet. Moderne Shopping Center, zahlreiche Cafés und Bars sowie unzählige Hotels in allen Kategorien, sorgen für belebte Straßen bis weit nach Mitternacht. Brickell ist der am dichtest besiedelte Stadtteil Miamis, wo es bis spät in die Nacht hinein Party gibt. Ein Paradebeispiel für den neuen Lifestyle ist das Sexy Fish, das nach seiner spektakulären Premiere in London (2015) 2020 in Miami aufsperren sollte. Die Pandemie kam dazwischen, doch seit 2022 ist das Sexy Fish zum Hotspot der Schönen und Reichen geworden. Architektonisch spektakulär gestaltet, dazu viel zeitgemäße Kunst (unter anderem zehn Skulpturen von Damien Hirst) und jene moderne Asia-Mischung aus Sushi und Grillgerichten, die sich seit Nobu, Hakasan und Zuma weltweiter Beliebtheit erfreut. 

Design District und Wynwood Walls    

Noch etwas steril wirkt der 2010 neu errichtete Design District, wo praktisch alle internationalen Luxuslabels vertreten sind. Kulinarische Highlights sind dünn gesät. Lediglich ein Ableger von Atelier Robuchon sorgt für Glamour. Wesentlich spannender ist das in unmittelbarer Nähe gelegene Viertel Wynwood Walls, wo aus vereinzelten, zunächst noch illegalen Graffitis ein richtiges Geschäft samt einem mittlerweile renommierten Graffiti-Museum geworden ist. Hippe Boutiquen und eine lebendige Gastronomie für ein junges Publikum folgten. Vergangenes Jahr hat hier auch die New Yorker Gastronomie-Legende Keith McNally mit dem Pastis eine fast originalgetreue Kopie des Originals aus SoHo eröffnet.  

Vieles ist Schein, die Kunst ist echt: An den Wänden des Sexy Fish sind Objekte von Damien Hirst genauso präsent wie im Park des Faena Hotels.

Bunte Gastronomie auch ohne Luxus  

Trotz der vielen großen Restaurant-Namen, die mit lokalen Ablegern vom Boom profitieren wollen, ist Miami keine echte Gourmet-Destination, zumindest was das Luxus-Segment betrifft. Schicke Konzepte mit getrüffelten Sushis und teuren Wagyu-Steaks können eine gewachsene Gastronomie-Szene nicht ersetzen. Trotzdem kann man hier spannend und abwechslungsreich Essen gehen. Nach New York bietet Miami die größte Vielfalt an kleinen Ethno-Restaurants aus der ganzen Welt – von Lateinamerika über Asien, Afrika bis in den Nahen Osten. 

Längst hat der Ableger der avantgardistischen Art Basel das Original übertroffen. Miami hat kulturell wie auch kommerziell das Tor nach Lateinamerika weit aufgestoßen. Weltoffen, lässig und mit einem spanischen Akzent auf den Lippen ist Miami zu einer sympathischen Metropole geworden, die man (fast) das ganze Jahr über besuchen kann. Nur im Hochsommer wird es hier ein bisschen zu heiß. 

Today’s Hip is Tomorrow’s Jype: Die einst illegalen Graffiti ziehen heute tausende Besucher in den Stadtteil Wynwood.

Lokale wie das Yardbird und das Azteca sind für „Normalos“ gedacht, im Faena bleiben die Reichen unter sich. Wo sich alle treffen, sind Malls wie etwa in Brickell.

Im Sommer wird’s hier richtig heiß.

Hi, I am Geoffrey

Seit einem Jahr kurven kleine Roboter durch Downtown Miami und liefern Essen aus. Zumindest auf der Kurzstrecke sind sie eine attraktive Alternative zu Fahrradboten, die derzeit die meisten Zustellungen erledigen. Navigation und Steuerung erfolgen autonom, dutzende Sensoren sorgen dafür, dass es zu keinen Kollisionen mit Passanten, Hunden und anderen Hindernissen kommt. Aus rechtlichen Gründen, werden die kleinen Gefährte noch per Video überwacht, sprich ein „Pilot“ ist mit dem Roboter verbunden und kann notfalls eingreifen, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. So wie bei fahrerlosen Taxis sollen die kleinen Zustellroboter in Zukunft komplett autonom unterwegs sein.   

Den Trends auf der Spur

Pierre Nierhaus war selbst viele Jahre lang Gastronom. Heute ist er ein erfoglreicher Autor,  gefragter Referent und gut gebuchter Coach. Wie kaum ein anderer Gastronomie-Berater kennt Nierhaus aktuelle Trends auf der ganzen Welt. Seine Expertise fußt auf internationalen Trend-Touren, die er für kleine Gruppen rund um den Erdball organisiert. Der Autor war schon selbst bei Trendtouren nach London, Bangkok, Dubai, Tokio und zuletzt Miami mit dabei und weiß daher, wovon er spricht.  

Im kommenden Jahr stehen geführte Touren nach Amsterdam, Berlin, London, Singapur, Las Vegas, Los Angeles und New York auf dem Programm.    

Alles Infos hier.