WELTENBUMMLER

Der gebürtige Kärntner Christian Gradnitzer ist in Dubai für die Entwicklung moderner Restaurant-Konzepte der RIKAS Restaurant Group verantwortlich

Text: Wolfgang Schedelberger

Auch privat fühlt sich der erfolgreiche Gastro-Manager in der Metropole am Persischen Golf sehr wohl.

Dubais Gastro-Szene boomt wie nie zuvor. Ein Lokal eröffnet nach dem anderen. In diesem dynamischen Markt mischt Christian Gradnitzer, der vor 25 Jahren als junger Koch im Burj-al-Arab angefangen hat, erfolgreich mit. Nach einer Traumkarriere in der Jumeirah-Hotelgruppe ging er für zwei Jahre nach Istanbul. Jetzt ist er wieder zurück im boomenden Golf-Emirat und entwickelt neue Restaurant-Konzepte. Wir haben ihn im schicken französischen Bistro „Chez Wam“ zum Interview getroffen.

Lust & Leben: Bei meinem letzten Besuch warst du im Madinat Jumeirah für eine Brigade von über 400 Köchen verantwortlich und hast eine weiße Kochuniform getragen. Heute kommst du im schicken Anzug. Hast du den Kochberuf mittlerweile an den Nagel gehängt?

Gradnitzer: Ich bin vor 25 Jahren als Koch nach Dubai gekommen und habe als Koch eine unbeschreiblich tolle Karriere in den besten Küchen der Stadt gehabt. Wenn man bei einer rasch expandierenden Gruppe mit Leistung auf sich aufmerksam macht, warten über kurz oder lang Aufgaben, bei denen man nicht mehr hinter dem Herd steht. Bei deinem letzten Besuch habe ich zwar noch eine weiße Koch-Uniform getragen, aber als Resort Executive Chef aller Outlets im Jumeirah Emirates Tower habe ich schon damals nicht mehr aktiv gekocht – trotz meiner Uniform. Dann war ich als Culinary Director bei Jumeirah für alle Hotels weltweit verantwortlich. Seit damals habe ich beruflich keine Kochjacke mehr getragen und koche nur mehr privat für die Familie.

Lust&leben: Trotz dieser unglaublich steilenKarriere bei Jumeirah hast du die Gruppe verlassen. Wann und wieso hast du diesen Schritt unternommen?

Gradnitzer: Ich bin Jumeirah unendlich dankbar, denn dort habe ich unglaubliche Chancen bekommen. Schon die ersten sechs Jahre in der Küche des Burj-al-Arab waren großartig. Dann kamen zwei aufregende Jahre im Essex House in New York, wo ich organisatorisch viel gelernt habe. Zurück in Dubai habe ich dann immer größere Hotels verantwortet, bis ich 2012 schließlich die Rolle des Group Culinary Director für alle Jumeirah-Hotels übertragen bekam. Das war eine aufregende Zeit, in der ich die ganze Welt kennengelernt habe. Aber für die gerade entstehende Familie blieb aufgrund der permanenten Reisetätigkeit zu wenig Zeit.

Lust&leben: Du warst dann zwei Jahre bei der international agierenden Dogus- Gruppe in Istanbul. 2017 bist du dann für Hilton doch wieder zurück nach Dubai gegangen. Wieso eigentlich?

Gradnitzer: Das hat viele Gründe, auch familiäre. Als junge Familie mit kleinen Kindern lebt es sich in Dubai besser als im chaotischen Istanbul. Die folgenden fünf Jahre als Senior Director F&B Operations für Europa, Naher Osten und Afrika für Hilton waren auch beruflich super. Ich war dort für 250 Hotels verantwortlich. Nach fünf Jahren kam das Angebot der Rikas Group, die ich seit ihrer Gründung 2015 kenne. Was schlussendlich den Ausschlag für meinen Wechsel gegeben hat? Wenn man in einem großen Konzern arbeitet, hat man zwar enorme Möglichkeiten, gleichzeitig muss man sich in starre Strukturen einpassen. Außerdem spielt die Gastronomie im Vergleich zum Hotelbetrieb die untergeordnete Rolle. Ich komme ja aus der Küche und wollte mich wieder voll auf das Restaurant-Geschäft fokussieren.

Lust&Leben: Der Name Rikas sagt mir nichts. Um was für eine Art von Gastronomie handelt es sich dabei?

Gradnitzer: Die Rikas-Gruppe wurde vor zehn Jahren in Dubai von Rizwan Kassim gegründet, das mit der La Cantine du Faubourg im Jumeirah Emirates Towers auf Anhieb für Furore gesorgt hat. Der Fokus lag von Anfang an darauf, Lokale zu kreieren, die Erlebnisse vermitteln und die Gäste emotional berühren. Nach zehn Jahren haben wir heute 18 eigenständige Restaurants und Beach Clubs.

Lust&Leben: Rikas ist also keine gemeinsame Marke, die nach außen kommuniziert wird, sondern „nur“ die unternehmerische Klammer im Hintergrund?

Gradnitzer: Genau. Jeder kennt unsere Restaurants, aber nur Insider wissen, welche Restaurants zu unserer Gruppe gehören. Wir bekommen laufend Anfragen, neue Restaurants aufzusperren, weil es sich herumgesprochen hat, wie erfolgreich wir sind. Unser Erfolgsgeheimnis ist, dass wir nicht nur aufregende Konzepte entwickeln, sondern diese auch jahrelang selbst betreiben. Wir wollen daher nicht zu schnell wachsen, weil jedes einzelne Lokal gut gemanagt werden muss. Wie du in den letzten Tagen ja selbst gesehen hast, boomt Dubai im Moment. Dauernd sperren neue Hotels auf, die immer auch schicke Restaurants haben wollen. Aber oft sperren Restaurants nach einem Jahr oder weniger auch wieder zu. Es herrscht ein Kommen und Gehen. Die Gastronomie ist auch in Dubai ein Knochenjob und kein Selbstläufer. Aber wenn man es richtig macht, kann man hier richtig gut Geld verdienen.

Lust&Leben: Und wie macht man alles richtig?

Gradnitzer: Die Gastronomie ist ein „People’s Business“. Mitarbeitersuche und Personalmanagement sind die wichtigsten Aspekte, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Dubai ist eine internationale Stadt mit einem internationalen Publikum und internationalen Mitarbeitern. Ich finde es persönlich absolut bereichernd, mich mit einer Vielzahl von Kulturen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig birgt das natürlich auch Herausforderungen. Aktuell beschäftigen wir rund 3.600 Mitarbeiter, die aus der ganzen Welt kommen. Was mich besonders reizt, ist die Entwicklung neuer Konzepte, die wir bis ins letzte Detail planen – von der Beleuchtung bis zu den einzelnen Gerichten. Jedes einzelne Lokal hat eine klare Positionierung. Viele Lokale wollen alles für alle bieten, aber austauschbare Konzepte haben selten ein langes Leben.

Lust&Leben: Du kennst Dubai seit 25 Jahren. Wie hat sich seither die Gastronomie hier verändert?

Gradnitzer: Das kulinarische Angebot ist explodiert – nicht nur im Luxussegment. Damals gab es fast ausschließlich Hotelrestaurants, die auch von den Hotels selbst betrieben wurden. Mit der Zeit ist den Hotelbetreibern klar geworden, dass Hotel und Gastronomie zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Es ist nicht so einfach, „nebenher“ mit der Gastronomie Geld zu verdienen, und laufend den F&B-Bereich zu sponsern, macht auch nicht wirklich Sinn. In meiner Rolle als globaler Culinary Director bei Jumeirah und später bei Hilton habe ich dieses Spannungsfeld tagtäglich aus nächster Nähe gesehen. Oft ist es für Hotels ertragreicher, die Gastronomie an einen externen Partner zu vergeben, der pünktlich seine Miete zahlt. Deshalb kann eine Gruppe wie Rikas auch so erfolgreich sein.

Lust&Leben: Und wie schätzt du den Trend ein, dass weltberühmte Köche hier Zweitrestaurants eröffnen? Heston Blumenthal, Anne Sophie Pic, Daní Garcia, Gaston Acurio, Niko Romito und zuletzt Björn Frantzén haben hier in den letzten Jahren Restaurants eröffnet.

Gradnitzer: Manche dieser Restaurants sind wirklich gut, andere weniger. Das hängt fast nie vom Talent der Köche ab, sondern immer von der tagtäglichen Umsetzung. Nur den Namen und ein paar Rezepte von einem weltberühmten „Starkoch“ zu kaufen und zu glauben, hier rasch Geld verdienen zu können, funktioniert nicht. Deshalb herrscht gerade in diesem Segment ein Kommen und Gehen. Abgesehen von diversen Online-Plattformen haben wir mit Michelin und Gault&Millau jetzt zwei respektable Guides bekommen, die den Gästen eine verlässliche Orientierung bieten. Insgesamt hat sich das Angebot weiter ausdifferenziert, heute kann man in Dubai wirklich hervorragend essen, ganz egal welche Richtung man sucht.

Lust&Leben: Und wie lebt es sich privat in Dubai? Wird es im Sommer nicht viel zu heiß?

Gradnitzer: Ganz ehrlich: Wenn ich im Sommer meine Eltern in Kärnten besuche, ist mir oft heißer. Ohne Klimaanlage sind 35 Grad wirklich viel, mit Klimaanlage bekomme ich gar nicht mit, ob es draußen 40 Grad oder mehr hat. Viele Leute kommen für ein paar Jahre zum Geldverdienen hierher, was total okay ist. Das war am Anfang ja auch mein Plan. Wenn man länger hier lebt, lernt man auch andere Dinge zu schätzen. Die ärztliche Versorgung ist genauso toll wie die Schulen für die Kinder. Kriminalität gibt es hier nicht. Wir leben zwar in einem muslimischen Land, aber wenn man sich normal benimmt, stellt das keine Einschränkung für den privaten Lebenswandel dar. Die Entwicklung in Dubai geht jedenfalls in die richtige Richtung, was ich von anderen Städten auf der Welt nicht sagen kann. Ich war vergangenen Sommer in New York, wo ich ja auch über zwei Jahre lang gearbeitet habe. Früher war das eine meiner Lieblingsstädte, aber jetzt wirkt es leider ziemlich heruntergekommen. Auch in Europa finde ich die Entwicklungen, die manche Großstädte nehmen, nicht so toll. Natürlich ist auch in Dubai nicht alles Gold, was glänzt, aber die Entwicklung geht in die richtige Richtung.

 

Auf der Dachterrasse des Kempinski Hotels liegen gleich mehrere empfehlenswerte Restaurants: Daní Garcia betreibt das Leña und den Smoked Room, das Tresind Studio sowie die beiden RIKAS-Restaurants Aretha (o.) und Chez Wam (u.)

Das Aretha ist jeden Abend zweimal ausreserviert. Danach verwandelt sich das stimmungsvolle Lokal in einen Club mit lauter Musik.

Seine viele Jahre lang geliebte Kochjacke zieht Christian Gradnitzer nur mehr privat an.

Wer bin ich?

Christian Gradnitzer kam 1979 im Kärntner Ferndorf zur Welt. Von 1992 bis 1995 absolvierte er seine Kochlehre im Warmbader Hof in Villach. Nach einem Sommer im Schloss Seefels ging er für ein Jahr ins Grand Hotel Quellenhof in Bad Ragaz und dann ins Dorchester in London. Es folgten eineinhalb Jahre auf der M/S Vistafjord, bevor er Ende 2000 als Junior Sous Chef im erst kürzlich eröffneten Burj-al-Arab anfing. Von 2004-2006 arbeitete er dort als Executive Chef.

Dann ging es für zwei Jahre als Executive Chef ins Jumeirah Essex House nach New York, bevor er 2008 als Executive Chef ins Jumeirah Emirates Tower nach Dubai zurück ging. Dann übernahm er die Leitung für die 40 Restaurants im Madinat Jumeirah (2010-2012).

Von 2012 bis 2015 war er als Group Culinary Director der Jumeirah Group für alle Hotels der Gruppe verantwortlich. Von 2015 bis 2017 ging Gradnitzer als Group Culinary Director der

DOGUS-Gruppe (u.a. Zuma) nach Istanbul, bevor als Senior Director F&B für Hilton International zurück nach Dubai ging.

Seit Oktober 2022 ist er Vice President für Business Development und international Operations der RIKAS Restaurant Group.

Gradnitzer ist verheiratet und hat zwei Kinder.