RUHM.UND.GELD
BURGER MIT SHERRY
Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: beigestellt
Beim Interview im Leña: “Leider habe ich relativ lange gebraucht, um die geschäftliche Seite der Gastronomie wirklich zu verstehen. Ich habe täglich vierzehn Stunden und mehr gearbeitet. Ich war als medial gefeierter Küchenchef regelmäßig auf Magazin-Covers. Aber eigentlich habe ich von der Hand in den Mund gelebt”, erzählt Dani Garcia.
Zu Hause ist es doch am schönsten! Wann immer möglich, ist Dani García in seiner Heimatstadt Marbella. Hier leben seine Familie und Freunde. Hier hat er mit dem Kochen angefangen. Hier hat er zunächst einen, dann zwei und schließlich drei Michelin-Sterne erkocht. Unmittelbar nachdem er 2019 den lang ersehnten dritten Stern bekommen hatte, verkündete er, dass er das Restaurant schließen und als Steak-Lokal wieder aufsperren werde. Wie kann er das nur machen?
Die Medien reagierten genauso empört wie vier Jahre zuvor, als er eine Zusammenarbeit mit McDonald’s ankündigte. Rasch folgten ein paar weitere Restaurants in Marbella, dann auch in Madrid und Barcelona. In den letzten Jahren kamen Restaurants in Doha und Dubai sowie in den USA dazu. Aktuell hält García bei 20 Restaurants in sechs Ländern. Der Firmensitz der Grupo Dani García ist weiterhin in Marbella.
Getroffen haben wir den energiegeladenen Andalusier allerdings in Madrid. Jener Stadt, in der er die meisten Restaurants betreibt. Darunter auch den Smoked Room, der seit der Eröffnung vor vier Jahren mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Für ein gemeinsames Essen im Smoked Room hatte er leider keine Zeit („Im eigenen Restaurant bei Tisch zu sitzen ist nicht meins“), für einen Marktbesuch und ein längeres Interview im benachbarten Restaurant Leña, wo wir am Abend davor Steak und Mini-Burger gegessen hatten, erfreulicherweise schon.
Lust & Leben: Der Burger spielt bei Ihnen offensichtlich eine große Rolle. Sie bieten ihn nicht nur in Ihren Restaurants an, sie machen seit neun Jahren auch Werbung für McDonald’s. Wie ist es dazu gekommen?
Dani García: Ich stamme aus einfachen Verhältnissen. Fast keiner meiner Freunde, die ich aus meiner Jugendzeit habe, verdient genug Geld, um in Sterne-Restaurants essen zu gehen. Als wir vor Jahren wieder einmal unterwegs waren und irgendwann in einem Burger-Lokal gelandet sind, habe ich mich geärgert, wie schlecht das war. Auch ein einfaches Gericht in einem einfachen Lokal sollte ein Mindestmaß an Qualität haben. Also habe ich zu Hause versucht, einen wirklich guten Burger zu machen. Aber ohne Tricksen. Also keine Gurken, kein Ketchup, nichts, was vom Thema ablenkt. Nur ein bisschen karamellisierten Zwiebel und eine Sauce, die den Eigengeschmack unterstreicht. Ich habe sie dann sogar als Mini-Burger im damals mit zwei Sternen ausgezeichneten Restaurant ins Menü eingebaut.
Das Echo war gewaltig. Ein paar Jahre später ist dann McDonald’s auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich nicht einen Burger mit meiner Sauce für McDonald’s machen könnte. Ich habe zugesagt. Die Partnerschaft funktioniert bis heute. Ich habe in den Jahren der intensiven Zusammenarbeit sehr viel von McDonald’s gelernt. Ich bin also nicht nur Werbe-Testimonial.
Und wie war die Reaktion der Kollegen?
Anfangs wurde ich stark kritisiert, mitunter auch unter der Gürtellinie. Aber das hat sich gelegt. Heute arbeiten auch andere Spitzenköche wie Ramón Freixa für McDonald’s. Dabid Muñoz hat sich im Vorjahr bei Burger King engagiert. Ich habe da einen ganz entspannten Zugang entwickelt. In meinem Restaurant habe ich damals maximal 50 Gäste am Tag erreicht, mit McDonald’s waren es 50.000. Leider habe ich relativ lange gebraucht, um die geschäftliche Seite der Gastronomie wirklich zu verstehen. Ich habe täglich vierzehn Stunden und mehr gearbeitet. Ich war als medial gefeierter Küchenchef regelmäßig auf Magazin-Covers. Aber eigentlich habe ich von der Hand in den Mund gelebt. Ich mache mir nichts aus Status-Symbolen, aber ich will mich um meine Familie kümmern können. Heute wohnt meine Mutter endlich in einem schönen, kleinen Haus, meine Tochter studiert in London. Das wäre sich mit dem Drei-Sterne-Restaurant alleine niemals ausgegangen.
Eine letzte Frage zum Burger. Was ist das Besondere an Ihrer Sauce und was trinkt man am besten dazu – Bier, Rotwein oder gar Coca-Cola?
Ich trinke – wie fast immer – Coke-Zero. Ich habe noch nie Alkohol gemocht. Bier ist okay, Rotwein geht natürlich auch, aber am besten schmeckt Amontillado Sherry. Das ist auch unsere Weinempfehlung im Leña. Die meisten Burger-Saucen überdecken den Eigengeschmack des Fleisches mit Senf, Ketchup, Schärfe oder Zitrusaromen. Wir haben immer gut gereiften Ochsenschlepp verwendet, was mir am besten schmeckt. Dann habe ich eine Sauce gesucht, die den Fleischgeschmack unterstreicht. Neben Schalotten, Eiern, Sonnenblumenöl und ein paar Gewürzen, die unser Geheimnis bleiben, kommt immer auch ein bisschen Rinderjus dazu. Am besten schmeckt sie natürlich frisch zubereitet in unseren Restaurants, aber auch bei McDonald’s oder im Carrefour, wo es meine Sauce jetzt auch zu kaufen gibt, schmeckt sie tadellos.
Sie waren mit 24 Jahren der jüngste Küchenchef Spaniens, der damals mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Der zweite Stern kam dann relativ schnell, doch auf den dritten Stern mussten Sie schließlich 15 Jahre warten. Als Sie ihn dann 2019 endlich bekamen, haben Sie Ihr Restaurant zur Überraschung aller geschlossen. Wie denken Sie über Restaurantbewertungen?
Wenn du als junger Koch deinen ersten Stern bekommst, ist das natürlich traumhaft für dein Ego. Plötzlich grüßen dich ältere Kollegen, die dich vorher nicht wahrgenommen haben. Jedenfalls hat mich das bestärkt, noch besser zu werden, noch mehr in tolle Produkte, in die Einrichtung, in Küchentechnik etc. zu investieren. Nach dem zweiten Stern haben mir alle gesagt, dass der dritte nur eine Frage der Zeit sei. Ich habe mich dann auch selber unter Druck gesetzt. So langsam habe ich aber gespürt, dass ich mich von dieser Form der Gastronomie zurückziehen will. Ich habe den Plan aber immer wieder verschoben, weil ich mir und anderen beweisen wollte, dass ich auch drei Sterne kochen kann.
Rückblickend war das fast ein bisschen kindisch, aber so war es. Seriöse Restaurantbewertungen sind gut für unsere Branche. Gleichzeitig ist eine gute Bewertung wenig wert, wenn sie nicht dabei hilft, auch kommerziell erfolgreich zu sein.
Sie waren – wie viele spanische Kollegen – für den innovativen Einsatz moderner Küchentechnik bekannt. Ist Ihnen das zu viel geworden? War die Eröffnung eines Steakhauses mit dem Kochen auf Feuer eine Rückkehr zu den Wurzeln?
Absolut! Wobei ich diese Zeit nicht missen will. Für den Aufschwung der spanischen Top-Gastronomie waren Leute wie Ferran Adrià mit seiner neuen Art, Gerichte zu denken, total wichtig. Aber ich wollte diesen Weg nicht mehr weitergehen – anders als meine geschätzten Kollegen im Disfrutar, die das ganz hervorragend machen. Gleichzeitig schmeißt man nicht alles über Bord, was man gelernt hat. Mein bekanntestes Gericht ist die Nitro-Tomate und die gibt es im Smoked Room immer noch.
Allzu technisch kocht Daní Garcia nicht mehr. Nur seine berühmte Nitro-Tomate gibt es im Smoked Room immer. Zumeist in Weiß, manchmal auch in Rot, ganz selten auch in Schwarz.
Danke fürs Stichwort. Im Smoked Room haben Sie auf Anhieb zwei Sterne bekommen. So ganz können Sie das Fine Dine also doch nicht lassen?
Also die zwei Sterne hat unser Küchenchef Massimiliano Della Vedova gekocht, nicht ich. Ich liebe Fine Dining, aber in der Art und Weise, wie wir es damals in Marbella gemacht haben, sehe ich keine große Zukunft. In Spanien ein Luxusrestaurant für 50 und mehr Gäste zu führen, das mittags und abends offen hat, rechnet sich einfach nicht. Die Gastronomie in Spanien ist dafür einfach viel zu billig. Wir können hier nicht wie in Nordeuropa 500 Euro und mehr für ein Menü verlangen.
Das Konzept im Smoked Room ist ganz anders. Es gibt ein Menü im Omakase-Stil. An der Bar vor der offenen Küche haben maximal acht Gäste Platz. Es gibt noch zwei kleine Tische in einem Nebenraum. Der Smoked Room ist so etwas wie ein Restaurant im Restaurant. Wir benützen die Hauptküche im Leña mit, wo alle Vorbereitungsarbeiten erledigt werden. Das Leña ist also das wichtigere Restaurant, auch wenn der Smoked Room medial mehr Aufmerksamkeit bekommt.
Es ist auch wesentlich schwieriger, dort einen Platz zu bekommen. Wie funktioniert das Reservierungssystem? Und wie gehen Sie mit Prominenten um, die dort einmal kurzfristig vorbeischauen wollen? Machen Sie als bekennender Fußballfan für Real-Madrid-Stars dann doch eine Ausnahme?
Wenn wir komplett ausreserviert sind, gibt es keine Ausnahmen. Ich kann ja keinen Gast mit Reservierung einfach wegschicken, nur weil ein Prominenter vorbeikommt. Den Hype mit monatelangen Reservierungen im Voraus machen wir nicht mit. Bei uns kann man einen Monat im Voraus reservieren. Basta. Es ist aber ein Irrglaube, dass sich Fußball-Stars oder andere Prominente um die Plätze im Smoked Room reißen. In der Regel haben sie weder Zeit noch Lust, vier Stunden beim Essen zu sitzen. Wir haben regelmäßig Real-Spieler im Haus, aber die kommen ins Leña, wo wir auch zwei Private-Dining-Rooms und einen separaten Eingang zur Verfügung haben. Ein Real-Spieler kann in Madrid nicht einfach in ein Restaurant essen gehen.
Den ersten Schritt nach Madrid haben Sie vor fünf Jahren mit der Brasserie Dani im Four Seasons Hotel gewagt. Heute sind es mit dem Bibo, Lobito del Mar, Tragabuche sowie Leña und Smoked Room sechs Restaurants. Wie viele Dani-García-Restaurants verträgt eine Stadt wie Madrid?
So ticke ich nicht. Madrid ist eine große Stadt. Theoretisch wäre hier also noch Platz für wesentlich mehr Restaurants. Zum einen müssen Location und Konzept zueinanderpassen. Dann muss es ein echtes Vertrauensverhältnis zwischen mir und dem Partner vor Ort geben. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir genug erfahrene Leute haben, um ein weiteres Restaurant eröffnen zu können. Ich kann und will ja nicht überall gleichzeitig sein. Sobald wir ein neues Restaurantprojekt angehen und das Finanzielle geregelt ist, kümmere ich mich fast ausschließlich um die Aufstellung des Teams. Sobald das steht, lasse ich los und vertraue unserem Team vor Ort.
Jedes Team entwickelt seine eigene Persönlichkeit und damit Wege, auftretende Probleme selbst zu lösen. Da würde ich nur stören. Deshalb werden wir die internationale Expansion auch nur in kleinen Schritten vorantreiben, obwohl wir laufend Anfragen bekommen. Ich habe nicht den Ehrgeiz, möglichst viele Restaurants zu betreiben. Schon jetzt verbringe ich viel zu viel Zeit auf Flughäfen. Am liebsten bin ich daheim in Marbella.
Persönlich tritt Daní Garcia eher bescheiden auf. Das Entrée zum Smoked Room ist dennoch spektakulär.
Von Anfang an ist der Italiener Massimiliano della Vedova für den Smoked Room in Madrid verantwortlich. Bereits nach vier Monaten gab es von Michelin zwei Sterne.
Burger-Mania: Die Partnerschaft funktioniert bis heute. Dani García hat in den Jahren der intensiven Zusammenarbeit sehr viel von McDonald’s gelernt. Er ist also nicht nur Werbe-Testimonial.
Alte Zeiten: Seine berühmte Nitro-Tomate gibt es im Smoked Room immer. Zumeist in Weiß.
Smoked Room: Es gibt ein Menü im Omakase-Stil. An der Bar vor der offenen Küche haben maximal acht Gäste Platz. Es gibt noch zwei kleine Tische in einem Nebenraum. Der Smoked Room ist so etwas wie ein Restaurant im Restaurant.
Leña und Smoked Room
Hotel Hyatt Regency Hesperia
Passeo de la Castellana 57
28046 Madrid



