KOMMENTAR

LEIWAND WIRD ES NUN WIEDER – ODER?

Text: Jörg Wagner // Foto: Harry Winkelhofer; pexels.com

Auf den ersten Blick wirkt die Lage entspannter. Mit der sogenannten Omnibus-Verordnung hat die EU die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spürbar abgeschwächt.

Fristen wurden gestreckt, Formvorschriften gelockert – und so mancher Gastronom oder Hotelier atmet erleichtert auf: weniger Papierkram, weniger Druck. Doch diese Erleichterung ist trügerisch.

Warum Finanzpartner trotzdem mehr verlangen

Denn auch wenn der Gesetzgeber die Zügel lockert, Banken und Versicherer orientieren sich längst an eigenen Standards. Wer heute eine Finanzierung beantragt oder seinen Betrieb absichern möchte, muss mehr vorlegen als die klassische Gewinn- und Verlust-Rechnung. Gefordert sind belastbare Informationen, die die Resilienz eines Unternehmens sichtbar machen: Energieverbrauch, CO₂-Bilanz, Lieferketten-Transparenz, Arbeitsbedingungen oder Governance-Strukturen.

Der Hintergrund ist klar: Unsere Welt ist unsicherer geworden. Extreme Wetterereignisse, volatile Energiepreise, Lieferengpässe oder geopolitische Krisen können Geschäftsmodelle im Handumdrehen gefährden. Kreditgeber und Versicherer wollen daher nachvollziehen, ob ein Betrieb auch unter Stress standhält. Fehlende Daten führen schnell zu höheren Zinsen, schlechteren Konditionen oder gar einer Absage bei Finanzierungsanträgen.

Wie sich HoReCa-Betriebe vorbereiten können

Für Gastronomie- und Hotellerie-Unternehmen gilt: rechtzeitig Strukturen schaffen. Schon einfache Schritte schaffen einen messbaren Vorteil – etwa den Energieverbrauch kontinuierlich erfassen, Lieferantenlisten systematisch dokumentieren oder die Personalsituation transparent aufbereiten. Entscheidend ist, dass jemand im Betrieb Verantwortung übernimmt und die Daten konsistent sammelt. Digitale Tools und branchenspezifische Lösungen helfen, den Aufwand überschaubar zu halten.

Besonders praxistauglich ist der VSME-Standard (Voluntary Small & Medium Enterprises Reporting Standard). Er bietet ein klar strukturiertes Raster, um die wichtigsten Nachhaltigkeits- und Risikodaten aufzubereiten. Banken und Versicherungen erkennen dieses Format, was Betrieben Zeit spart und die Vergleichbarkeit erhält.

Von der Pflicht zur Chance

Es geht nicht darum, kleine Hotels, Restaurants oder Cafés mit Bürokratie zu überlasten. Im Gegenteil: Wer seine Kennzahlen kennt und transparent macht, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil. Transparenz stärkt das Vertrauen von Finanzpartnern, Geschäftspartnern und Gästen. In einer Welt, die immer komplexer und unberechenbarer wird, können auch kleinere Betriebe beweisen: Wir haben unsere Risiken im Griff – und sind bereit für die Zukunft.

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Jörg Wagner
Der Autor berät mit seiner Agentur JWC Unternehmen darin, wie Sie Finanzierungskonzepte, Geschäftsmodelle und ESG-Strategien so gestalten können, dass Sie resilient bleiben und leichter Zugang zu Kapital und Versicherungen erhalten.

www.wagner-consulting.eu