AUFBRUCH AM KAUKASUS
Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Martin Palm

Artak Harutyunyan ist ein junger, erfolgreicher Gastronom, der unter anderem das ausgezeichnete Black Angus in Zentrum von Eriwan betreibt.
McDonalds hat hier nie Fuß gefasst. Auch die beiden Burger King-Filialen gehen mehr schlecht als recht. Obwohl Eriwan eine aufstrebende Millionenstadt ist, gibt es kaum Niederlassungen internationaler Ketten. Dabei essen junge Armenier genauso gerne Burger, wie ihre Altersgenossen auf der ganzen Welt. Aber beim Essen kennen sie halt keinen Spaß. Das muss einfach gut schmecken!
Das weiß auch Artak Harutyunyan, der vor zehn Jahren das Black Angus gegründet hat. Hier gibt es die beste Pizza der Stadt, auch die Steaks sind ordentlich, aber an jedem zweiten Tisch wird Burger gegessen. „Wir sind zwar kein reiches Land, aber gut zu essen, ist allen wichtig. Nicht nur am Wochenende sind die Lokale voll. Ältere Leute schätzen die traditionelle Küche, die Jungen sind neugieriger und experimentierfreudiger. Aber egal ob traditionell oder modern – es schmeckt deshalb so gut, weil wir fast nur frische, lokale Produkte verwenden. Bei uns gibt es nichts anderes“, erklärt Artak bei unserem Besuch. Was es von ähnlich positionierten Lokalen in Europa unterscheidet, ist der aufmerksame Service. Wegen des relativ niedrigen Einkommensniveaus haben Gastronomen wie Artak kein Problem, ausreichend Mitarbeiter zu finden.
Sein erstes Geld hat der junge Gastronom ab 2008 mit einer mobilen Juice-Bar verdient, die es bis heute gibt. 2013 folgte mit dem Black Angus das erste richtige Lokal, das er seither mehrmals ausgebaut und modernisiert hat. Vor ein paar Jahren hat er dann mit zwei Partnern die Collective Gruppe gegründet, um weitere Lokale aufzusperren. Das Limone ist eine klassische Cafeteria, das Gallia ein witziges Fine-Dining Restaurant und die Afro-Lab Roastery ein richtig cooler Third-Wave Coffee Place in der Puschkin Straße. Gleich daneben liegt mit dem Minas die beste und stimmungsvollste Cocktail-Bar der Stadt.
Frischer Wind durch Exil-Armenier
„Nachdem Jahrzehnte lang die ambitioniertesten Landsleute ausgewandert sind, weil es hier so wenige Perspektiven gab, kehren mittlerweile wieder viele Armenier zurück. Oft ist es die zweite Generation, die in Europa oder den USA aufgewachsen ist und einmal die alte Heimat der Eltern besuchen will. Manche kommen dann auch dauerhaft zurück, weil sie hier wesentlich mehr Entwicklungsmöglichkeiten sehen. Diese Leute bringen viel Know-How und manchmal auch ein bisschen Kapital mit und haben einen richtigen Drive in die Stadt gebracht“, beschreibt Artak einen Mitgrund, wieso Eriwan derzeit so boomt.
Es gibt auch viele junge Expats, die sich in Eriwan zumindest vorübergehend niedergelassen haben. Digitale Nomaden, die von überall auf der Welt arbeiten können, schätzen die niedrigen Lebenshaltungskosten, die Gastfreundlichkeit der Armenier, die allgemeine Sicherheit und das Gefühl, in einer Stadt zu leben, die sich im Aufbruch befindet. Ein genialer Ort, an dem sich dieser internationale Spirit manifestiert, ist der Latitude Art Space, der in einem ehemaligen Fabrikgebäude in der Peripherie liegt. Die liegen im Erdgeschoss, in den darüber liegenden Stockwerken gibt es Büroräume, Studios und Quartiere für Artists in Residence. Im letzten Stock findet man dann die Eriwan Beach Bar, ein extrem lässiger Club, zum Essen, Trinken und – nach Sonnenuntergang – auch zum Tanzen. So hat sich Berlin unmittelbar nach der Wende angefühlt.
Partyzone Moskauer Straße
Nicht alle Lokale sind derart schick gestaltet wie jene der Collective-Gruppe. Die Moskauer Straße ist die bevorzugte Partymeile für ein junges Publikum. Hier gibt es unzählige Cafés, Bars, verschiedene Ethno-Restaurants und seit ein paar Jahren auch Weinbars. Pionierarbeit hat dabei das In Vino geleistet, das bereits 2014 aufgesperrt hat. „Damals gab es gerade einmal zehn armenische Produzenten, deren Weine wir unseren Gästen guten Gewissens empfehlen konnten. Heute gibt ein schon zwei, drei Dutzend toller Produzenten. Trotzdem steht unsere Weinwirtschaft erst am Anfang. Das Experimentieren mit alten autochthonen wie auch mit internationalen Rebsorten geht munter weiter. Neben traditionellen Rot- und Weißweinen spielen Naturweine mit langen Maischestandzeiten eine immer größere Rolle.
Junge Armenier haben die Liebe zum Wein entdeckt und sind bereit, neuen und noch unbekannten Winzern eine Chance zu geben“, erklärt uns Mariam Sagathelyan, die renommierteste Sommelière des Landes bei einem geführten Tasting im In Vino.Â
Ein persönlicher Geheimtipp ist das Mini-Lokal Gin le Pig. Pizza ist zwar kein typisch armenisches Gericht, aber hier schmeckt sie hervorragend. Die Stimmung ist hier immer großartig und die Auswahl an einheimischen Naturweinen ausgezeichnet.
Lavash, Dolma und mehr
Ein kulinarisches Highlight, das man sich als ausländischer Gast keinesfalls entgehen lassen sollte, ist das MOV. Hier bereitet ein international geschulter junger Koch traditionelle armenische Gerichte in einem modernen Ambiente zu. „Junge Leute schätzen ein lässiges Ambiente und wollen nicht unbedingt in die Lokale gehen, wo ihre Eltern und Großeltern verkehren. Auch bei der Zubereitung und der Präsentation am Teller wollen wir zeitgemäß agieren. Aber der Geschmack aller unserer Gerichte orientiert sich immer am Original“, berichtet uns MOV-Küchenchef David Poghosyan. Zu trinken gibt es neben armenischen Weinen hervorragende Craftbiere, die gleich nebenan gebraut werden.
Ganz anders aber genauso reizvoll ist es im traditionellen Dolmama Restaurant, das keine fünf Minuten entfernt liegt. Jirair Avanian hat das Restaurant 1998 gegründet und den kulinarischen Fokus auf die ostarmenische Küche – also jenseits von anatolischen Einflüssen – gelegt. Das hauchdünne Lavash Brot schmeckt besser als anderswo, der Eintopf Khashlama ist verführerisch, Khorovats BBQ mit Maulbeersauce einzigartig. Im Mittelpunkt des Interesses stehen – wie der Name schon vermuten lässt – Dolmas. Das sind gefüllte Weinblätter, wobe sich die Füllung, anders als in der Türkei, nicht auf Reis beschränkt, sondern auch verschiedene Hackfleisch-Füllungen enthalten kann.

Jede Sowjetrepublik hatte ihr eigenes Emblem, so auch die Armenische.

Black Angus: Hier gibt es die beste Pizza der Stadt, auch die Steaks sind ordentlich, aber an jedem zweiten Tisch wird Burger gegessen.
Hauchdünnes Lavash Brot für die Restaurants der Stadt.
Bio ohne Gütesiegel: Das eingelegte Gemüse am GUM Markt in Eriwan stammt von kleinen Bauernhöfen aus dem Umland.
MOV: Ein kulinarisches Highlight, das man sich als ausländischer Gast keinesfalls entgehen lassen sollte, ist das Restaurant MOV, wo Küchenchef David Poghosyan den Löffel schwingt.
Minas Bar-Team: Nicht alle Lokale sind derart schick gestaltet wie jene der Collective-Gruppe. Die Moskauer Straße ist die bevorzugte Partymeile für ein junges Publikum.
Noch mehr Informationen: stehen in der kompletten Ausgabe im Heft zum Lesen wie auch zum Download bereit.
wer&was
www.collective.am
www.invino.am
www.movrestaurant.com
www.dolmama.am