DER HERR DER KLINGE

Richard Kapeller, der „Messermacher“, ist Schmied mit Herz und Seele. Seine Messer sind handwerkliche Unikate. Seit drei Jahren fertigt er sehr persönliche und individuelle Messer für die Gault&Millau-Köche des Jahres. Wir haben ihn in seiner Werkstatt in Salzburg besucht.

Text & Fotos: Jürgen Schmücking

Alte Eiche, junger Koch. Lukas Nagl und sein “Koch des Jahre”-Messer

Wir treffen Richard Kapeller in seiner Werkstatt in einem Gewerbegebiet in Salzburg. Es ist sein erster Arbeitstag nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Rom. Urlaub? Keineswegs. Kapeller hat sich in Rom nicht die Sixtinische Kapelle oder das Kolosseum angeschaut. Vielleicht hat es das sogar, aber dafür war er nicht in Rom. Der Schmied hat einen Kurs in Fassen gemacht. Exakter formuliert hat der Messerschmied einen Kurs für Edelsteinfassen gemacht. Ein Thema, das für Kapeller zwar spannend, aber nicht ganz neu ist. Bereits einmal hat der Salzburger die Schul- beziehungsweise die Werkbank gedrückt. Das war in Antwerpen. Seither hat er auch Messer mit Diamanten, Saphiren und Goldeinlagen im Sortiment. In seinem Kurs in Rom war er übrigens der einzige Messerschmied. Alle anderen Teilnehmer waren Goldschmiede. Die Messer von Richard Kapeller – er macht vor allem Jagd- und Küchenmesser – sind Unikate. Einzigartige Kondensate solider Handwerkskunst. Und genau diese Einzigartigkeit hat auch dazu geführt, dass Gault & Millau sich bei dem Salzburger Messermacher gemeldet hat. Mit der Idee, ein persönliches, sehr individuelles Kochmesser für den “Koch des Jahres” anzufertigen. Ein maßgeschneidertes oder besser maßgeschmiedetes Messer anstelle einer Medaille oder eines Pokals. Ein Geschenk, das den Preisträger im günstigen Fall täglich an seinen Erfolg erinnert und dabei auch enorm Spaß macht. 

Handarbeit bis zum letzten Hammerschlag: der Schmied und sein Material.

Die ersten drei

Jetzt könnte man einen solchen Auftrag natürlich angehen, indem man ein hochwertiges und außergewöhnliches Messer plant und gestaltet, das dann zum “Koch des Jahres”-Messer wird, und jede Preisträgerin oder Preisträger bekommt ein graviertes Exemplar. Langweilig. Viel spannender ist, sich die Köche genauer anzuschauen. Welche Gerichte kochen sie? Wo kommen sie her? Was ist ihre persönliche Geschichte? Welcher Typ sind sie. Und dann ein Messer entwickeln, das genau seiner Persönlichkeit entspricht. Fast ein wenig wie die Ringe der Macht aus dem ‘Herr der Ringe’-Universum. Nur ohne Zauberei und Elbenfolklore.

Den Auftakt machte Max Natmessnig, der ‘Koch des Jahres 2022’. Damals war Natmessnig Küchenchef am Chef’s Table in der Roten Wand in Zug am Arlberg. Von dort wechselte er – mit einem kurzen Zwischenstopp im Münchner Dallmayr-Restaurant Alois – als Nachfolger von César Ramirez an den Chef’s Table at Brooklyn Fare in New York. Sein Messer hat er dabei stets im Gepäck. Ein Schmuckstück aus rostfreiem Damaststahl. Die Klingenform orientiert sich eher an westlicher Messerkultur, als an asiatischer. Aufgrund der Lehrmeister von Max Natmessnig Heinz Reitbauer, Sergio Hermann oder César Ramirez) hat Kapeller auch eine westlich geprägte Küche vermutet – und der Klinge eine entsprechende Form verpasst. Auch beim Griffmaterial ging der Schmied auf die Geschichte des Kochs ein. Natmessnig ist zwar in Wien geboren, ging aber in Niederösterreich zu Schule. Also Marillenholz. 

Das zweite Messer ging an Lukas Nagl vom Bootshaus in Traunkirchen. Den Koch des Jahres 2023. Der Griff an seinem Messer ist aus Mooreiche. Einer Eiche, die mehrere tausend Jahre in einem Moor gelegen hat. Durch diese lange Zeit im Moor wurde das Holz dunkelbraun, fast schwarz. Der Charakter des Messers ist eine Spur asiatischer als jener der anderen beiden. Lukas Nagls Faible für Japan dürfte hinlänglich bekannt sein. In den letzten beiden Jahren hat er insgesamt mehrere Wochen in Japan verbracht, um die Meister der Fermentation zu besuchen. Auch der Fisch- und Gemüse-Schwerpunkt seiner Küche spricht dafür. Außerdem sind die Klingen von Max Natmessnig und Alain Weissgerber aus  rostfreiem Stahl. Nagls Messer hat das nicht. Es will regelmäßig poliert, getrocknet und geölt werden. Ein kontemplatives Ritual, das sich Kapeller bei Lukas Nagl gut vorstellen konnte. Nagl hat sein Messer übrigens täglich im Einsatz und spricht in höchsten Tönen davon. 

Dass auch Alain Weissgerber, der dritte im (aktuellen) Bunde, sein Messer regelmäßig verwenden wird, davon ist Richard Kapeller überzeugt. Während der Fete am Taubenkobel, bei der Weissgerber seinen Erfolg feierte, entdeckte Kapeller ein anderes, älteres Messer aus seiner Werkstatt. Es lag dort, wo Weissgerber die Enten tranchierte. Man sah dem Messer deutlich an, dass es kein Sammler- oder Ausstellungsstück war. Die Patina an der Klinge und der abgegriffene Griff sprachen eine andere Sprache. Ein Arbeitstier. Kapeller strahlte. 

Der Griff von Weissgerbers Messer wurde aus einem Giraffenknochen gemacht. Bodenständigkeit war das Thema, das Kapeller mit diesem Messer umzusetzen versuchte. Und der Bezug von Küche und Knochen. Giraffenknochen sind die größten und stabilsten Knochen, die handwerklich verarbeitet werden können. Der Messergriff ist klarerweise weiss. Ob hier ein Hinweis aus den Namen des Kochs versteckt ist? Wir wissen es nicht.

Beim Stahl hat sich Kapeller für rostfreien pulvermetallurgischen Damaststahl entschieden. Zwei Stähle, die zusammen verschmiedet werden und neben den Eigenschaften, die hervorragende Kochmesser ausmachen (Flexibilität und Härte) auch über eine feine Maserung verfügen. In einem Punkt unterscheidet sich das Messer von Weissgerber von den anderen beiden. Die individuelle Gravur mit dem Namen und dem Hinweis auf den Titel “Koch des Jahres” ist bei diesem Messer seitlich im Griff zu finden. Eine ovale Platte aus 925er-Silber mit handgestochener Gravur. Bei Natmessnig und Nagl sind es Abschlussplatten am unteren Griffende, auf denen der Schriftzug zu finden ist. 

Die Handgriffe, die notwendig sind, bis ein Messer fertig ist. Ungezählt.

Zum Schmied

Richard Kapeller ist Messermacher. Seit einer gefühlten Ewigkeit. Seine ersten Messer fertigte – mit spärlicher Ausstattung – als Schüler an. Auftragswerke für seine Klassenkameraden. Oder einfach so. Um zu üben. Mittlerweile ist die Ausstattung stattlicher geworden. Es gibt eine Werkstatt in Salzburg und zwei Shops in Salzburg und Wien. Jeder, der sich  die Werkstatt als dunklen Raum mit Amboss, offenem Feuer und funkenspritzenden Hammerschlägen vorstellt, liegt damit völlig daneben. Kapellers Werkstatt ist ein lichtdurchfluteter, ruhiger und vor alle blitzsauberer Ort. Es gibt einen Bereich, in dem Messer geschliffen und poliert werden, die Öfen, um den Stahl zu erhitzen sind quadratische Kästen, kleiner, als man sie sich vorstellt. In großen Kisten sind diverse Geweihe und Hörner gestapelt. Hirsch, Büffel, Mufflon. Aber nicht als Trophäen. Vielmehr ist das das Lager der Griffmaterialien. 

In Kapellers Werkstatt entstehen großartige Messer. Am Anfang waren das vorwiegend Jagdmesser und Knicker. Weniger Kochmesser. Das hat sich verändert. Jetzt überwiegen die Kochmesser, wobei das Verhältnis immer noch recht ausgewogen ist. Der Großteil der Kundschaft sind private Genießer mit einer Leidenschaft fürs Kochen und für hochwertiges Handwerk. Das Projekt “Koch des Jahres” soll die Messer von Richard Kapeller auch bei auch professionellen Köchen bekannt machen. Und Begehrlichkeiten wecken. 

«Ein Projekt mit allen Freiheiten. So macht das Spaß.»

«Meine ersten Messer habe ich an meine Klassenkameraden verkauft.»

Kein lautes Hämmern, kein Funkenflug. Vielmehr prägen Licht, Ruhe und Präzision den Raum.

wer & wo

Der Messermacher Salzburg

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