Grüne initiative

BANANEN AUF DER ALM

Auf den ersten Blick hat sich das Wirtshaus Steirereck am Pogusch kaum verändert. Dass hier in den vergangenen zwei Jahren eine extrem aufwendige „grüne Revolution“ stattgefunden hat, die das Wirtshaus zu einem ökologischen Pionier-Unternehmen gemacht hat, sieht man nicht.

Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Rainer Fehringer

Foto: Rainer Fehringer

Eigentlich sollte alles so bleiben, wie es war. So dachten wohl die meisten Stammgäste, die seit über 20 Jahren ins Wirtshaus Steirereck auf den Pogusch kommen. Schließlich stellte das Wirtshaus der Familie Reitbauer für viele den Inbegriff einer ländlichen Idylle dar: ein verträumter Gasthof aus längst vergangenen Zeiten, in dem man traditionelle Gerichte aus regionalen Zutaten in gepflegt-rustikaler Atmosphäre genießen kann. Rundherum nichts als grüne Wälder und Wiesen, auf denen die Schafe der dazugehörigen Landwirtschaft grasen. Und mit ein bisschen Glück hat man sogar eine der paar Hütten hinter dem Haus ergattern können, sodass man nach einem ausgiebigen Mahl entspannt verweilen konnte. Wieso sollte man bei so einem stimmigen Konzept irgendetwas ändern? Aus Sicht der Betreiberfamilie stellte sich die Situation nicht ganz so rosig dar. Zu wenige Mitarbeiter-Zimmer und das Fehlen einer eigenen Wäscherei waren nur zwei Dinge, die Schwierigkeiten bereiteten. So romantisch sich die alten Gemäuer für die Gäste darstellten, so problematisch war das Arbeiten auf engstem Raum hinter den Kulissen.

“Dass Birgit und ich seit vielen Jahren praktisch jedes Wochenende hier verbringen, haben wir uns selbst zuzuschreiben.”​

– HEINZ REITBAUER –

Vor acht Jahren haben Heinz und Birgit Reitbauer damit begonnen, den Betrieb am Pogusch neu zu denken. Dabei folgten sie zwei Leitmotiven: Erstens sollte die Verbindung von Landwirtschaft und Küche noch enger zusammenrücken, wovon in weiterer Folge auch das Fünf-Hauben-Restaurant am Wiener Stadtpark profitieren würde. Zweitens wollten sie einen Vorzeigebetrieb, was Energieeffizienz und ressourcenschonendes Wirtschaften betrifft, schaffen. Nach gut siebenjähriger Planung wurde im März 2019 mit dem Umbau begonnen, seit Mai 2021 ist man (fast) fertig. 

Nachdem jetzt nicht nur sprichwörtlich etwas Gras über die Sache gewachsen ist, zeigt sich der Pogusch neu nun auch optisch so, wie sich das Birgit und Heinz Reitbauer vorgestellt haben. In gewisser Weise war der massive Umbau auch die Fortschreibung der Vision der Eltern. Heinz Reitbauer senior und seine Frau Margarete, die beide aus der unmittelbaren Umgebung stammen, haben den kleinen Bauernhof samt Imbiss-Station am Sattel des Pogusch nicht deshalb erworben, weil sie einen idyllischen Alterssitz gesucht haben. Sie wollten etwas für die Entwicklung ihrer ursprünglichen Heimat tun. Das Wirtshaus am Pogusch war also von Anfang an mehr als nur ein gemütliches Landgasthaus, wo man am Wochenende tollen Wein zu rustikaler Küche bekommen hat. Die Fortführung der Landwirtschaft war von Beginn an ein zentraler Bestandteil ihrer Überlegungen. Seit dem Rückzug der Eltern – Heinz Reitbauer senior feierte vor wenigen Wochen seinen 81. Geburtstag – liegt es nun an Heinz und Birgit, das elterliche Vermächtnis in die Zukunft zu führen.

Unter der Woche trifft man Sie im Gourmet-Restaurant im Stadtpark, am Wochenende sind Sie stets im Wirtshaus am Pogusch. Eine Vier- Tage-Woche, wie sie derzeit von vielen gefordert wird, kommt für Sie wohl nicht infrage?

Für viele Mitarbeiter bietet eine Vier-Tage-Woche tatsächlich viele Vorteile und für die meisten unserer Mitarbeiter am Pogusch ist sie auch Realität. Das Wirtshaus selbst ist ja nur von Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Allerdings sind wir in den letzten Jahren auch zu einem kleinen Hotel mit aktuell 50 Betten geworden. Ein bisschen etwas ist hier also immer los. Auch die Landwirtschaft kennt keinen Ruhetag. Die Arbeitszeit ist aber nur ein Aspekt, der für die Mitarbeiter wichtig ist. Eine ordentliche Bezahlung, ein gutes Betriebsklima und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten für die Jungen gehören auch dazu. Dass Birgit und ich seit vielen Jahren praktisch jedes Wochenende hier oben verbringen, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Schließlich haben wir aus freien Stücken beschlossen, den Betrieb am Pogusch neu zu erfinden. Bis wirklich alles auf Schiene ist, wird es allerdings noch ein bisschen dauern.

Aus Gästesicht sieht jedenfalls alles perfekt aus. Was ist denn noch nicht auf Schiene?

In einem Nebengebäude kommen noch weitere Mitarbeiterzimmer dazu und auch am Bauernhof muss noch ein bisschen etwas gemacht werden. Etwas Entscheidendes, was noch fehlt, ist ein kleines Blockheizkraftwerk, mit dem wir dann auch unseren eigenen Strom generieren können. Die Planung ist schon abgeschlossen, es muss also „nur“ noch gebaut werden. Die Photovoltaik-Anlage ist bereits in Betrieb. Wirklich gespannt bin ich darauf, wie sich die vielen Pflanzen entwickeln werden, die wir in den letzten beiden Jahren ausgepflanzt haben. Rund um den Betrieb haben wir über 400 essbare Pflanzen gesetzt. Dann haben wir gemeinsam mit Alois Wilfling eine Streuobst-Plantage mit 100 alten Obstsorten ausgepflanzt. Rund 250 unterschiedliche Pflanzen stehen in unseren beiden Glashäusern, darunter auch Exoten wie Orangen- und Zitronenbäume, Papaya. Sogar eine Bananenstaude ist dabei.

Foto: Rainer Fehringer

Fast vergessene heimische Obstsorten in der Natur anzupflanzen erscheint extrem sinnvoll, aber was hat eine Bananenstaude auf der Alm zu suchen?

Die erfreut sich bester Gesundheit, hat bis jetzt aber noch keine Bananen getragen. Anders ist es bei unseren Zitrusfrüchten. Wir arbeiten ja schon seit mehr als 15 Jahren mit Heimo Karner von der Orangerie in Schönbrunn zusammen, der uns bei der Aufzucht beziehungsweise der Übersiedlung geholfen hat. Unsere Bitterorangenmarmelade ist wirklich großartig, und auch die Kalamansi von den Philippinen sind traumhafte Früchte, die wir für unsere Desserts verwenden, so wie auch verschiedene aromatische Zitronensorten. Außerdem kann unser Küchenteam täglich frische Kräuter zupfen, was wirklich einen qualitativen Unterschied ausmacht. Da stehen wir jedoch erst ganz am Anfang, vor allem was die im Freien gepflanzten Stauden und Bäume betrifft.

Sie haben eingangs betont, wie wichtig Ihnen die ökologische Bilanz Ihres Betriebs ist. Ist es da nicht widersinnig, Glashäuser zu beheizen, damit man Bananen auf über 1.000 Meter Seehöhe züchten kann?

Wenn es so wäre, würde das tatsächlich wenig Sinn machen. Tatsächlich beheizen wir unsere Glashäuser aber nicht separat, sondern nutzen ausschließlich Abwärme von der Küche, die ansonsten verloren gehen würde. Wir haben teilweise sogar zu viel Wärme zu Verfügung – sprich auch im Winter müssen wir die Glashäuser immer wieder lüften, damit sie nicht zu warm werden. Wir können im Winter sogar die Gehwege zwischen den Häusern beheizen, damit sie schneefrei bleiben. Das klingt nach Luxus, bedeutet tatsächlich aber mehr Sicherheit und spart viel Arbeit. Bananen und Papayas sind sicherlich eine Spielerei, aber bei allen anderen Pflanzen handelt es sich um Lebensmittel, mit denen wir hier am Pogusch und zukünftig auch verstärkt im Wiener Restaurant kochen wollen. Ein gut geplantes Glashaus, das auf mehreren Ebenen unterschiedliche Temperaturzonen bietet, ist ein wahres Wunderwerk. Im größeren der beiden Glashäuser haben wir übrigens auch zehn Kabanen mit jeweils einem Doppelbett untergebracht, wo Gäste übernachten können. Wenn sie bei der Arbeit mithelfen, erlassen wir ihnen die Hälfte des Zimmerpreises.

Wie darf man sich das vorstellen? Nicht jeder kann kochen oder gärtnern. Was würde ich tun, wenn ich den 50-Prozent-Bonus in Anspruch nehmen will?

Arbeit gibt es hier genug, auch für jemanden mit zwei linken Händen. Wir werden sehen, wie dieses Angebot angenommen wird und es wird ja auch niemand dazu genötigt. Wer lieber liest oder im Wald spazieren geht, kann das natürlich auch gerne machen. Es gibt aber auch viele Besucher, die einen tieferen Einblick in unseren Betrieb bekommen wollen. Anstatt laufend Führungen zu machen, erleben sie den Pogusch hinter den Kulissen, in dem sie selbst anpacken.

Aus dem Wirtshaus ist mittlerweile ein kleines Hotel geworden. Müssen die Nächtigungsgäste so wie Sie auch am Sonntag am Abend abreisen?

Nein, die Unterkünfte können durchgehend gebucht werden. Frühstück gibt es täglich und für die Hotelgäste sperren wir das Wirtshaus exklusiv bereits am Mittwochabend auf. Am Montag und Dienstag laden wir sie ein, in einem der umliegenden Gasthäuser zu essen – das ist im Zimmerpreis inkludiert, ganz egal, was sie dort bestellen. Nur die Getränke müssen sie, so wie auch hier im Haus, separat bezahlen. Im Zuge des Umbaus ist auch unsere neue „Schankküche“ entstanden, wo wir eine andere Küchenlinie fahren.

Zum einen wollen wir unseren jungen Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, nicht nur Schweinsbraten und Co zu machen, sondern auch moderne und kreative Gerichte zu kochen. Zum anderen wollen wir Hausgästen, die länger bei uns sind, eine Alternative zur Wirtshausküche bieten. Dort kann man allerdings nicht im Voraus reservieren, sodass wir eine Möglichkeit haben, Gäste, die ohne Reservierung kommen, bewirten zu können.

Im Zuge des Umbaus wurde die gesamte Küche neu gestaltet. Hier wird statt mit Induktion jedoch mit Holz beheizt. Ist das tatsächlich ökologisch sinnvoll? Der Wirkungsgrad ist bei Holz doch deutlich niedriger als bei Induktion, oder?

Zum einen ist Holz ein nachwachsender Brennstoff. Wir befinden uns in der holzreichsten Region Österreichs. Zum anderen wird die Abwärme zu hundert

Prozent genutzt. Es ist unglaublich, wie effizient das heute geht, wenn man das schon bei der Planung berücksichtigt. Obwohl wir hier dreimal so groß sind wie im Stadtpark, kommen wir mit der Hälfte der Energie aus, und schon im Stadtpark haben wir vor zwölf Jahren viel in Energierückgewinnung und Wärmedämmung investiert. Als Koch freue mich natürlich über die hohen Bewertungen, die wir seit Jahren für unsere kulinarische Performance bekommen. Doch dass wir für unser Energiekonzept am Pogusch vor Kurzem im Rahmen der Initiative „Stadt der Zukunft“ ausgezeichnet wurden, hat mich wirklich stolz gemacht. Dass diese Initiative auch staatlich gefördert wird, hat die Umsetzung des Projekts in dieser Dimension überhaupt erst möglich gemacht.

Als Sie vor acht Jahren damit begonnen haben, den Pogusch neu zu denken, war der Strompreis für die wenigsten Menschen ein Thema. Haben Sie eine Glaskugel gehabt oder war es einfach nur Glück, dass Sie auf das richtige Thema gesetzt haben?

Weder noch. Eine nachhaltige Bewirtschaftung bedeutet immer einen verantwortungsvollen Umgang mit knappen Ressourcen. Aktuell reden alle von den Energiekosten, aber auch Wasser ist ein knappes Gut, obwohl wir hier oben neun eigene Quellen haben. Aber bei voller Auslastung stoßen wir im Sommer auch an unsere Grenzen, weshalb wir uns dazu entschlossen haben, einen eigenen Nutzwasserkreislauf einzubauen. Die Verkleidung der Garage haben wir mit alten Gastro-Schalen gestaltet, die geknitterten Leinentischtücher haben wir zuvor in gebügelter Form im Wiener Restaurant verwendet, die Vertäfelung der Stube hat jetzt in den Mitarbeiterwohnungen ein zweites Leben bekommen. Wir überlegen es uns immer sehr gut, bevor wir etwas einfach wegschmeißen.

Der Brotwagen im Wiener Restaurant ist legendär, aber der würde in einem Landgasthaus wohl deplaziert wirken, oder?

Eigentlich ist das Brot in einem Wirtshaus sogar noch wichtiger als in einem Gourmetrestaurant. Die ersten zwanzig Jahre haben wir von zwei Bäuerinnen aus der Nachbarschaft ein großartiges Landbrot bekommen. Nachdem die beiden in Pension gegangen sind und die Kinder den Hof nicht weitergeführt haben, haben wir selbst angefangen zu backen. Seither bäckt Birgit einmal in der Woche ein Roggen-Sauerteigbrot. Brot, Butter, Speck – das sind die Basics, die gleich zu Beginn des Essens zeigen, wie gut ein Gasthaus wirklich ist.

Glauben Sie, dass es mit einen Projekt wie dem Wirtshaus am Pogusch gelingen kann, die Region wirtschaftlich zu beleben und auch für junge Menschen attraktiv zu machen?

Absolut. Im Rahmen unserer Möglichkeiten ist uns das auch schon gelungen. Schließlich beschäftigen wir hier rund 50 Mitarbeiter, von denen zwei Drittel aus der Region kommen. Für das restliche Drittel haben wir attraktive Mitarbeiterwohnungen geschaffen. In der Vergangenheit sind immer wieder talentierte junge Mitarbeiter vom Pogusch ins Restaurant nach Wien gewechselt. Jetzt ist es erstmals umgekehrt, dass sich auch Mitarbeiter aus Wien für einen Job am Pogusch interessieren. Wenn wir als Gesellschaft etwas gegen die Landflucht unternehmen wollen, müssen wir uns Modelle einfallen lassen, die das Leben am Land attraktiver machen. Dazu gehört mehr als nur eine schöne Landschaft.

“Rund um den Betrieb haben wir über 400 essbare Pflanzen gesetzt.”​

– HEINZ REITBAUER –

Statt Kühlladen, die hygienisch immer problematisch sind, wird hier jetzt mit Eis gekühlt.

Nur vereinzelt sieht man noch, was hier alles bewegt wurde. In ein paar Jahren wird überall Gras über die Sache gewachsen sein.

Die neuen Glashäuser liegen Heinz Reitbauer besonders am Herzen. Was hier alles möglich ist, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.

Spartanisch auf höchstem Niveau nächtigt man in den Kabanen.

Neu sind die stylischen Baumhäuser.

Luxuriös steigt man in den „Vogelhäusern“ ab.

Die ungebügelten Leinentischtücher waren zuvor im Wiener Restaurant in Verwendung.

Gebrauchte Gastroschalen als Wandverkleidung.

Tageslicht in der Vorbereitungsküche.

Holz, Stein und Metall mit perfekten Übergängen an der neuen Bar.

Die überschüssige Hitze im Holzofen wird als Abwärme genutzt.

Heinz Reitbauer und Küchenplaner Werner Redolfi (2. v. l.) haben eine hochmoderne Küche, die mit Holz befeuert ist, hingestellt.

wer&wo

WIRTSHAUS STEIRERECK

Pogusch 21

A-8625 Turnau

Tel. +43 (3863) 2000

pogusch@steirereck.at

Öffnungszeiten

Do. bis So., 11.00 bis 24.00 Uhr

Küche Do. bis Sa., 11.30 bis 22.00 Uhr

Küche So., 11.30 bis 21.00 Uhr