20ERJUBEL

EIN GLORREICHER BASTARD

Auf seinem steilen Erfolgsweg hatte der Multi-Gastronom Heiner Raschhofer auch herbe Rückschläge zu verkraften, aus denen er jedoch stets gestärkt hervorgegangen ist. So hat sich der 51-jährige Salzburger die Freude an der Gastronomie erhalten und plant trotz ungebremsten Tatendrangs bereits den fließenden Übergang zur nächsten Generation.

Erika Leitinger // Fotos: Rainer Fehringer

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Foto: Rainer Fehringer.

Wir treffen Heiner Raschhofer in Linz, wo er vor eineinhalb Jahren in den Promenaden-Galerien ein riesiges Lokal namens Soulkitchen eröffnet hat. Eigentlich sind es ja zwei, drei oder vier Lokale, je nachdem, wie man es betrachtet. Links an der Wand weist ein riesiges Graffito darauf hin, dass man bei den „Glorious Bastards“ zu Gast ist. Ganz rechts geht es zur Barefoot Bar. Dazwischen liegt ein großer Raum mit Craft Beer Bar und eine Wand, auf der das riesige Bier-Angebot gelistet ist – so ähnlich wie man es von der Soulkitchen in Innsbruck kennt. Und gleich gegenüber liegt das my indigo, das irgendwie auch dazu gehört, aber ein eigenes, auch räumlich deutlich getrenntes Lokal ist. Für einen Erstbesucher erscheint dies irgendwie verwirrend, doch die Linzer scheinen sich auszukennen. Es ist Donnerstagmittag, und fast jeder Tisch ist belegt.

Es gehört schon Mut dazu, ein so großes Lokal zu eröffnen. Bereitet Ihnen so ein Projekt vor der Eröffnung eigentlich schlaflose Nächte, oder waren Sie von Anfang an überzeugt, dass es funktionieren wird?

Ein neues Lokal zu machen ist immer aufregend, und in den letzten Wochen vor der Eröffnung schläft man wenig. Schlaflose Nächte sollte man allerdings nicht haben. Schließlich braucht man ja Energie, um so etwas erfolgreich über die Bühne zu bringen. Die Frage, ob ein Lokal funktioniert oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab, von denen man die meisten beeinflussen kann. Gerade am Anfang muss man vielleicht das eine oder andere nachjustieren, da sich manche „geniale“ Idee in der Praxis als weniger genial herausstellt. Die größte Herausforderung war hier, mehrere Magneten zu schaffen, damit wir nicht nur am Abend, wenn Gäste ausgiebig essen und trinken wollen, voll sind, sondern auch zu den anderen Tageszeiten attraktive Angebote haben.

Zucken Sie zusammen, wenn die Einrichter den Spray auspacken und die frisch gestrichenen Wände mit Botschaften besprühen?

Auf Nummer sicher zu gehen funktioniert einfach nicht. Da kommt ein langweiliges Mainstream-Lokal heraus, das keine Emotionen vermittelt und somit auch die Gäste nicht anspricht. Die Gestaltung von Lokalen ist eine persönliche Leidenschaft von mir. Im Laufe der Jahre habe ich mehrere tausend Fotos von spannenden Einrichtungsdetails gemacht und archiviert, von denen ich mich inspirieren lasse, wenn ein neues Projekt ansteht. Als wir uns für diesen Standort entschieden haben, hatte ich schon eine konkrete Vorstellung im Kopf, wie es aussehen könnte. Aber natürlich kommen dann auch professionelle Architekten ins Spiel, die das gestalten. Ich habe gelernt, dass sich auch Architekten leichter tun, wenn man ihnen schildern kann, was entstehen soll. 

Diesmal habe ich mir auch ganz bewusst einen befreundeten Gastronomen aus Antwerpen geholt, der als „Störer“ alles  infrage stellen sollte. Ich habe in Belgien und den Niederlanden viele Lokale gesehen, die wesentlich radikaler und mutiger gestaltet sind, als wir das hierzulande kennen. Man muss sich einfach etwas trauen. Wichtig ist, dass der Grundplan eines Lokals – also die technischen Aspekte, die Raumaufteilung, die Proportionen, die Laufwege perfekt durchdacht sind. Sollte sich ein Graffito tatsächlich als zu irritierend zeigen, kann man das ja ohne viel Aufwand wieder entfernen. Wir haben sehr viele individuelle Details im Lokal, von den Sesseln, die wir gebraucht in den Niederlanden gekauft haben, bis zu Tassen, Gläsern und Deko-Elementen. Damit kann man sich laufend spielen, doch den Platz, wo der Pizza-Ofen steht, werden wir nicht mehr verändern.

Als ich das erste Mal von diesem Lokal gehört habe, ist mir der Name Glorious Bastards aufgefallen. Dann war aber laufend von der Soulkitchen die Rede. Was hat es mit diesen Namen auf sich?

Der Film, auf den Sie anspielen, heißt „Inglorious Basterds“, unser Lokalkonzept nennt sich Glorious Bastards, und das haben wir natürlich markenrechtlich schützen lassen. Das sind also zwei verschiedene Namen und wir spielen ja auch nicht mit Elementen aus dem Film. Die Entwicklung von Konzepten und den dazupassenden Namen ist eine aufregende Geschichte, mit der ich mich intensiv beschäftige, auch wenn beim Gast am Schluss eine simple, klar verständliche Botschaft ankommen muss. Die Glorious Bastards sind der Baker, der Butcher und der Brewer. Es geht um Pizza, Burger und Steaks, gepaart mit einer starken Bier-Kompetenz. Daneben gibt es die Barefoot Bar, in der wir keine Reservierungen annehmen um auch für Walk-Ins attraktiv zu bleiben. Die Soulkitchen ist die gemeinsame Klammer, die jedoch schrittweise in den Hintergrund rücken soll. Sie ist sozusagen die letzte Station im Laufe eines Abends und hat auch am längsten offen.

Wie definieren Sie Ihre Rolle als Chef? Ins Tagesgeschäft mischen Sie sich ja schon länger nicht ein, oder?

Wenn viel los ist, bin ich am besten weit, weit weg. Das meine ich übrigens wörtlich. Ich war im Dezember für ein paar Wochen in Costa Rica, um Kraft zu tanken und Abstand zu gewinnen. In dieser intensiven und umsatzstarken Zeit braucht niemand einen Querdenker, der sich einmischt, Dinge infrage stellt und mit neuen Ideen daherkommt. Aus meinem Beinahe-Crash vor 19 Jahren habe ich gelernt, wie wichtig es ist, klare Strukturen mit genau definierten Rollen zu haben. Ich bin für die Entwicklung und den nachhaltigen unternehmerischen Erfolg verantwortlich, aber nicht für die täglichen Abläufe, die ja bestens eingespielt sind. Wir haben ein vierköpfiges Management-Board, das sich einmal im Monat trifft und ein zentrales Büro für Buchhaltung und Administration. Dort befindet sich übrigens auch unsere Soulkitchen Academy, die wir vor fünf Jahren gegründet haben. Das ist ein ganz zentrales Thema für uns geworden, weil es wirklich alle Mitarbeiter betrifft. Ursprünglich haben wir hier hauptsächlich Führungskräfte ausgebildet und geschult, jetzt dehnen wir das System auf alle Mitarbeiter aus.

Was bringen Sie dort einem einfachen Mitarbeiter bei?

Die absolvieren zuerst unser ABS – das steht für Anti-Blamage- System. Jeder Mitarbeiter sollte grundlegende Kenntnisse über seine Tätigkeit, aber auch über das Unternehmen, unsere Geschichte, die Vision, unsere Mission und unsere Werte haben, damit er jederzeit helfend eingreifen kann, ohne sich zu blamieren. Es ist aber auch fürs Teambuilding wichtig, dass alle Mitarbeiter regelmäßig dort sind. Nicht umsonst ist der Claim unserer Academy „Spirits and Skills“. Es gibt Weiterbildungen zu bestimmten Themen, wie etwa Craft-Bier oder Wein, wo dann die betreffenden Mitarbeiter aus den verschiedenen Standorten kommen. Das hat auch den Vorteil, dass sie sich informell austauschen und voneinander lernen können. Wir haben auch Module, mit denen sich Mitarbeiter bis hin zu Führungskräften entwickeln können. Man arbeitet sich vom Rookie über den Food-Manager zum Purser, Co-Piloten und schließlich Piloten hoch, der dann auch ein Lokal mit Budgetverantwortung führen kann. 

Wir laden auch regelmäßig Referenten ein, machen Workshops, und hin und wieder kommen auch Mitarbeiter von befreundeten Unternehmen zu uns ins Haus. Natürlich braucht ein Unternehmen eine gewisse Größe, damit man ein hauseigenes Schulungssystem aufbauen kann, aber es lohnt sich wirklich. Vor allem wenn man ein weiteres Wachstum im Auge hat, ist das unverzichtbar, die richtigen Mitarbeiter mit entsprechenden Skills zu haben.

Worauf spielen Sie mit weiterem Wachstum an? Sind weitere Großlokale wie in Linz oder Innsbruck in der Pipeline?

Aktuell nicht, aber mit my indigo haben wir noch einiges vor. Wir haben da zwar ein paar erfolgreiche Franchise-Partner, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass es nicht immer leicht ist, den richtigen Partner zu finden. Wir wollen das in Zukunft mit Leuten aus den eigenen Reihen machen und sie am jeweiligen Lokal direkt beteiligen. Das Konzept läuft wunderbar und passt in unsere Zeit. Abgesehen davon sind wir ein sehr attraktiver Mieter und tun uns bei der Standortsuche relativ leicht.

Wieso ist my indigo ein besonders attraktiver Mieter?

Weil wir relativ früh schließen, nicht frittieren und ein sehr angenehmes Publikum haben. Zu Lärm- oder Alkoholproblemen kommt es nie. Wir helfen oft dabei, eine Immobilie aufzuwerten, was den Vermietern langfristig zugutekommt. Die Rolle, die die Gastronomie für die Entwicklung einer Immobilie spielt, wurde in der Vergangenheit unterschätzt – auch von uns. Die beiden Soulkitchens in Innsbruck und Linz waren ja andererseits Herausforderungen, für sehr, sehr große Flächen ein passendes Gastronomie-Konzept zu entwickeln. In dieser Situation wollen Projektentwickler kein Risiko eingehen. All das wirkt sich natürlich positiv auf die Konditionen aus.

Und wie lassen sich derart große Projekte finanzieren?

Wir arbeiten da eng mit den Eigentümern zusammen und haben eine gute Bank. Das funktioniert auch deshalb relativ problemlos, weil wir schon viele Jahre bewiesen haben, dass wir ein verlässlicher Partner sind. Außerdem haben wir ein absolut transparentes Rechnungswesen und Controlling. Sprich, wir können stets nachvollziehbar darstellen, wie es bei uns läuft. Das macht es dann auch der Bank einfacher, ein Projekt mitzufinanzieren.

Welche Rolle spielen eigentlich Marken in Ihren Lokalen?

Die Biere tragen meinen Namen, die Brauerei gehört allerdings meiner Cousine und ihrem Mann und ist ein eigenes Unternehmen. Für mich war von Anfang an klar, dass wir mit ihren Bieren arbeiten, und meine ersten Salzburger Lokale waren auch Bier-Lokale. Ich freue mich total darüber, wie toll die Biere schmecken, weil das Craft-Bier-Thema für uns total wichtig ist. Wir haben über zehn verschiedene Raschhofer-Biere vom Fass und ergänzen das Angebot mit exklusiven Flaschenbieren aus dem In- und Ausland. Sinalco haben wir aus Deutschland geholt, weil wir die Marke echt gut finden und wir ihnen gleichzeitig helfen können, in Österreich Fuß zu fassen. Wir konnten die GSG überzeugen, für uns den Import und Vertrieb zu übernehmen. 

Auch die Red Bull Organics passen mit ihrem hochwertigen Image sehr gut zu uns. Mir macht es extrem viel Spaß, den Markenmix zu optimieren, weil das entscheidend dazu beiträgt, wie ein Lokal von den Gästen gesehen wird. Nur mit gängigen Marken zu arbeiten, wäre langweilig, doch ohne starke Marken geht es auch nicht. Man muss allerdings wissen, wofür man steht, bevor man entscheiden kann, welche Marken zu einem passen und welche nicht.

Ihr älterer Sohn arbeitet bereits im Unternehmen mit. Gleichzeitig zeigen Sie noch jede Menge Tatendrang. Denken Sie schon an das Thema Betriebsnachfolge?

Um sicherzustellen, dass sich ein Unternehmen dynamisch weiter entwickelt, ist es notwendig, dass die „Alten“ den „Jungen“ Raum geben, ihre Ideen einzubringen und auch umzusetzen. Von vielen Dingen, die junge Menschen bewegen, habe ich keine Ahnung. Man muss darauf achten, dass wir die Ideen der nächsten Generation in die Entwicklung der Lokale einfließen lassen, wenn wir diese Leute als Gäste begeistern wollen. In unserem Management-Board haben wir alle ein ähnliches Alter, was die Kommunikation zwar erleichtert, langfristig aber ein gewisses Problem darstellt, wenn es um die Frage der Nachfolge geht. Wir haben daher beschlossen, dass sich jeder eine „Young Gun“ als Assistenten zur Seite nimmt und ihn – oder sie – in die jeweilige Aufgabe einführt, bis sie in fünf Jahren so weit sind, das alleine zu machen. Wir sind zwar keine Aktiengesellschaft, aber mir schwebt dann so etwas wie die Rolle eines Aufsichtsratsvorsitzenden vor, der den Vorstand weitgehend frei agieren lässt, mit seinem Wissen und Kontakten jedoch bei der weiteren Unternehmensentwicklung unterstützt.

HEINER RASCHHOFER

stammt aus einer Hoteliersfamilie in Bad Gastein, wo seine Eltern das Haus Hirt betrieben haben, das heute von seiner Schwester Evelyn Ikrath geführt wird. Das zweite Hotel der Familie – das Auersperg in Salzburg leitet seine jüngere Schwester Bettina. Auf der dazugehörigen Wiese hat sich Raschhofer ab 1993 mit dem Biergarten „Zum Innviertler“ seine ersten gastronomischen Sporen verdiente. Raschhofer hatte Blut geleckt und wollte fortan statt der „faden“ Hotellerie lieber ein aufregendes Leben als Gastronom führen. Es folgten die bis heute bestehenden Raschhofer’s Rossbräu in Herrnau und im Europapark. Die so einfach scheinenden Erfolge verführten ihn dazu, rasch weitere Lokale zu eröffnen. Doch weil jedes Lokal anders positioniert war und es keine gemeinsamen Strukturen gab, begann alles aus dem Ruder zu laufen. Nach einer halbjährigen Weltreise mit seiner jungen Familie stand Raschhofer im Frühling 2000 vor dem Aus. Er schloss einige Lokale und begann, systematische Strukturen aufzubauen.

Ihm war klar geworden, dass Wachstum besser mit einem System verfolgt, das man perfektioniert und an mehreren Standorten umsetzt, statt einen „Bauchladen“ unterschiedlicher Lokale zu betreiben. Also verwandelte das ehemalige Sushi-Delivery „Flying Sushi“ in „my indigo“ und begann ab 2002, mit dem gesunden Fast-Food-Konzept zu expandieren. Österreichweit für Aufsehen sorgte er dann wieder im Sommer 2015 als er in Innsbruck-Wilten auf riesiger Fläche die Soulkitchen eröffnete.

Im November 2017 folgte schließlich die zweite Soulkitchen in den Linzer Promenaden-Galerien. Hier wurde die Mehrmarken-Strategie weiter ausgebaut. Erstmals wurde das „Glorious Bastards“- Konzept umgesetzt, bei dem es um Pizza, Burger und Steaks geht. Dann gibt es eine große Bar mit vielen Craft-Bieren und eine Barefoot-Bar. Gleich gegenüber liegt das zweite Linzer my indigo (nach der Plus City). Die Marke Soulkitchen ist der Name der Unternehmensmutter, die über allen Lokalen steht. 2013 kam die Soulkitchen Academy dazu. Außerdem engagiert er sich seit mehr als 20 Jahren beim Leaders Club. 

Heiner Raschhofer hat zwei Söhne. Niko arbeitet nach Stationen im Ausland zurzeit im eigenen Betrieb, sein Bruder Timi studiert in Wien International Business and Economics.

Heiner Raschhofer mit den „Young Guns“ der nächsten Generation.