20ER JUBEL

EIN POSTLER MACHT DIE FENSTER AUF

Florian Moosbrugger hat den vergangenen Sommer dazu genutzt, seinen Gasthof Post in Lech am Arlberg radikal zu öffnen. Der neu gestaltete Speisesaal mit seiner eindrucksvollen Glasfront bietet jetzt großzügige Ein- und Ausblicke.

Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Herbert Lehmann

Florian Moosbrugger vor dem Gasthof. Foto: Herbert Lehmann.

Die Post in Lech hat schon immer mit Understatement kokettiert. Obwohl das luxuriöse Fünf-Sterne-Hotel seit Jahrzehnten Mitglied bei Relais & Châteaux ist, bezeichnet man sich schlicht und einfach als Gasthof. Wie bei traditionellen Häusern in unseren Bergen üblich, gibt man sich von außen verschlossen. Auch wenn hier Jahr für Jahr königliche Familien und internationale Prominenz ihren Skiurlaub verbringen, will man mit rustikalem Charme und nicht mit Protz und Prunk überzeugen.

Dicke Mauern und kleine Fenster lassen nur vermuten, dass es im Inneren behaglich zugeht. Foto: Herbert Lehmann.

Und doch gilt es, mit der Zeit zu gehen und jenen Komfort zu schaffen, den man sich heute in einem noblen Hotel einfach erwartet. Ein zweiter und nicht zu unterschätzender Aspekt bleibt den Gästen jedoch verborgen. Mit dem Umbau gelang es Florian Moosbrugger, zeitgemäße Arbeits- und Produktionsbedingungen für die Mitarbeiter zu schaffen. Die neue Küche von David Wagger ist jetzt knapp 400 Quadratmeter groß, hell und luftig. Bei der Planung waren auch seine Vorgänger als Küchenchef, Christian Gölles (2007–2008) und Michael Spark (2008–2017), involviert. Im neuen Speisesaal fällt die Trennung zwischen Hotelgästen und auswärtigen À-la-carte-Gästen weg. Das Buffet für Frühstück beziehungsweise Salat wurde aus dem Speisesaal verbannt und ist in einen Extraraum gewandert. Und auch bei den Themen Licht, Akustik und Sitzkomfort hat das Architektenteam rund um Christian Prasser und Eckart Amann viel Aufmerksamkeit walten lassen.

Die neue Küche ist hell und großzügig dimensioniert. Foto: Herbert Lehmann.

Besonderen Wert hat man auf die Beleuchtung gelegt. Die Unikat-Lampenschirme der Wiener Manufaktur Mano Design sind Hingucker, die jedem Gast auffallen. Dass sich zusätzlich hunderte winzige LED-Elemente in der weißen Decke verbergen, die je nach Tageszeit und Außenlicht für eine angenehme Stimmung sorgen, erschließt sich dem Betrachter erst auf den zweiten Blick.

Der Deckenstuck ist einfach der absolute Blickfang. Foto: Herbert Lehmann.

Worum ging es bei diesem Umbau noch?

Der Ausblick ist auch ein Einblick. Die Post zu öffnen und einladender zu machen war für mich ganz wichtig. Die Sessel stammen von der Manufaktur Wittmann und wurden speziell nach unseren Vorstellungen leicht adaptiert. Wir haben uns sehr viel Gedanken darüber gemacht, wie man den Aufenthalt bei Tisch noch komfortabler gestalten kann. Dazu zählt die ergonomische Gestaltung der Möbel genauso wie die Akustik und das Licht. Wir haben in gewisser Weise ein Restaurant der Zukunft gebaut, auch wenn es auf den ersten Blick recht traditionell aussieht. Besonders stolz sind wir auf das komplexe Lichtsystem, das auf Tageszeit und Außenlicht Rücksicht nimmt und dafür sorgt, dass man sich immer wohlfühlt. Der größte Teil des Umbaus bleibt den Gästen jedoch verborgen, weil er die Küche und die dazugehörigen Kühlräume betrifft.

Der Ausblick aus dem neu gestalteten Speisesaal auf das tief verschneite Lech. Foto: Herbert Lehmann.

Im Gegensatz zum benachbarten Zürs haben die meisten Betriebe in Lech auch im Sommer geöffnet. Wird die Bedeutung des Sommers in Zukunft noch steigen?

Absolut. Wir schreiben zwar auch schon jetzt im Sommer schwarze Zahlen, aber noch ist der Winter wesentlich stärker. Aber wer weiß, ob das auch in 20 Jahren noch so sein wird. Größere Investitionen in den Betrieben, aber auch in die touristische Infrastruktur wie etwa Liftanlagen lassen sich nicht mit ein paar Wochen Betrieb pro Jahr tätigen. Und auch um qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen, die länger bleiben wollen, muss man ein ganzjähriges Angebot haben. Seit einem Jahr haben wir jetzt auch einen Golfplatz. Mit Veranstaltungen wie dem Philosophicum und dem Medicinicum ist Lech im Sommer zu einem intellektuellen Treffpunkt geworden. Einzig und allein darauf zu vertrauen, dass der Wintersport weiter zulegt, wäre eine sehr riskante Strategie.

Sie sind seit vielen Jahren Mitglied bei Relais & Châteaux. Das kostet bekanntlich viel Geld, aber offensichtlich zahlt es sich aus. Heute kann man im Internet kostenlos Gästebewertungen abfragen und Preise vergleichen. Verliert da eine Marketingplattform wie Relais & Châteaux nicht automatisch an Bedeutung?

Nein, wobei ich Relais & Châteaux nie als reine Marketingplattform gesehen habe, sondern als ein unverzichtbares Instrument, um sich laufend zu verbessern. Ich vergleiche das gerne mit der Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter. Dadurch, dass man den Jahresbeitrag bezahlt, wird man noch nicht fit, aber wenn man die Mitgliedschaft aktiv nutzt, kann man enorm profitieren. Ich habe vor zwanzig Jahren gemeinsam mit einem amerikanischen Kollegen für Relais & Châteaux erstmals ein Qualitätsmanagement-Programm mit anonymen Testbesuchen entwickelt, das dann mit etwas Verzögerung auch umgesetzt wurde. Natürlich haben sich die Möglichkeiten, sich potenziellen Gästen zu präsentieren, in den letzten 20 Jahren stark verändert, aber Relais & Châteaux ist immer noch eine sehr starke Marke, die gerade in Übersee sehr gut funktioniert.

Wie wichtig sind für Sie Gäste aus Übersee?

Selbstverständlich, weil wir nicht von der Konjunktur in einem einzelnen Herkunftsmarkt abhängig sein wollen. Mit 25 Prozent ist Deutschland zwar unserer wichtigster Herkunftsmarkt, aber wir bemühen uns ganz bewusst auch um Gäste aus dem restlichen Europa. Auch Australien, die USA und Südamerika sind sehr interessant, nur können wir dort als Einzelkämpfer kaum reüssieren. Mittelfristig wird auch der chinesische Markt interessant, aber dafür müssen wir alle – also gemeinsam mit Kollegen im Ort – unser Angebot erweitern. Das fängt bei den Sprachkenntnissen der Mitarbeiter an und zieht sich bis zum kulinarischen Angebot. Wenn ich chinesische Gäste für eine Woche in Lech haben will, muss ich auch gute asiatische Restaurants haben. Da sind manche Orte in der Schweiz schon weiter.

Würden sich österreichische und deutsche Gäste bei Ihnen wohlfühlen, wenn Ihr Hotel voller Chinesen wäre?

Nein, natürlich nicht. In unserem Segment ist der richtige Gästemix entscheidend, aber das hat nicht nur mit der Herkunft der Gäste zu tun. Wenn man größere Gruppen im Haus hat, wird es für Individualgäste unangenehm. Wenn man viele lärmende Junggesellenrunden hat, fühlen sich Familien nicht besonders wohl. Den richtigen Gästemix zu finden und zu pflegen ist gerade im Luxussegment eine ganz entscheidende Herausforderung. Ein gutes Hotel ist ein Ort der Begegnung. Viele Gäste kommen auch deshalb zu uns, weil sie wissen, dass sie hier Leute treffen, die zu ihnen „passen“. Ich kümmere mich ganz aktiv darum, Gäste miteinander bekannt zu machen, wenn ich das Gefühl habe, dass sie sich gut verstehen könnten.

Die Familie Moosbrugger. Foto: Herbert Lehmann.

Das größte Problem der Branche ist es, gute Mitarbeiter zu finden. Gleichzeitig hat beziehungsweise hatte der Arlberg den Ruf, dass man hier auf Saison wirklich gut Geld verdienen kann. Wie sehen Sie diese Thematik?

Wir bezahlen unsere Mitarbeiter ordentlich. Ich persönlich hätte auch kein Problem, noch höhere Löhne zu zahlen, denn tatsächlich bezahlen ja die Gäste das Gehalt und nicht ich. Generell betrachtet ist die Gastronomie in Österreich einfach zu billig, wenn man will, dass die Mitarbeiter im Service und in der Küche ordentlich bezahlt werden. In Lech haben wir ein Publikum, das bereit ist, sich gute Qualität auch etwas kosten zu lassen, aber in vielen anderen Orten in Österreich stimmt das Verhältnis einfach nicht. Gastronomie kann ja nicht Selbst- oder Fremdausbeutung bedeuten. Insofern habe ich mit der Gewerkschaft gar kein Problem. Man kann sich allerdings nicht gleichzeitig auch als Konsumentenschützer aufspielen und steigende Preise in der Gastronomie an den Pranger stellen. Das ist ein Widerspruch in sich.

In der Schweiz gibt es wesentlich höhere Lohnkosten, die dazu geführt haben, dass österreichische Wintersportgebiete preislich vergleichsweise attraktiv erscheinen. Würden wir mit höheren Preisen nicht Gäste verlieren?

Ich verfolge die Entwicklung in der Schweiz sehr genau, weil sie meiner Meinung Österreich zwanzig Jahre voraus ist – mit allen Höhen und Tiefen. Wir werden ähnliche Krisen erleben und wir werden sie hoffentlich gut meistern. Der hohe Frankenkurs ist dabei nicht das zentrale Problem. Vielmehr geht es um anstehende Investitionen und ein stimmiges Marketing. Wir beschränken uns zu sehr auf unsere Kernmärkte und werden in den nächsten zehn Jahren wohl das eine oder andere Problem bekommen. Dass die Österreich Werbung ihr Büro in Kanada geschlossen hat, halte ich deshalb für einen strategischen Fehler. Auf Dauer kann sich ein hochentwickeltes Land wie Österreich nicht als billige Urlaubsdestination präsentieren.

Sie glauben also an die touristische Zukunft von Lech?

Ja, natürlich. Lech ist einer der schönsten Orte der Welt mit einer intakten und einzigartigen Gebirgslandschaft. Wir wollen das für kommende Generationen erhalten. Es muss aber auch Platz für Handwerker, Bauern und kleine Gewerbetreibende geben. Es geht also nicht primär darum, möglichst vielen Gästen möglichst viele Skipisten zu bieten, sondern darum, einen intakten Lebensraum für Einheimische zu schaffen. Wir wollen, dass auch weitere Generationen hier leben wollen und nicht abwandern müssen. Deshalb kämpfen wir auch so entschlossen gegen den Bau von leerstehenden Zweitwohnsitzen und setzen uns für leistbare Wohnungen für junge Leute ein. Ein intakter Ort besteht nicht nur aus Tourismusbetrieben.