PORTRAIT // INTERVIEW

FÜTTERN, AUFFRISCHEN, FÜHREN, LEBEN

Akzeptanz und Wertschätzung sind für Gerhard Lürzer die Stellschrauben mit dem größten Einfluss auf die eigene Triebkraft und die Verantwortung innerhalb der Lürzer-Betriebe. Ein Interview am Peakini Farmhaus in Untertauern.

Text: Günther Gapp // Fotos: Rainer Fehringer

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In Obertauern

In Obertauern „Obertauern ist kein gewachsener Ort, sondern war schon immer ein Durchzugsort. Bauernfamilien gibt es kaum. Noch weniger, die dort wohnen. Die viereinhalb Monate Wintersaison sind seit Jahrzehnten eine wirtschaftliche Cashcow. Der Sommertourismus ist kaum vorhanden. Positiv gedacht böte das also ein riesiges Potenzial. Die Unternehmerfamilien tun sich aber schwer, ihre Komfortzone zu verlassen und den über Generationen vermittelten Spruch „Des bringt nichts, des wird nichts, des haben wir schon probiert“ zu überwinden. Denn mit einem vollen Haus im Winter ist einfach alles leichter planbar.

Im Sommer geht sich vieles vielleicht nicht aus, man muss eventuell selbst mehr arbeiten und die permanenten Umbauten gemeinsam koordinieren. Nur wenn ein Mountainbike-Park oder visionäre Ideen wie ein Wave Garden (www.alaiabay.ch) keine gemeinsame Option sind, dann bedarf es auch einer Grundsatzentscheidung zum Sommertourismus, die auch das Jammern über fehlende Mitarbeiter, Parkplätze und den Ausverkauf der Heimat an Investoren beendet. Und das ist dann auch zu akzeptieren,“ sagt Gerhard Lürzer dazu.

Über den Tourismus

„Die alte Generation war die Aufbaugeneration unsere Generation ist die Ausbaugeneration, aber die neue junge Generation bleibt nicht automatisch im Tourismus. Das Koch- und Kellner-Berufsbild ist heute so unattraktiv wie nie zuvor. Es wurde über die guten Jahre ein totales Überangebot an Betrieben erzeugt. Derzeit herrscht für meine Begriffe ein völliges Überangebot an gastronomischen Betrieben und ein Unterangebot an touristischen Mitarbeitern. Eine klassische Doppelmühle, die auch eine Konsequenz der Globalisierung ist.

Die Wertschätzung für den Beruf und die Leistung des Gastronomen kommt bei den Gästen nach den Corona-Betriebsschließungen zwar langsam zurück, weil nun nicht mehr alles selbstverständlich ist. Weil der Gast froh ist, wenn am Sonntag ein Wirtshaus offen hat und ein Wiener Schnitzel serviert wird. Aber wenn ich höre, dass es zu wenige Mitarbeiter im österreichischen Tourismus gibt, dann verstehe ich nicht, warum wir nicht auch die Welt als Mitarbeiterpool sehen und unsere Aufgaben erfüllen. Wir müssen endlich aufhören zu jammern und mögliche Alternativen aufgreifen. Das Work-Life-Balance-Thema mit vier Tage Arbeiten, das Doppelte verdienen und immer weniger leisten, ist eine Diskussion, die mir massiv auf die Nerven geht und in die falsche Richtung führt.

Die wichtigsten Investitionen für die Zukunft lauten daher, das gesamte Umfeld für unsere tollen Mitarbeiter so herzustellen, dass sie top motiviert ihre beste Leistung abrufen können. Die hierfür fünf wichtigsten Kernthemen sind hoffentlich jedem einzelnen Unternehmer bekannt. Profite und Schulden machen war immer die Zielvorgabe. Aber Wertschätzung und Wertschöpfung schließen sich doch nicht aus. Wenn wir bereit sind, etwas zu verändern, und bereit sind, Herausforderungen anzunehmen, dann können wir den Wandel der Welt im österreichischen Tourismus aktiv mitgestalten, auch einen Plan B entwickeln und uns breiter aufstellen“, so Gerhard Lürzer.

Die Lürzer-Weitsicht

„Ich bin der Corona-Zeit dankbar, weil ich mich mit vielen Themen beschäftigt habe, die davor nicht in meinem Fokus waren. Wenn drei starke Persönlichkeiten (neben Gerhard führen noch seine Brüder Harald und Heribert Lürzer die Gruppe) als Alpha-Menschen, die auch dann Verantwortung übernehmen, wenn eine Aufgabe risikobehaftet ist, und mit einer großen Portion an Selbstvertrauen ausgestattet sind, ein Unternehmen führen, ist das selbstverständlich eine stetige Herausforderung. Ich habe nun meinen persönlichen Schlüssel dazu gefunden, der eine Antwort auf so vieles ist. Ich kann von einem anderen Menschen nicht erwarten, dass derjenige es durch meine Augen sieht, wie ich nicht durch die des anderen sehen kann. Für mich hilfreich ist hier auch, andere nicht permanent zu be- bzw. verurteilen.

Ich war intensiv mit unseren Finanzen beschäftigt und damit, unser System neu aufzustellen. Ein wichtiger Punkt war eine Entschuldung. Obwohl Schuldenmachen für Investitionen durchaus Sinn macht, ist der beste Kredit noch immer der, den man nicht hat. Weniger Belastung durch Kreditraten erlaubt uns in unseren Unternehmen ein flexibleres, der neuen Situation angepasstes Agieren. Unsere Schulden sollen zukünftig weniger als ein Jahresumsatz sein. Neu denken und neu organisieren ist erlaubt. Die Arbeit wieder mit mehr Lebensfreude, weniger Abhängigkeit und unternehmerischer Weitsicht zu bestreiten und daraus auch konsequente Schritte abzuleiten passt ganz gut für die Zukunftsplanung unserer Familie.

Deshalb haben wir auch unser Stammhaus, das Fünf-Sterne-Hotel Kesselspitze, abgegeben, weil die Per-formance für nur viereinhalb Monate mitten in den Alpen da keinen Platz mehr hat. Mit der Valamar-Gruppe und dem Österreicher Gustav Wurmböck haben wir einen strategischen Käufer wie auch neuen Partner gefunden, da wir nun das neue Valamar Collection und die beiden weiteren Valamar-Hotels in Obertauern mit unseren Servicebetrieben betreuen und auch auf deren Saisonmitarbeiter-Pool für unsere Betriebe zurückgreifen dürfen. Ganz nach unserem Peakini-Motto: This Is The Beginning Of A Beautiful Friendship. Und es gibt noch genügend Investitionsbedarf für unsere anderen Betriebe, sodass uns als Lürzer-Familie nicht fad wird,“ erzählt Gerhard Lürzer.

Easy, but not simple – das Peakini Farmhaus

„Es begann wie so oft bei mir impulsiv. Auf der Edelweißalm hatten wir Pferde, und ich liebe Pferde. Den Geruch, das Herumlaufen, die Kraft eines Pferdes. Am Winterstellgut in Annaberg konnte ich vier Pferde kaufen, die ich am Weg zwischen Salzburg und Obertauern unterstellen wollte. Durch Zufall habe ich in Untertauern einen alten Stall und Bauernhof gefunden und von der Familie Bernhofer vom Hotel Alpenland in Obertauern pachten können. Ohne viel Plan, aber mit der Kraft der Begeisterung passieren in meinem Leben einfach gewisse Dinge. Und so entstand aus der Unterkunft für vier Pferde das spannende, neu ausgerichtete Gastronomiekonzept Peakini.

Der Name leitet sich vom Berliner Einkaufszentrum Bikini Berlin ab und mutierte zur Marke Peakini, die mit viel Wortwitz den besonderen Ort aktiviert. Mit dem nächsten Zufall, der Anfrage für eine Hochzeit eines Freundes, ist dann der erste Event passiert und in Folge eine gewerbliche Nutzung für einen kleinen Teil als gastronomischer Betrieb. Nun ist es ein wundervoller Bauernhof mit fünf Zimmern und Gastronomie. Alles, was aus Leidenschaft entsteht – auch im Talschluss von Untertauern –, braucht keine Businesszahlen. Es kommt an und schreibt sich fort“, resümiert Lürzer.

Epilog:

Im Gespräch erzählt er dann noch von seinen aktuellen Ideen. Einerseits lauert der Peakini Alchemist nach einer Biketour und dem Verzehr des Fleisches einer Silberdistel auf den Startschuss als lokales Superfood. Andererseits steht der Prototyp eines Campingbusses am Parkplatz, mit dem er die neue Marke Peakini Nomadland ins Leben rufen möchte. Fünf Busse sollen es werden, um mit Lürzer und Peakini- Produkten auf Reisen zu gehen. Um jenen Gästen, die längere durchgehende Urlaubsaufenthalte nicht mehr wollen, trotzdem eine attraktive Alternative für einen Aufenthalt mit Start und Ziel bei den Lürzers zu geben.

Zur Person

GERHARD LÜRZER

Zwischen Arbeit und Leben zu unterscheiden geht für ihn nicht. Sein Leben besteht aus der Lust, viele Dinge zu machen. Sein Büro ist in den Bergen und am Land. Die Bewegung und Natur sind seine Batterie, wo er Unabhängigkeit und Freiheit spüren und Antworten auf seine Fragen findet. Er ist kein gastronomischer Schauspieler, kommt ohne Lob und Anerkennung aus und ist viel lieber im Hintergrund und der Macher. Gut vorbereitet in die Saison zu gehen und danach wieder gut zu leben und seine Ideen voranzutreiben ist mehr das Seinige. Er ist der Überzeugung, dass alles, das ihn findet, auch einen Grund hat, warum es ihn findet. Er lässt prinzipiell alles zu. Probiert vieles aus. Seine persönliche Meinung, gepaart mit einer soliden Portion Hartnäckigkeit, hat dann schon auch Gewicht, um seine Aufgaben erfolgreich wahrzunehmen.

»Nichts ist dazu verdammt, dass es so bleiben muss, wie es ist.«

– Gerhard Lürzer –

Mit seiner Frau Sabine macht er (fast) alles gemeinsam. Sie sind Partner, Freunde, ergänzen sich perfekt mit ihren unterschiedlichen Arbeitszugängen und sind stolze Eltern von Tochter Leoni, die nun die Tourismusschule Klessheim beginnt. Und irgendwann will er dann vielleicht noch einen saisonunabhängigen Betrieb in der Stadt machen – für seine Leoni. 😉

PEAKINI FARMHAUS

Mit seiner Frau Sabine macht er (fast) alles gemeinsam. Sie sind Partner, Freunde, ergänzen sich perfekt mit ihren unterschiedlichen Arbeitszugängen und sind stolze Eltern von Tochter Leoni, die nun die Tourismusschule Klessheim beginnt. Und irgendwann will er dann vielleicht noch einen saisonunabhängigen Betrieb in der Stadt machen – für seine Leoni. 😉

Es sind die einfachen Dinge, die unsere Seele am meisten berühren.

Harmonie mit der Natur. Bodenständiges, selbst gemachtes Essen. Überlieferte Traditionen. Ideen- und Facettenreichtum. „Was für die Menschen über Jahrhunderte selbstverständlich war, eröffnet uns in der schnelllebigen, mitunter eindimensionalen digitalen Welt von heute wieder seinen wahren Wert. Darum geht es im Peakini Farmhaus. Es soll inspirieren. Uns erkennen lassen, was wirklich wichtig ist. Was uns ausmacht. Zu dem macht, was wir sind“, so Gerhard Lürzer zum neuen Urlaubskonzept.

wer&wo

PEAKINI FARMHAUS

Wernhartweg 1
5561 Untertauern

www.peakini.at