20ERJUBEL

GIB DEM BOXER KEINEN ZUCKER

Der Salzburger Spitzenkoch Andreas Kaiblinger ist unter die Kochbuchautoren gegangen. Allerdings nicht mit seiner mehrfach ausgezeichneten Haubenküche, sondern mit Alltagsrezepten ohne Weizen und Zucker. Sie sind Teil seines neuen Lebens, das sich durch eine bewusste Ernährung und viel Sport auszeichnet.

Erika Leitinger // Fotos: Rainer Fehringer

Foto: Rainer Fehringer

"Es geht mir nicht darum Neues zu erfinden, sondern Neues zu entdecken"

– ANDREAS KAIBLINGER – 

Es ist ein sehr persönlicher Ansatz, der zu Rezepten wie Erdnuss-Kakaoschnitten ohne Mehl, süßem Erdäpfel- statt Kaiserschmarren oder Brownies ohne Zucker geführt hat. „Ich habe mich vor rund vier Jahren einfach nicht mehr wohlgefühlt“, erzählt Drei-Hauben- und Sterne-Koch Andreas Kaiblinger vom Restaurant Esszimmer in Salzburg. Die Diagnose lautete auf den Punkt gebracht: „Zu viele Kilos, zu wenig Bewegung.“ Neben dem Kochen im Restaurant und der Familie mit zwei Kindern habe er auf sich selbst vergessen. Das galt es zu ändern. „Ich bin allerdings kein Typ für Diäten. Und Verbote halte ich für etwas Negatives, das einen nur behindert. Deshalb habe ich mir überlegt: Wo sind meine Stärken und Schwächen, was kann bei mir funktionieren?“, erinnert sich Kaiblinger an die Ausgangslage. Also hat er beschlossen, Weizen und Zucker aus seiner Ernährung wegzulassen, von einem Tag auf den anderen. 

Das heißt konkret: keine klassischen Weizenprodukte, kein Industriezucker und Ernährung nach dem Trennkostprinzip. Statt Kaffee und Kipferl gibt es Müsli zum Frühstück. Zu den Hauptmahlzeiten wird kein Brot mehr gegessen, und statt der Tafel Schokolade, die er früher manchmal im Heißhunger verschlungen hatte, nascht er jetzt zwischendurch Obst, Datteln oder Nüsse. „Ich esse schon noch Süßes, aber eben nicht so wie früher gleich die ganze Tafel. Auch gegen Vollkornbrot aus hochwertigem Getreide ist nichts einzuwenden“, erklärt Kaiblinger. Mindestens genauso wichtig für das wiedergewonnene Wohlbefinden ist die aktive Bewegung, vor allem Ausdauersport. „Ich habe mit dem Boxen angefangen, und innerhalb von fünf Monaten waren 17 Kilo weg. Mit minus 20 Kilo folgte dann das Idealgewicht, das ich seither konsequent halte“, sagt Kaiblinger.

Einfache, gesunde Küche

Im Esszimmer kocht Andreas Kaiblinger seit zwölf Jahren konstant mit mehrfachem Haubenstatus. Wobei es ihm nicht um Sterne, Hauben oder andere Auszeichnungen geht, sondern darum, auf sehr hohem Niveau eine eigene Linie zu fahren. Wie passt das jetzt zu weizen- und zuckerfreier Küche? „Im Normalbetrieb des Restaurants machen wir das ja nicht“, erklärt er. „Das ist eine ganz persönliche Geschichte und keine Mission, mit der wir Gäste belehren wollen.“ Dennoch entstand im Laufe der Zeit die Idee, seine neue Ernährungsweise anderen zu vermitteln. Wichtig war es, alltagstaugliche Rezepte zu zeigen, die man zu Hause in kurzer Zeit zubereiten kann. Der Anspruch war dabei, dass die Rezepte nicht zu kompliziert und mit maximal fünf Zutaten machbar sind. Jeder müsse den für sich passenden Weg finden, ist Andreas überzeugt, der seinen Ansatz mehr als Lebensphilosophie versteht. 

Unter dem schönen Titel „Essen lieben“ entstand 2016 ein Foodblog mit ersten Rezepten, im Herbst 2018 folgte das Kochbuch: „Raffinierter Genuss ohne Weizen und Zucker“. Er wollte eigentlich nie ein Kochbuch schreiben, so Kaiblinger, denn davon gebe es schließlich schon mehr als genug. Aber das Gleiche hatte er schon zuvor über Foodblogger gesagt. Schlussendlich sei das für ihn ein wertvolles Projekt gewesen, an dem er zwei Jahre gearbeitet habe. Und es hätten sich auch Synergien mit dem Restaurant ergeben. Denn alle Rezepte für das Buch wurden dort entwickelt und für die Fotos zumindest einmal zubereitet. Somit fließen natürlich auch Ideen davon in die Menüs im Esszimmer ein. Zudem könne man auf Nachfrage der Gäste jetzt auch weizen- und zuckerfreie Gerichte anbieten.

Trend zu bewusster Ernährung

Dass das Buch genau im Trend liegt, zeigt die Tatsache, dass bereits vor Erscheinen die Bestellungen so hoch waren, dass ein Nachdruck nötig war. Allein

durch die Ankündigung des Kochbuchs. Und auch auf Instagram folgen rund 23 tausend Fans den Rezepten und Tipps des Sternekochs. Gesunde und bewusste Ernährung werde für viele Menschen immer wichtiger, und das sei auch gut so. „Die wichtigste Grundlage ist das Produkt und dessen Qualität“, schließt Kaiblinger den Kreis zur Spitzengastronomie. „Eine frisch aus der Erde gezogene Karotte mit ein wenig sehr gutem Olivenöl schmeckt einfach köstlich.“ Womit wir beim Thema vegetarisch und vegan wären, denn auch im Esszimmer gibt es ein vegetarisches Menü. Aktuell ist ein veganes Kochbuch in Vorbereitung. Warum eigentlich?

Vegan, weil es schmeckt

Foodtrends waren für Andreas Kaiblinger nie wichtig. Er wollte stets eine eigene Küchenlinie verfolgen, und das wird auch in Zukunft so bleiben. „Ich unterwerfe mich keinen Trends, sondern koche das, was mir Spaß macht. Ich möchte meine Gäste überraschen, denn das erwarten sie von mir.“ Die Menüs im Esszimmer sind so konzipiert, dass man mit einem guten Gefühl nach Hause geht. Er werde jetzt auch nicht zum Vegetarier oder Veganer, denn „ich esse gerne Fleisch, aber eben nicht zu viel und wenn, dann hochwertig und von bester Qualität“. Das sei auch die Grundlage für eine genussreiche

fleischlose oder vegane Küche. Zudem ist es eine spannende Herausforderung, die ihn und sein Küchenteam generell weiterbringt. Also dann doch bald auch ein veganes Menü im Esszimmer, fragen wir nach. „Wer es möchte, für den kochen wir sehr gerne vegan. Denn die Erfahrung und Routine haben wir durch die neuen Rezepte, an denen wir gerade arbeiten.“ Die Diskussion, ob vegan, vegetarisch oder ohne Zucker erübrigt sich für Kaiblinger sowieso. Denn alles kann gut gekocht werden, alles kann genussreich sein, man muss es einfach nur entdecken.

STERNEKOCH OHNE STARALLÃœREN

Andreas Kaiblinger kocht seit mehr als 30 Jahren. Die vergangenen 15 davon im „Esszimmer“, das er gemeinsam mit seiner Frau Andrea führt. In dieser langen Zeit hat er sich eine Gelassenheit erarbeitet, die es ihm ermöglicht, einfach das zu kochen, was ihm Spaß macht. Erarbeitet ist dabei das richtige Wort, denn für ihn ist Kochen ein erlerntes Handwerk, auf das man als stabiles Grundgerüst aufbauen kann. Manch junger erfolgreicher Koch sei zwar kreativ, aber es fehle am Basiswissen, so Kaiblinger, und das würde man irgendwann merken. Andreas verfügt jedenfalls über beides, und davon kann man sich bei jedem Restaurantbesuch immer wieder neu überzeugen. 

Die Menüs sind durchdacht und jeder Gang ein Geschmackserlebnis für sich. Allzu trendige Modegerichte sucht man hier vergeblich, und das ist auch gut so, denn die Küchenlinie ist einzigartig und damit unverwechselbar. Die wechselnden Menüs und neuen Gerichte entstehen laufend, oft kommen ihm Ideen auch außerhalb der Küche: „Ich habe ständig ein kleines Notizbuch dabei, in dem ich alles sammle, was mir so einfällt und unterkommt.“ 

Bei der Menüumstellung sei es dann wichtig, für alle Fragen des Teams da zu sein. Danach kann er sich zu 100 Prozent auf seine Mannschaft verlassen, welche für ihn eine große Unterstützung ist. Denn, auch wenn Andreas das Kochen liebt, so gibt es für ihn auch anderes, das ihm wichtig ist: seine Frau, seine beiden Kinder, sein Sport. Das Restaurant ist für ihn jedenfalls ein Gesamtpaket aus Freude am Kochen, eigenständiger Küchenlinie, Service und Atmosphäre. Und wenn das passt, ist auch der Gast glücklich.

KOCHBUCH-PREMIERE

Andreas Kaiblingers erstes Kochbuch beinhaltet vielseitige Rezepte, die unkompliziert und schnell zubereitet werden können – auch von ungeübten Köchen. Das Besondere daran: Sie kommen ganz ohne Weizen und Zucker aus. Darunter zum Beispiel Ziegentopfen mit getrockneten Tomaten, Kapern und Nüssen, eine Fenchel-Currysuppe oder Honig-Dinkel-Müsliriegel mit Topfenfülle. Zudem erzählt der mehrfache Haubenkoch, warum und wie er seine Ernährung erfolgreich umgestellt hat, was ihm im Leben wirklich wichtig ist und wie man auf sich achtet, ohne dabei auf Genuss zu verzichten.

Andreas Kaiblinger: Essen lieben

Raffinierter Genuss ohne Zucker und Weizen

Rezepte für den bewussten und kreativen Alltag

Gebundene Ausgabe, 176 S., 1. Auflage

Herausgeber: LOUD Media & Awareness GmbH,

Verlag: Nova Md

ISBN: 978-3-96111-499-3