20ER JUBEL

HERRN OTTO’S G’SPÜR FÜR KAFFEE

Otto Bayer stammt aus einer Tiroler Gastronomiefamilie, die seit 200 Jahren im Dienst der Gastronomie steht.

Text: Peter Eder // Fotos: Michael Otto

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Foto: Michael Otto

Gastronomie ist ein hartes Geschäft. In einem Familienbetrieb ist es noch einen Tick härter, denn da ist jeder auch in seiner Freizeit einfach da. Unter der Woche Ausbildung und am Wochenende im elterlichen Betrieb zu arbeiten, war damals keine Frage. „Aber man macht Gastronomie nicht, weil man da reingeboren wurde oder wegen des Geldes, sondern des unmittelbaren Feedbacks wegen. Weil man mit seinen Gästen etwas teilt, das sich gar nicht in Worte fassen lässt. Es hat zu tun mit gegenseitiger Wertschätzung, mit Faszination, mit Kenntnis und Erkennen auf beiden Seiten auf vielen Ebenen“, erzählt Otto Bayer im Rückblick zu Beginn des Gesprächs. Jedenfalls kommt seine Energie und Freude offensichtlich bei seinen Gästen so an, dass sie ihm positive Rückmeldungen schenken – so funktioniert das also. 

Nachdem er 27 Jahre Hauben, Gabeln und sonst was erkocht hatte, reichte es Bayer und er verkaufte sein Hotel-Restaurant in Niederndorf bei Kufstein. Ohne zu wissen, was kommt, allein im Vertrauen, schon das Richtige zu tun. Mit der Spitzengastronomie war es zu Ende, aber nicht mit der Branche. Aber Otto Bayer war viel zu sehr Gastronom, zu sehr liebte er den Umgang mit Menschen und guten Produkten, um der Branche den Rücken zu kehren.

Die Verwandlung

Vor zweieinhalb Jahren verwandelte sich der Koch in einen Cafetier und kam nach Wien, um sein persönliches professionelles Café-Erlebnis zu schaffen. Auf die Frage, ob Wien nicht schon genug Kaffeehäuser hätte, antwortet er spontan: „Nicht solche wie das Balthasar und zirka 20 weitere von lieben Kollegen, wo Kaffee verstanden wird. In einer 2 Millionen-Metropole ist das keine Konkurrenz, im Gegenteil, wir schätzen uns und sind befreundet. So gesehen verstehe ich das Balthasar nicht als typisches Wiener Kaffeehaus. Das ist ein völlig anderes Geschäft.“ Fehlt es also an Kaffeekultur im Wiener Kaffeehaus? „Oft ist es bei der Kaffeequalität nur eine Verarsche. Im Prinzip könnten sie guten Kaffee machen. Es gibt gute Maschinen, gute Mühlen, auch wenn Industriekaffee verwendet wird, ist ein brauchbarer Kaffee möglich. Aber das passiert leider nicht überall, zum Leidwesen der Gäste“, so Bayer und weiter: „Beim Wein würde der Gast bei schlechter Qualität sofort aufschreien, bei Kaffee ist der Gast noch nicht so weit. Da ändert sich aber gerade viel. Langsam kommen Gäste auf den Geschmack, können unterscheiden – da hat Nespresso viel zur Bewusstseinsbildung und Geschmacksbildung beigetragen.“

Worum geht es dir beim Kaffee?

Nicht nur um die Kaffeequalität, die muss sowieso stimmen. Mir geht es um die unglaublichen sensorischen Möglichkeiten, die Kaffee bietet. Da ist viel mehr „Licht und kein Ende des Tunnels“, als viele vermuten. Sich auf die ganze geschmackliche Bandbreite einzulassen, bereitet mir einfach Freude. Auch immer mehr Gästen des Balthasar, bis hin zum Vorwurf, dass sie mit dem Kennenlernen des vielfältigen Geschmacks, nirgends mehr Kaffee trinken können. Dem ist erfreulicherweise nicht mehr so.

Worauf lässt man sich bei dir ein?

Die Qualitäten der Kaffeebohnen, mit denen wir arbeiten, kosten ein Vielfaches des industriellen Kaffees. Perfekt geröstete Qualitäten aus unterschiedlichen Anbauländern zu einem fairen Preis anzubieten und das Verkosten überhaupt zu ermöglichen, ist der „Spirit“ im Balthasar, wie auch der Kaffeebewegung in der Stadt. Meines Wissens wäre dies mit einem anderen Produkt als Kaffee kaum möglich. Die Personalkosten wären zu hoch.

Mit 1,90 für den Espresso und 2,90 für den Cappuccino ist der Preis mehr als fair, da geht sich ja ein Zweiter aus. Wie viel Gramm verwendest du?

Unterschiedlich. Die Hausmarke wird mit 21,5 Gramm eingespannt, der Single Origin mit 21 Gramm, der Kaffee aus Burundi mit 23 Gramm zubereitet. Die korrekte Grammatur zu finden, ist ein Akt des Ausprobieren.

Was bringt dir deine gastronomische Vergangenheit heute als Cafetier?

Kaffee ausschenken allein wäre zu wenig. Eine sorgfältige und machbare Dienstleistung dahinter ist ebenso wichtig. Deshalb trainieren wir strukturierte Abläufe, beschäftigen uns mit unserem Kaffee, probieren Rezepturen durch und arbeiten Standards aus. Dabei hilft meine langjährige Erfahrung in der Küche schon sehr. Weil auch Kaffee kein Zufallsprodukt sein darf.

Was hättest du mit deinem heutigen Wissen damals als Gastronom gemacht?

Ich hätte viel mehr ausprobiert, Filterkaffe am Tisch zubereitet, verschiedene Sorten angeboten oder mit kaltem Kaffee experimentiert.

Du sagst, allein geht gar nichts, wer sind deine Partner?

Goran Huber ist einer. Er hat mich zum Barista ausgebildet und dass es harte Arbeit ist, sich der Kaffeezubereitung zu nähern. Larifari geht da nicht. Am Anfang, weil ich es aus Küche und Keller gewohnt war, waren Herkunft, Lagen, Ernte, Verarbeitung keine Fremdworte. Dazu kam die Röstung, die wiederum eine hohe Kunst für sich ist.

Wer röstet für dich?

Hardy Wild. Er ist ein Kaffeeröster aus Garmisch-Partenkirchen, den mir Goran Huber ans Herz gelegt hat. Wildkaffee ist eine Klasse für sich und ein perfekter Partner. Hardy will es wirklich immer wissen. Wir haben mit Geisha-Kaffee experimentiert, einem extrem teuren Rohkaffee, von dem es nur minimale Mengen pro Jahr gibt. Normalerweise für Filterkaffee reserviert, aufgrund der floralen Aromen. Wir haben 20 kg für Espresso geröstet, davon reden die Gäste heute noch. Prinzipiell hat das Balthasar mit der No. 11 eine Hausmischung und -röstung, wie eine Reihe an Single Origins zur Auswahl, die vom Ursprung her nachvollziehbar sind. Hochwertiger Kaffee ist nicht selbstverständlich, deshalb zeigen wir Respekt für die Arbeit dieser Kaffeebauern.

Wie kam es zum Balthasar, wie auch zum Namen?

Der Name vom Großvater. Mein Sohn heißt mit zweiten Namen auch Balthasar. Eine naheliegende Entscheidung also. Die Praterstraße 38 hat sich ergeben und Wien überhaupt wegen der Liebe. Als Innenarchitektin hat meine Partnerin uns das Balthasar auch gleich gestaltet.

Mit welchen Geräten arbeitest du?

Wir hatten das Flaggschiff der florentinischen Marke La Marzocco – eine Strada. Seit drei Monaten arbeiten wir für unsere Espressi mit einer individualisierten Slayer Espresso aus Seattle. Ein Einzelstück, das jeden Prozessschritt getrennt ansteuert und das Ergebnis um 25 % verbessert. Die Präinfusion, die mal 20 Sekunden heißes Wasser ohne Druck förmlich auf das Kaffeemehl regnen lässt und erst dann kommt der Druck, ist faszinierend. In der Vorbrühphase lösen sich so unheimlich viele Aromen und man hat keine ungewollten Bitterstoffe im Extrakt. Die Extraktion dauert daher schon 50 bis 60 Sekunden. Filterkaffee servieren wir aus v60, Chemex oder Kaffee aus der AeroPress.

Mit welchen Mühlen arbeitest du?

Mit der limitierten Auflage der Mahlkönig ek43, die ist „State of the Art“, was Filtermühlen betrifft, da muss das Mahlgut gleichmäßig sein. Weiters mit der Mazzer Robur, die mit dem Kegelmahlwerk eine perfekte Mischung aus groben und feinen Partikeln mahlt, so wie es für den Espresso wichtig ist. Sie ermöglicht ein schönes Muster auf der Crema, und die Aromen kommen viel besser zur Geltung.

Das Heißwasser in der Slayer ist abgedreht, woher kommt das heiße Wasser?

Vorweg filtern wir das Wasser mit BWT und verwenden dann den Marco Boiler aus Irland. Mit genau 92 Grad für ein gleichmäßiges Ergebnis für unsere Tees und den Filterkaffee. Für den Verlängerten lassen wir heißes Wasser aus dem Boiler in die Tasse laufen, darauf kommt dann der Espresso. Direkt aus der Maschine wäre das Wasser zu heiß, da würde der Kaffee im Wasser verbrennen.

Du arbeitest seit Beginn mit einer Registrierkassa, mit welcher?

Mit Ready2order arbeite ich persönlich jeden Tag, und wir sind sehr glücklich über die Zusammenarbeit – weil’s wirklich gut funktioniert und für neue Mitarbeiter schnell lernbar ist und einfach, sich darauf einzulernen.

Keine Küche, doch eigene Speisen. Du lässt dich beliefern?

Ja. Baguettes kommen vom Felzl. Thum Schinken passt gut dazu. Vollreifes von Alexandra Gaggl und Süßes von der Tortenmanufaktur Zola. Ab Herbst gibt es handgemachte Tiroler Lebkuchen aus Innsbruck vom Peintner. Sensationell!

Wie bewirbst du das Balthasar eigentlich?

Gar nicht. Unsere Homepage ist puristisch. Aktuelle Information gibt’s auf Facebook. Mundpropaganda über meine Gäste. Wenn ein älteres Wiener Ehepaar nach einem Kaffee sich mit den Worten „Den Kaffee durften wir schon jahrelang nicht mehr so trinken!“, bedankt, dann ist das eine besondere Auszeichnung und Bestätigung für den Weg.