20ER JUBEL

TEIGTASCHERLGANG

Die Gyoza Brothers haben 2017 das Café Leopold im Museumsquartier übernommen. Mit Asia-Charme, feiner Karte und internationaler Ausrichtung erhielten die Gastro-Entwickler den Zuschlag auf zehn Jahre Pacht.

Text: Harald Schuster // Fotos: Rainer Fehringer

Das Quartett im Gespräch mit Harald Schuster Foto: Rainer Fehringer.

Es wurde schnell entschieden. In einer Nacht-und-Nebel- Aktion. „In der Zeitung stand, dass der interessierte Pächter vom Café Leopold abgesprungen sei, da haben wir uns beworben“, sagt Adam Gortvai, eines der vier Kleeblätter im Gastronomen-Quartett der Gyoza Brothers. Der Assessment-Prozess war mühsam, letztlich entschied sich das Leopold Museum und das Museumsquartier (MQ) aber für den Zuschlag an Tie Yang, Jun Yang, Dong Ngo und Adam Gortvai. „Wir haben in zwei Monaten alles umgebaut und dann aufgesperrt – inklusive Herzschlag-Finale.“ Eine Punktlandung auf die Sekunde.

Neues Kapitel

„Es ist alles neu“, sagt Gortvai, „außer Wand, Theke und Böden wurde alles umgebaut.“ Der größte Unterschied ist aber, dass das Leopold nicht mehr als Club ausgerichtet ist, sondern als Restaurant-Bar. „Die Partys stehen nicht im Vordergrund“, sagt Gortvai, dem die Erleichterung, dass alles in trockene Tücher gebracht wurde, anzusehen ist. Was war der Grund, eine Kaffee-Bar zu betreiben – nach den Erfolgs-Lokalen Ra’mien, Shanghai Tan und Ra’mien Go? Tie Yang: „Das war eine einmalige Chance, zum Café Leopold und dem Standort Museumsquartier kann man schwer Nein sagen.“ Die Versuchung war so groß, dass die Brothers ihre Vorsätze fallen ließen. In den vergangenen Jahren hat das Quartett nämlich vier Lokale aufgezogen und sich auch wieder von zwei – dem Café Mitte und dem Liebhart – getrennt. „Wir wollten es ruhiger angehen“, sagen sie unisono. Daraus ist aber nichts geworden.

Publikum & Fusion

Untertags kommen 80 Prozent Touristen ins Leopold. Abends kommen Wiener und Leute aus der Umgebung, die einen Drink nehmen und etwas essen wollen. „Wir haben uns gedacht, es fehlt ein Asiate“, beschreibt Tie Yang seinen Zugang zum Standort. „Von sieben Betrieben kann man hier in sechs Schnitzel essen – es war also Zeit für etwas Neues.“ Das Leopold Museum jedenfalls war vom Asia-Konzept mit internationaler Ausrichtung begeistert. Dong Ngo: „Hawaiianische Poke-Bowls, Sushi-Burritos oder das Asiatische Gulasch kommen sogar bei der Konkurrenz gut an – die Poke-Bowls etwa wurden bereits kopiert.“ Mit Katsu-Kare, japanischem Curry oder Spargel mit Miso-Sauce ist die Asia-Fusion-Welle sanft im MQ gelandet. Bonus vonseiten der japanischen Touristen gibt es dennoch keinen. Tie Yang: „Das braucht noch. Wir sind ja von null gestartet, haben fast alle Speisen neu kreiert.“ Einzig Bar-Klassiker wie das Bulgogi wurden übernommen. Und natürlich die Namen gebenden Gyoza – „aber gedämpft und nicht gegrillt“, ergänzt Ngo. Das ist leichter. Weniger fettig. Passt zum internationalen Publikum. Und zur Entwicklung der Brothers.

Warum Gyoza?

Die g’schmackigen Teigtaschen variieren von Japan bis Europa in Zubereitung und Namen. In China heißen sie Jiaozi, in Korea Mandu, in Japan eben Gyoza. „Sie verändern sich mit jedem Land, sind vielfältig – genau wie wir – das fanden wir cool“, erzählt Tie Yang und ist stolz auf die hauseigene Zubereitung der Taschen mit original importierten Küchen-Maschinen. Tie spricht auch im Namen seines leiblichen Bruders, Jun, der auf Geschäftsreise in China ist. Aber bei der Teigtaschen-Gang spricht jeder irgendwie im Namen eines jeden. Als Kollektiv kennen sie einander gut. „Dong und ich sind Kindheitsfreunde, und Adam ist ein wie ein Bruder“, sagt Tie. Weil sie unterschiedlich sind wie Gyoza und sich dennoch nahestehen wie Brüder, deshalb also der Spitzname Gyoza Brothers.

Just do it

Angefangen hat die Geschichte der Gastro-Brüder 2007 mit einer Nachbarschaft bei den Ständen beim Sommerkino am Wiener Rathausplatz, wo Gortvai noch fürs U4 werkte: „Als ich dann den Platzhirsch betrieb, bin ich zu den Jungs ins Ra’mien essen gegangen, das war ja gleich ums Eck, und sie sind zu mir in den Platzhirsch feiern gekommen.“ Essen und Feiern verband. Mit dem Ra’mien Go entstand 2012 aus der Freundschaft das erste gemeinsame Projekt. Gortvai: „Als ich durch Zufall von der Immobilie am Hohen Markt erfuhr, wurde aus der Plauderei über mögliche Projekte Ernst.“ Der Vorbesitzer wollte ein Internet-Café zu einer Trink-Bar umbauen. Dass das in der Wiener Innenstadt keiner braucht, davon war der ehemalige Szene-Gastronom Gortvai überzeugt. „Ich habe also die Jungs angerufen, wir haben ein Bier mir dem Vorbesitzer getrunken, und nach zehn Minuten haben wir das Lokal gekauft.“ Manche Dinge muss man eben tun, weil man sie tun muss. Vier erfolgreiche Standorte zählt das Ra’mien-Go-Konzept mittlerweile.

Vier gewinnt

Koordination und Arbeitsteilung im Quartett funktionieren perfekt. Jun Yang ist für Künstlerisches, Entwürfe und Planung zuständig. Ngo übernimmt alles Technische und Kulinarische. „Und das Operative machen wir beide“, sagt Tie Yang mit Blick zu Gortvai. Einen Oberchef gibt es nicht. „Dass Tie und Adam im Vordergrund stehen, passt mir ganz gut“, ergänzt Ngo fast schüchtern. Genau diese Verschiedenheit und dass jeder etwas Besonderes kann, half den Gyoza Brothers auch beim Gastro-Baby Café Leopold. Jeder half überall. Acht Wochen blieben ihnen, um Küche, Geräte und Sessel zu organisieren und alles zu verbauen. Tie Yang: „Wir hatten Druck, waren verpflichtet am 18. Mai aufzusperren, eine Pönale drohte. Die Lieferzeiten für das Equipment betragen normalerweise aber acht Wochen Minimum. Deshalb haben wir ohne Vertragsunterzeichnung gleich alles bestellt – auf eigenes Risiko“, sagt Yang. Ohne langjährige Partner aus Brauerei bis Küchenbau hätte es dennoch nicht geklappt, sagt Gortvai: „Keine Firma sagt dir zu, in sechs Wochen alles aufzubauen. Das war aber ein Muss.“ Die guten Kontakte machten es möglich. Eine Stunde vor der Eröffnung kam der letzte – nicht unwichtige – Teil für einen gesetzten Gastronomie-Betrieb: die Sessel.

Im Verbund

Jetzt ist es geschafft. „Wir laufen im Programm des Standortmarketings mit – eigene Akzente kommen aber sicher hinzu“, sagt Tie Yang. Möglichkeiten, wie etwa die eigene Dachterrasse zu bespielen, gibt es ja. „Auch den ehemaligen Club-Bereich kann man für einzelne Partys aufleben lassen, aber einen regulären Club-Betrieb wird es nicht geben“, so Gortvai. Jetzt konzentrieren sich die Gyoza Brothers auf das Wesentliche. Den Feinschliff bei der Karte. Auf den letzten Schuss Sexyness in der Deko. Und vor allem darauf, das Preis-Leistungs-Verhältnis bei den Leuten als ein Angebot zu verankern, das man mehrmals in der Woche gerne annimmt.

Fakten

LEOPOLD CAFÉ

Zur Sommereröffnung am 18. Mai 2017 wurde die Bar am Wasserbecken eröffnet. Seit 15. Juni 2017 hat das Café Leopold wieder eröffnet. Beim „Winter im MQ“ ist das Leopold mit eigenem Punschstand wieder aktiv.

INVESTITIONEN

Nach 15 Jahren Betrieb investierte die Leopold-Privatstiftung rund 400.000 Euro in Sanierung und Umbauarbeiten von Gästebereich, Küche, Sanitäranlagen, Beleuchtung und Lüftung. Innenarchitektonisch neu: Beleuchtungskörper, der hellgraue Gastraum, das Separée mit „Wiener Chinoiserien“. Die Bestuhlung wurde ergänzt durch neue Tische und Vitra-Design-Sessel.