20ER JUBEL

VOM GROSSSTADTDSCHUNGEL AUF DEN BERG

Max Natmessnig hat nach drei Jahren das angesagteste 3-Sternerestaurant von New York verlassen, um am Arlberg seine erste Stelle als Küchenchef anzutreten. Gemeinsam mit drei Mitstreitern gilt es, vor den Augen von maximal 20 Gästen ein großes Menü zu kochen, das aus vielen köstlichen Minigerichten besteht.

Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Marie-Luise Kriebitzsch

»Wie heißt es so schön: if you can’t stand the heat, don’t enter the kitchen« – MAX NATMESSNIG – Foto: Marie-Luise Kriebitzsch

Als Joschi Walch vor eineinhalb Jahren das Schualhaus aufsperrte und mit dem Chefstable im ersten Stock ein sehr modernes Fine- Dining-Restaurant eröffnete, staunte die heimische Gastro-Szene nicht schlecht. Das Schualhaus gehört zum Genießerhotel Rote Wand und ist über einen unterirdischen Gang verbunden. Im ersten Stock befindet sich ein Raum, der an das von Joel Robuchon erfundene L’Atelier-Konzept erinnert. Die Gäste sitzen rund um eine offene Showküche und erfreuen sich an vielerlei kleinen Köstlichkeiten. Mit Manuel Grabner hatte Walch damals einen jungen Küchenchef gefunden, der mit seinen auf regionale Zutaten fokussierten Gerichten auf Anhieb drei Hauben erkochte.

Als sich Grabner mit Ende der heurigen Wintersaison verabschiedete, um ein eigenes Projekt in seiner Heimat Oberösterreich zu verfolgen, war man gespannt, wer dieses außergewöhnliche Restaurant fortan bespielen würde. Mit Max Natmessnig ist Walch ein spektakulärer Coup gelungen, auch wenn der gebürtige Niederösterreicher bislang nur echten Insidern bekannt war. Der 29jährige Küchenchef hat die letzten sieben Jahre im Ausland verbracht. Zuerst ging er ins Oud Sluis zu Hollands begnadetstem 3-Sternekoch Sergio Hermann. Dann landete er nach einem einjährigen Gastspiel als Sous-Chef im New Yorker Nomad-Hotel bei César Ramirez im Chef’s Table at Brooklyn Fare – das ebenfalls mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist.

Joschi Walch kam bei einem New York Besuch mit ihm ins Gespräch und erfuhr, dass Natmessnig über eine Rückkehr in die Heimat nachdachte. Die Beiden wurden sich schnell einig und Anfang Juni übersiedelte Natmessnig nach Lech, oder, um genau zu sein, in dessen kleines Nachbardorf Zug, wo wir Natmessnig zum Interview trafen.

Statt Sirenen und Großstadtlärm hören Sie jetzt beim Einschlafen maximal das Rauschen des Baches. Vermissen Sie nicht etwas?

Max Natmessnig: Mir war von Anfang an klar, dass ich nicht ewig in New York bleiben würde, weil das Leben dort es auf Dauer sehr stressig ist. Aber wo geht man nach New York hin? Irgendeine mittelgroße Stadt kann es nicht sein. Wieso also nicht gleich das volle Kontrastprogramm und ab in die Berge? Ich bin erst seit drei Wochen hier, aber die Gegend ist einfach wunderschön und dass nicht dauernd Lärm um einen herum ist, war nur ganz am Anfang irritierend. Eigentlich ist die Ruhe ja wesentlich schöner. Vor allem aber war es das Angebot von Joschi Walch, die Küchenleitung im Schualhus zu übernehmen, die mich überzeugt hat, jetzt zurück in die Heimat zu kommen.

Wie ist dieses Angebot zustande gekommen?

Ganz einfach, Joschi Walch war bei uns im Brooklyn Fare essen und hat mit mir gesprochen. Als ich ihm gesagt habe, dass ich schon über drei Jahre hier bin und langsam über eine Rückkehr nach Österreich denke, hat er mir angeboten, zu ihm auf den Arlberg zu kommen. Wenn beide Seiten das Gleiche wollen, ist es eigentlich ganz einfach.

Das Küchenformat im Schualhus ist so ähnlich wie im Brooklyn Fare. Sie kochen mit ihrem Team vor den Gästen und servieren die Gerichte auch selbst. Das kulinarische Programm ist jedoch ganz anders, oder?

Natürlich, aber die Philosophie ist die gleiche. Das Konzept von César Ramirez ist es, das Beste, was es täglich am Markt gibt, möglichst frisch und originell auf den Teller zu bringen. Das machen wir hier auch. Wir beziehen die besten Produkte aus der Region und versuchen daraus, spannende Gerichte zu machen. Erfreulicherweise ist das Team von meinem Vorgänger Manuel Grabner geblieben, die in den letzten beiden Jahren die besten Lieferanten aus der Region kennen gelernt haben. So haben wir eine gewisse Kontinuität, was auch mir den Einstieg in die neue Umgebung erleichtert hat. Aber die Rezepte sind natürlich alle neu. Für mich ist das wirklich aufregend.

Bevor Sie zum César Ramirez nach New York gegangen sind, waren sie ebenfalls drei Jahre lang bei Sergio Herman im legendären Oud Sluis. Hätte Sie es nicht gereizt, wieder in einem internationalen Luxusrestaurant anzuheuern?

Nicht wirklich. Bevor ich zu César Ramirez kam, war ich ein Jahr lang als Sous-Chef im Nomad Hotel. Das war ein guter Einstieg für New York, aber das hätte mir auf Dauer nicht getaugt. Ich bin nur deshalb so lange im Brooklyn Fare geblieben, weil César ein derart genialer Koch ist und ich bis zum Schluss viel von ihm lernen konnte. Wir waren ja nur fünf Köche und haben auf engstem Raum gearbeitet, was nicht immer einfach war. Aber Restaurants in der Liga von Brooklyn Fare oder Oud Sluis gibt es auch weltweit betrachtet nur ganz wenige, und in irgendeinem Nobelhotel eine langweilige Luxusküche zu machen, hätte mir nicht getaugt. Wien wäre natürlich irgendwann eine Option gewesen, aber es muss ja nicht nur der Ort sondern auch die Partner passen. Mit Joschi Walch hat die Chemie auf Anhieb gestimmt.

Sie sind sowohl bei Sergio Herman als auch bei César Ramirez jeweils drei Jahre geblieben. Für einen jungen Koch, der die Welt sehen will, ist das relativ lange, oder?

Ich finde es wichtig, dass man als junger Koch ins Ausland geht und sich verschiedene Betriebe anschaut. Man lernt fremde Sprachen und Kulturen kennen und wenn man in einem guten Haus landet, lernt man auch kochtechnisch dazu. Ich habe sowohl bei Sergio Herman als auch bei Cesar Ramirez erlebt, dass manche Köche nur ein paar Monate geblieben sind. Auch die schreiben dann in ihren Lebenslauf, dass sie in diesen Betrieben gearbeitet haben. Aber ob man dabei fachlich viel mitnimmt, wage ich zu bezweifeln. Wenn man so wie ich länger bleibt, bekommt man auch Verantwortung übertragen und kann sich tatsächlich weiter entwickeln. Natürlich sollte man gehen, wenn es irgendwo gar nicht passt, aber man sollte nicht gleich beim ersten Gegenwind die Segel streichen. Weder Herman noch Ramirez würde ich in die Kategorie ‚einfache Chefs’ einordnen, aber sie sind beide zweifellos große Köche, die viel fordern aber dir auch viel geben. Wie heißt es so schön: If you can’t stand the heat, don’t go in the kitchen. Und in besonders aufregenden Küchen ist es manchmal eben auch besonders heiß.

Und von welchem der beiden Chefs haben Sie mehr gelernt?

Was die Kreativität betrifft, ist Sergio Herman einsame Spitze. Es ist unglaublich, auf welche Ideen er kommt und wie es ihm gelingt, in seinem Kopf ein Gericht bis ins letzte Detail zu konzipieren. Trial and Error gibt es bei ihm praktisch nicht. César Ramirez hat eine phantastische Technik und arbeitet mit einer Exaktheit, die wirklich bemerkenswert ist – fast schon japanisch. Aber dort haben wir anders als bei Sergio Herman sehr wohl gemeinsam neue Gerichte verkostet und dann auch verändert.

Wenn es um Chefs geht, die mich geprägt haben, muss man auch Heinz Reitbauer erwähnen, wo ich vor meinem Wechsel nach Holland zwei Jahre lang gearbeitet habe. Ohne das Rüstzeug, das ich im Steirereck mitbekommen habe, hätte ich es nicht geschafft, mich auf Anhieb in internationalen Top-Betrieben durchzusetzen. Außerdem widerlegt Heinz Reitbauer die These, dass große Köche anstrengende Chefs sein müssen.

Im Schualhus tischen Sie ihren Gästen – so wie im Brooklyn Fare – über ein Dutzend verschiedener Kleingerichte auf. Worauf kommt es bei so einer langen Menüfolge besonders an?

Ganz wichtig ist es, die Spannung bis zum Schluss zu halten. Deshalb muss jedes Gericht nicht nur für sich alleine funktionieren, sondern auch als Teil des Menüs Sinn machen. Nur gut schmecken, ist zu wenig. Wir bemühen uns, dass sich die Gerichte auch optisch und bezüglich der Textur voneinander abheben, damit die Gäste nicht ermüden. Jeder Gang soll aufs Neue die Neugierde wecken. Wir beschränken uns zwar bei den Grundzutaten auf Produkte der Region, weil das schließlich das Konzept des Restaurants ist, aber bei den Gewürzen gibt es natürlich keine Einschränkungen. So ein Restaurant ist nicht wirklich alltagstauglich, aber das soll es hier ja auch nicht sein. Dafür ist die Kreativität besonders gefragt und das reizt mich total.

Hoch konzentriertes Arbeiten am Chef’s Table im Rote Wand Schualhus

Geschmacksbombe in Grün

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