ALMGEFLÃœSTER

WACHSTUM AUF HÖHERER EBENE

Zum hundertsten Geburtstag haben Alfred und Franz Pierer die Leitung des elterlichen Betriebs übernommen. Das war vor 30 Jahren. Seither hat sich das ehemals beschauliche Ferienhotel zu einem ganzjährig bespielten Wellnesshotel entwickelt.  

Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Rainer Fehringer

Ein Ort zum Verlieben: Evelyn und Franz Pierer in ihrem neu errichteten Weintresor. Foto: Rainer Fehringer.

Die verschneite Winterlandschaft auf der Teichalm schaut aus wie im Bilderbuch. Auch das Hotel der Familie Pierer passt sich harmonisch in die idyllische Landschaft ein. Nur der Baukran wirkt zunächst wie ein Fremdkörper. Doch es gibt einen guten Grund, wieso er auch nach der Fertigstellung des neuen Küchengebäudes immer noch dort steht: Auf der anderen Straßenseite wird gerade ein zweites Mitarbeiterhaus gebaut. Der Familie Pierer liegt neben dem Wohlbefinden der Hotelgäste vor allem jenes der Mitarbeiter sehr am Herzen. 

Das war zu Beginn – also vor 130 Jahren – noch nicht so wichtig. 1893 hatten Maria und Franz Pierer nämlich noch (fast) keine Mitarbeiter. Sie betrieben während der Sommermonate eine kleine Jausenstation samt (bescheidener) Übernachtungsmöglichkeit. Außerdem erfreuten sich ihre Kühe auf den saftigen Wiesen, bunt gespickt mit Almkräutern. Das aktuelle Logo mit einer stilisierten Kuh zeugt noch heute davon. Um die Landwirtschaft kümmert sich mittlerweile der Onkel.

Ausflügler konnten einkehren, um sich hier zu stärken und – in einfachster Form – auch zu übernachten. Schrittweise hat sich der Betrieb ab den 1950er Jahren parallel mit der Teichalm entwickelt. Für den Winter hat man unter tatkräftiger Initiative der Pierers ein paar Skilifte errichtet, für den Sommer wurde in den 1970er Jahren der malerische Teich, der zuvor etwas sumpfig war, neugestaltet. Jetzt lädt ein lauschiger Uferweg zum Wandern ein. Einkehr hält man dann in der stimmungsvollen Latschenhütte, wo im Sommer jeden Dienstag eine große Party mit Livemusik steigt. Vor sechs Jahren haben die Pierers dann noch den Almerlebnispark eröffnet, in dem man gut gesicherte Abenteuer im Wald erleben kann. 

Foto: Rainer Fehringer.

Als Alfred und Franz Pierer 1993 den Betrieb von den Eltern übernommen hatten – der Vater musste sich aufgrund einer schweren Krankheit relativ früh zurückziehen – gab es immerhin schon ein richtiges Hotel mit Restaurant und dreißig Mitarbeitern. Heute sind es 150 Mitarbeiter, die sich neben dem Hotelbetrieb mit Wellnessbereich auch um den Almerlebnispark und die Latschenhütte kümmern. 

„Wir beziehen so gut wie alles aus der Region, je näher, desto lieber. Das hat gar weniger mit den Transportkosten zu tun, die im letzten Jahr dramatisch gestiegen sind. Wir haben schon immer so getickt“, meint Franz Pierer. Am liebsten würde der bekennende „Weinnarr“ auf der Teichalm auch Wein anbauen, aber das geht sich klimatisch (noch?) nicht aus. Deshalb hat die Familie vor ein paar Jahren beschlossen, in der Südsteiermark ein eigenes Weingut zu erwerben. Die Weine von alten Rebstöcken (Morillon und Sauvignon Blanc und Weißburgunder) schmecken vorzüglich. Um den Vertrieb müssen sich die Pierers keine Sorgen machen – sie werden ihnen von den Hotelgästen förmlich aus der Hand gerissen.

Der imposante “Weintresor” erstreckt sich über drei Ebenen. Foto: Rainer Fehringer.

Voller Stolz zeigt und Franz Pierer den neuen „Weinkeller“ des Hotels, der sich als über drei Etagen reichender Zylinder präsentiert. Früher war hier ein Felsen, der gesprengt werden musste. Ein Umbau birgt eben immer Überraschungen. Im Weinkeller reifen auch selbst angesetzte Schnäpse ihrem Genusshöhepunkt entgegen. Heuer soll ein eigener Wermut folgen. Für das Wermutkraut ist die Teichalm zu kühl, aber am Weingut im Gamlitz sollte es funktionieren. 

Das alles sind Spielereien, die davon zeugen, mit wie viel Freude die Pierers bei der Sache sind. Sie sind aber auch kühle Rechner, denn die Investitionen des vergangenen Jahres haben Millionen gekostet. „Wir kommen von der Arbeit. Das Rechnen ist erst später gekommen“, lacht Alfred Pierer, den wir gerade beim Servieren in der Latschenhütte treffen. Ein Kellner ist krankheitsbedingt ausgefallen und das Lokal ist gut gefüllt. Da packt der Chef auch gerne selbst an. Das gilt für die ganze Familie. Schwester Theresia werkt zumeist im Verborgenen – sie kümmert sich um die Buchhaltung. Evelyn Pierer, die Gattin von Franz, hat den Wellnessbereich über – ein Schlüsselbereich des Hauses, denn als Ganzjahresbetrieb hat der SPA-Bereich eine besonders wichtige Rolle. Mit „Almwellness“ hat Evelyn ein eigenes Programm entwickelt, bei dem die Almkräuter eine besondere Rolle spielen.

»Die Almkräuter spielen auch im Wellnessbereich eine zentrale Rolle.«

– EVELYN PIERER –

Dieses Thema wird auch für die Küche immer wichtiger. „Schon jetzt arbeiten wir viel mit Kräutern, die wir allerdings oft noch zukaufen müssen – wenngleich immer in Bio-Qualität. Sobald der Schnee geschmolzen ist, fängt der Landschaftsgärtner damit an, unseren eigenen Kräutergarten anzulegen. Darauf freuen wir uns schon riesig“, erklärt der langjährige Küchenchef Georg Stückelberger.

Womit wir beim aktuell wichtigsten Thema gelandet sind. Denn abgesehen von den beiden Mitarbeiterhäusern (das zweite wird in den kommenden Monaten fertig gestellt), hat der aktuelle Umbau vor allem die Küche betroffen. Küchenplaner Werner Redolfi hat für die Pierers eine neue Küche entwickelt, die alle Stückerln spielt – Panorama-Ausblick inklusive. „Wir sind in den letzten 30 Jahren Schritt für Schritt zu einem 4-Sterne Superior-Hotel mit 160 Betten gewachsen. Wir haben zwar auch laufend die Küche verbessert, aber irgendwann sind wir auch räumlich an Grenzen gestoßen. Es war Zeit für ein neues Küchenkonzept“, erklärt Alfred Pierer.

Reichmayrs Ziel: mit möglichst sparsamem Ressourceneinsatz das Optimum herausholen. Foto: Rainer Fehringer.

»Ich liebe es, täglich zu kochen, aber meine Aufgaben reichen viel weiter.«

– ROBERT REICHMAYR –

Geräte, Abläufe und Strukturen

Es wurde eine „große“ Lösung. Mit anderen Worten: Es wurde ein neues Gebäude errichtet, in dem sich Kühl- und Lagerräume befinden, ebenerdig gibt es ein eigenes Mitarbeiterrestaurant samt Sanitärbereich und Garderobe, im zweiten Stock dann die Küche, sowie Kühl- und Lagerräume. Bevor der Küchenplaner am Wort war, galt es, das gastronomische Konzept zu entwickeln. „Weil wir immer zu wenig Platz hatten, mussten wir in der Vergangenheit laufend improvisieren. Damit ist jetzt Schluss. Wir wollten wir eine Gesamtlösung für alle Betriebe, wobei der neuen Hotelküche eine zentrale Rolle zufällt, weil sie auch als Vorbereitungsküche für die Latschenhütte und das Outlet im Erlebnispark dienen sollte“, erklärt Franz Pierer.

Deshalb wurde auch die neue Position eines Küchendirektors geschaffen. Mit Robert Reichmayr, der nach mehr als 20 Jahren im In- und Ausland zurück in seine steirische Heimat wollte, konnte man diese Rolle optimal besetzen. Abgesehen von einer möglichst effizienten Bespielung der neuen Geräte ist er auch für Einkauf, Menügestaltungen, Mitarbeiterführung und alles was dazu gehört, verantwortlich. Einen besonderen Schwerpunkt stellt dabei das Thema Energie dar – nicht nur aufgrund der aktuellen Preise. 

Foto: Rainer Fehringer.

„Energieeffizienz stand schon bei der Planung im Fokus. Jetzt gilt es, das gesamte Potential optimal auszunutzen. Nur ein kleines Beispiel: Wir haben hier einen neuen „Druck-Kochtopf“ mit 160 Liter Fassungsvermögen. Damit kann ich also 160 Liter Gulasch in eineinhalb statt in sechs Stunden zubereiten – wir sparen also viereinhalb Stunden thermische Energie. Wir wollen dieses tolle Gerät möglichst oft benutzen, aber dafür braucht es natürlich eine genaue Planung, was wir wann in unseren verschiedenen Outlets verkaufen können“, erklärt Reichmayr.

Bleibt noch die Frage, wer so viel essen soll? Doch darüber müssen sich die Pierers allerdings keine allzu großen Sorgen machen. Obwohl ganzjährig geöffnet, erreicht das Almwellness-Hotel eine Ausleistung von stolzen 85 Prozent. Im Sommer kommen dann noch unzählige Ausflugsgäste dazu, die den Almerlebnis-Park und die Latschenhütte besuchen. Die meisten Tagesgäste kommen aus der Steiermark, das Hotel selbst ist in ganz Ostösterreich sehr beliebt: am Parkplatz sieht man Autos mit Niederösterreichischen, Burgenländischen und Wiener Kennzeichen. Die leichte Erreichbarkeit spielt dabei eine entscheidende Rolle. In weniger als zwei Stunden kann man vom Großstadtlärm in ein idyllisches Almleben wechseln.

»Das Rechnen ist erst später gekommen. Am Anfang hieß es buckeln.«

– ALFRED PIERER –

Alfred Pierer in der Latschenhütte, die liebevoll “LAHÃœ” genannt wird.

Fotos: Rainer Fehringer.

Ein gediegenes Entree gehört einfach dazu.

Fotos: Rainer Fehringer.

Fotos: Rainer Fehringer

NEUE DIREKTORIN AUS DER REGION

Als Rebecca Petz im Herbst 2021 zum Vorstellungsgespräch auf die Teichalm kam, war ihre erste Frage an die Familie: Was soll ich hier eigentlich tun, wenn alle Geschwister weiterhin im Betrieb mitarbeiten? Schließlich hat ja bis jetzt bestens funktioniert.

Der große Um- und Zubau, der unmittelbar bevorstand, hat die Brüder Alfred und Franz Pierer dazu bewogen, darüber nachzudenken, wie sie den Betrieb in den kommenden Jahren führen möchten. Wenn man von früh bis spät operativ im Einsatz ist, bleibt oft zu wenig Zeit, sich mit den strategisch wichtigen Dingen auseinander zu setzen. Ein zentraler Schritt bei der Neuaufstellung des Teams, war die erstmalige Besetzung des Postens des Hoteldirektors mit einer Person von außen. Geworden ist es dann eine Direktorin.     

Rebecca Petz stammt aus dem Murtal und hat neben der Ausbildung in der HLW Murtal schon während der Ferien Gastronomieluft in Service und Küche geschnuppert. Auch wenn ihr die Arbeit Spaß gemacht hatte, rieten ihr die Eltern, doch ein Jus-Studium in Graz zu machen. Der trockene Studienalltag hat ihr dann nicht so viel Spaß gemacht, wie ursprünglich gedacht. Außerdem war unerwartet ein kleiner Sohn auf die Welt gekommen.

Das Studium musste zunächst Pause machen, doch ganz untätig wollte beziehungsweise konnte die junge Mutter nicht sein. Also begann sie im nahe gelegenen Schloss Gabelshofen das Frühstücksservice zu machen – ein Job, der zeitlich mit der Mutterrolle vereinbar war. Dort entdeckte sie die Lust an der Gastronomie erneut. Auch die Frage nach persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten wurde positiv beantwortet.

Während sie als Assistentin in die neu geschaffenen Abteilung Marketing & Sales wechselte, absolvierte sie parallel dazu die entsprechende Ausbildung am WIFI. Dort folgte etwas später eine Ausbildung Hotel- & Tourismusmanagement.         

Es folgten fünf Jahre beim Projekt Spielberg, wo sie von der Assistentin der Geschäftsführerin über die Rezeption schlussendlich zur stellvertretenden Geschäftsführerin Hospitality aufstieg. Als dann die Position des Hoteldirektors in Schloss Gabelshofen vakant wurde, hat sie sich sofort dafür beworben und hat das ihr bestens bekannte Haus fast fünf Jahre erfolgreich geleitet. Doch irgendetwas Anderes wollte sie beruflich doch noch sehen. Da kam ihr die Ausschreibung der Position eines Hoteldirektors im Almwellness Hotel Pierer im Herbst 2021 gerade recht.

wer&was

ALMWELLNESS HOTEL PIERER SUPERIOR

www.hotel-pierer.at

LATSCHENHÃœTTE “LAHÃœ”

www.latschenhuette.at

ALMERLEBNISPARK TEICHALM

(nur im Sommer geöffnet)