20ERJUBEL
ZIELSTREBIGER GIPFELSTÜRMER
Text: Wolfgang Schedelberger
Den Ehrgeiz und die Liebe zum guten Essen hat Benjamin Parth wohl von seinem Vater Alfons geerbt. Der frisch gekürte Koch des Jahres hat als Küchenchef des Restaurants Stüva im elterlichen Hotel Yscla dazu beigetragen, dass sich Ischgl in den letzten zehn Jahren zu einer absoluten Feinschmecker Destination entwickelt hat. Am Ziel sieht er sich jedoch noch nicht.
Benjamin Parth. Foto: beigestellt.
Hummer am Berg – muss das sein? In den meisten Fällen darf man diese Frage getrost verneinen, weil weder Qualität noch Zubereitung überzeugen. Bei Benjamin Parth sieht die Sache jedoch anders aus. Sein Hummerschwanz in Dashi-Sud ist eines der verführerischsten Meeresfrüchte-Gerichte des Landes. Auch Taschenkrebse, Langostinos und Jakobsmuscheln sowie Seezunge und Rotbarbe findet man regelmäßig im Degustationsmenü des vor wenigen Tagen von Gault Millau zum Koch des Jahres 2019 gekürten Küchenchefs. „Ich weiß, ich bin da ein bisschen extrem, aber ich will einfach das Beste erreichen, und dafür muss man mit den besten Zutaten arbeiten. Ich koche ja nicht mit irgendwelchen Meeresfrüchten, sondern bekomme von Rungis die beste Ware, die in Europa verfügbar ist. Die ist bei uns genauso frisch wie in London, Paris oder Mailand. Und zu einer großen Küche gehört für mich Meeresfisch einfach dazu“, erklärt Parth selbstbewusst.
Regionalität ist relativ
Es ist nicht so, dass Parth heimische Produkte geringschätzen würde. Sein Signature-Dish ist ein Saiblingsfilet mit Erdäpfeln und Enzianschaum, das wie kein zweites Gericht den unverwechselbaren Geschmack der Alpen auf den Punkt bringt. Die Kartoffeln kommen zwar aus Frankreich, der hocharomatische Enzian stammt jedoch aus dem benachbarten Galtür. Und den Saibling liefern die Sicher-Brüder aus Kärnten. Auch heimische Pilze und Wild sind stets willkommen. Natürlich kocht Parth im Sommer auch mit frischem Gemüse aus der Heimat. Doch bei ihm geht Qualität immer vor Herkunft. „Wir leben in einer wunderschönen, schlussendlich aber sehr kargen Umgebung. Bis vor hundert Jahren hatten die Einwohner von Ischgl am Ende eines langen Winters gehungert. Speck und Käse wurden vor allem deshalb produziert, um Fleisch und Milch haltbar zu machen, wenn es monatelang nichts anderes gab. Wenn ich wirklich regional kochen würde, wäre das ein relativ bescheidenes Mahl“, erklärt Parth.
Erst mit dem Tourismus kam der Wohlstand ins Paznaun. So gut wie alles, was heute in Ischgl gegessen (und getrunken) wird, muss von woanders geliefert werden. Wenn JRE-Kollegen wie etwa Josef Floh aus Langenlebarn eine radikal regionale Küche umsetzen, nötigt ihm das zwar Respekt ab, doch sein Zugang zum Kochen ist ein anderer. Das zeigt sich auch bei jenem Gang, bei dem Parth am wenigsten zu tun hat. Der Käsewagen im Stüva ist mit den besten französischen Käsen von Maitre Anthony bestückt, lediglich der Edelweiß und der Bergkäse aus dem benachbarten Galtür ergänzen das internationale Angebot, für das seine Frau Sarah verantwortlich ist. Die gebürtige Tirolerin hatte an der Rezeption des Yscla begonnen und sich – nachdem sie und Benjamin zusammengefunden haben – Schritt für Schritt in die kulinarische Welt der feinen Dinge eingearbeitet. Heute leitet sie den Service und ist für Wein und Käse verantwortlich. In diesem Winter wird Sarah wohl etwas kürzer treten, weil Nachwuchs unterwegs ist. In der Küche wird Parth schon länger von seinem Souschef Philipp Berger und einem kleinen Team von sechs weiteren Mitarbeitern unterstützt.
Wettbewerb und Kollegialität
Natürlich stehen die Gourmet-Restaurants in Ischgl in einer gewissen Konkurrenz zueinander, der nicht zuletzt von den Hoteliers befeuert wird. Alle Top-Restaurants von Ischgl befinden sich schließlich in luxuriösen Beherbergungsbetrieben. Neben dem Stüva im Yscla (18 Punkte Gault Millau) sind noch die Schlossherrenstube im Schlosshotel (Gustav Jantscher, 17 Punkte), das Stiar im Hotel Silvretta (Gunther Döberl, 16 Punkte) und natürlich die Paznauner Stube im Trofana Royal (Martin Sieberer, 18 Punkte) zu nennen. Die Paznauner Stube war vor 20 Jahren überhaupt das erste Restaurant in Ischgl, das mit einer Haube ausgezeichnet wurde. Und Martin Sieberer wurde im Jahr 2000 auch als erster Ischgler Küchenchef von Gault Millau zum Koch des Jahres gekürt. Doch trotz dieser Wettbewerbs-Situation ließ es sich „Altmeister“ Sieberer nicht nehmen, bei Parths Feier zum Koch des Jahres auf der Idalp das Menü für seinen jungen Kollegen und Freund zu bestreiten.
„Martin Sieberer hat viel für unseren Ort getan und Pionierarbeit geleistet. Dass in den letzten 20 Jahren immer mehr Gourmets nach Ischgl gekommen sind, hat auch mit ihm zu tun. Denn um sich als Gourmet-Destination zu positionieren, braucht es mehr als nur ein oder zwei tolle Restaurants. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass mein Nachbar Peter Zangerl in seinem Hotel Silvretta mit dem Stiar vor zwei Jahren auch ein großartiges Restaurant geschaffen hat. Das nimmt uns kein Geschäft weg, sondern bringt im Gegenteil langfristig mehr Geschäft für alle“, ist Alfons Parth überzeugt. Benjamins Vater ist nicht nur engagierter Hotelier, sondern hat als Obmann des Tourismusverbandes Paznaun das Wohl der gesamten Region im Auge. Außerdem ist er bekennender Gourmet, der seit Jahrzehnten die besten Restaurants Europas besucht.
Hauptsache Geschmack
„Mein Vater ist mein größter Förderer und zugleich mein größter Kritiker“, weiß Benjamin Parth. „Er hat mich stets gefordert, den nächsten Schritt zu gehen. Dafür waren die gemeinsamen Reisen zu den besten Köchen Europas unverzichtbar, weil man als Koch beim Besuch eines großen Restaurants immer etwas mitnimmt. Wenn man bewusst isst, lernt man immer dazu. Manchmal auch, wie man etwas nicht macht“, schmunzelt Parth.
Es gibt nur wenige Restaurants in Österreich, in denen man eine derart geschmacksintensive Küche erlebt, wie im Stüva. Auch exotische Gewürze aus Fernost kommen dabei zum Einsatz. Gerade in Kombination mit Meeresfrüchten ist es immer ein schmaler Grat, damit die intensiven Gewürze nicht das zarte Aroma der Fische, Krebse und Muscheln überdecken, diesen Grat meistert Parth stets mit Bravour. Von einer mutigen Hand beim Würzen will Parth dennoch nichts wissen. „Wenn man weiß, was man tut, ist es nicht mutig. Das ist beim Kochen nicht anders als beim Bergsteigen“, erklärt Parth und ergänzt: „Man muss halt abschmecken können.“
Gleichzeitig richtet Parth seine Gerichte erstaunlich zurückhaltend an. Seine Teller sind zwar schön anzusehen, aber niemals theatralisch inszeniert. Und auch das Restaurant ist im Gegensatz zu anderen Gourmet-Tempeln erstaunlich dezent eingerichtet. Nichts soll vom Geschmack ablenken.
Sport gehört dazu
In jungen Jahren träumte der kleine Benjamin davon, einmal Fußballer zu werden, doch daraus wurde nichts. Doch Snowboarden tut er bis heute leidenschaftlich. „Ich brauche die Bewegung an der frischen Luft. Zur Seilbahn gehe ich ja nur zwei Minuten, also versuche ich, zumindest eine Abfahrt in meinem Tagesablauf unterzubringen“, meint Parth. Im Sommer verzichtet er auf die Seilbahn und fährt mit dem Mountainbike (ohne elektrische Unterstützung!) auf den Berg. Doch als Arbeitsplatz hat Parth die Küche und nicht den Sportplatz (oder die Piste) gewählt, was er nicht bereut.
Seine Lehrjahre hat er von 2004 bis 2006 bei Heinz Winkler in dessen Residenz Aschau verbracht, wo er die große klassische Küche gelernt hat, die bis heute die Grundlage seiner Küche geblieben ist. Heinz Winkler ließ es sich übrigens nicht nehmen, zur Feier zum Koch des Jahres anzureisen. Danach ging Parth in den Zwischensaisonen immer für ein paar Monate zu anderen Spitzenköchen. So war er 2008 bei Santi Santamaria im Can Fabes und in der L’Auberge de l’Ill bei Marc Haeberlin und 2009 bei Sven Elverfeld im Aqua in Wolfsburg. „Jeder dieser Küchenchefs hat seine eigene, unverwechselbare Handschrift, was einfach unverzichtbar ist, wenn man ein Spitzenkoch werden will. Und das will ich. Deshalb will ich mich auch nicht auf Themen wie Regionalität oder Gemüse beschränken. Mir geht es immer um möglichst viel Geschmack, der das Grundaroma eines möglichst tollen Produkts voll zum Ausdruck bringt“, so Parth.
Seit 2008 führt er das Stüva und entwickelt es laufend weiter. Angefangen hat er vor zehn Jahren mit 14 Punkten und einer Haube, aktuell sind es bei Gault Millau 18 Punkte und drei Hauben. Eigentlich ist der frischgebackene Koch des Jahres am Gipfel angekommen, doch er sieht sich noch nicht am Ziel seiner Träume. „Die vierte Haube sollte schon auch noch kommen“, erklärte Parth selbstbewusst, als er von Karl und Martina Hohenlohe über seine Zukunftspläne angesprochen wurde.