IM FOKUS
SUN VIBES & SUMMER FEELINGS
Come on over, have some fun, dancin’ in the mornin’ sun, look into the bright blue sky, come and let your spirit fly, livin’ it up this brand new day, summer sun, it’s time to play …
Text: & Fotos: Jürgen Schmücking
„in Gin gebeizter, Sous-vide-gegarter Saibling auf Eierschwammerl“.Â
Foto: Jürgen Schmücking
Jede und jeder kennt diesen Song. Jede und jede könnte sofort mitsingen und hat kraftvolle, warme Bilder im Kopf. Kaum ein anderer Song hat die Kraft, uns so unvermittelt in Sommerstimmung zu versetzen. Wir haben uns gefragt, ob Essen das auch schafft und haben uns auf die Suche nach der kulinarischen Seele des Sommers gemacht. Fündig wurden wir bei drei Meisterinnen des Handwerks: Theresia Palmetzhofer, Clara Aue und Parvin Razavi.
Die Birne und die Palme
Für Theresia Palmetzhofer haben wir uns entschieden, weil sich eines der Gerichte, die sie bei einem Sommerfest im Mostviertel serviert hatte, mit Vehemenz im Stammhirn des Autors festgekrallt hatte und von dort nicht mehr wegzubekommen war. Anders formuliert: eine kulinarische Erinnerung fürs Leben! Genau genommen waren es zwei Gerichte. Zum einen die Mostello-Birne mit gepufftem Emmer-Reis, zum anderen ein Saibling. Aber der Reihe nach.
Die Birne ist ein süß-säuerlicher Starter und kann mit allerlei Alm- und Wiesenkräutern angerichtet werden. Die Birne selbst sollte zwar reif, aber noch mit markanter Säure ausgestattet sein, der Mostello, in dem sie mariniert wird, sollte auch Mostello sein. Das ist ein sherryähnlicher Obstdessertwein aus Birnen, bei dem Birnenmost während der Gärung mit einem Birnendestillat versetzt wird. Danach kommt er für längere Zeit in ein Fass, um zu reifen. Der Mostello-Birne, also dem Gericht, gibt er einen ordentlichen Kick Kraft und Aroma. Ein – scheinbar – einfacher und doch unglaublich eindrucksvoller Gang. Dann aber der Saibling. Konkret „in Gin gebeizter, Sous-vide-gegarter Saibling auf Eierschwammerl“. Bumm.
„Eigentlich wollten wir die Saiblinge zum Gin in den Brennkessel hängen“, sagt Palmetzhofer und lacht (vermutlich, weil ihr das Gesicht des Brennmeisters wieder in den Sinn kam, als sie ihm von ihrer Idee erzählte). Stattdessen wurden die Filets für 24 Stunden in Gin eingelegt, was zu einer beachtlichen Veränderung führt. Einerseits wird der Saibling dadurch leicht mürbe, andererseits nimmt er klarerweise auch den typischen Wacholderton des Gins an. Und weil Josef Farthofer, so heißt der Brenner, bei der Komposition seiner Botanicals für den Gin in die Vollen greift, sind da auch Zitrus- und Kardamom-Noten, die der Saibling dann bietet. Nicht gerade alltäglich, aber ausgesprochen frisch und köstlich.
Die Eierschwammerl, DAS Hochsommerschwammerl schlechthin, werden in der Pfanne geröstet und runden das Gericht ab. Am Teller ergibt das ein Potpourri an Frische, Harmonie und Sommergefühl. Es erinnert nicht gerade an Palmen, Strand und Meeresbrise, dafür aber an Bergseen und alpine Höhenwanderwege. Wer Theresia Palmetzhofer erleben will, fährt einfach nach Neuhofen an der Ybbs. Hier kocht sie in ihrem Gasthaus zur Palme ein von regionalen Produkten inspiriertes Menü vom Feinsten und von Gault&Millau mit drei Hauben prämiert.
Ebenfalls unter der Haube (eigentlich sogar unter zwei) ist Clara Aue vom Gralhof am Weissensee. Hier ein paar Worte zum Ort. Vor allem, weil es ein besonderer Ort ist, der die Arbeit von Clara Aue prägt. Aber auch umgekehrt. Als „Newcomerin des Jahres“ bei Gault&Millau im vergangenen Jahr trägt sie auch maßgeblich zur Identität des Gralhofs bei. Der Gralhof ist ein etwa 500 Jahre alter Hof am Ufer des Weissensees. Die Knallers, die Betreiber des Gralhofs, sind Pioniere der Biolandwirtschaft und werden am laufenden Band für ihre Leistungen in Bezug auf Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Das Haus liegt an einem der schönsten Seen und ist prädestiniert für einen ausgedehnten Sommerurlaub. Auch kulinarisch.
Eigentlich arbeitet Clara Aue gerne mit Fleisch. Am liebsten mit ganzen oder zumindest halben Tieren. Da kommt ihr entgegen, dass Michael Knaller, der Wirt, auch Landwirt und Jäger ist und im Gralhof fast ausschließlich Fleisch von den eigenen selbst er legten Tieren auf den Teller kommt. Clara kann aber nicht nur Fleisch. Ganz im Gegenteil. Zwei Gerichte haben es uns angetan. Das eine ist einfach ein Bulgursalat, das andere eine geschmorte Tomate. Das klingt aufs Erste profan, dahinter stecken aber zwei hochspannende Sommergerichte.
Beginnen wir mit dem Bulgursalat. Eine Taboulé, ein orientalischer Bulgursalat mit mediterranem Touch: also mit Pomodore secchi und Pinienkernen, getoppt mit zwei Datteln, die mit Manouri, dem griechischen Frischkäse aus Schaf- oder Ziegenmilchmolke, und jeder Menge Kräutern aus dem Gralhofgarten. Feta kam für Clara Aue übrigens nicht infrage. Der würde mit seiner Wucht und Salzigkeit bei dem Gericht die Aufmerksamkeit auf die falsche Stelle lenken. Claras Bulgursalat lebt von Harmonie und Ausgewogenheit. Und von der Frische und Vielfalt der Kräuter. Die da wären: Schafgarbe, Kerbelblüte, Thymianblüte oder Frauenmantel. Erstaunlich, was so ein gepflegter Kräutergarten hinterm Haus zu bieten hat. Früher war der Salat ein kleines Amuse gueule, kam bei den Gästen aber so gut an, dass es zu einem vollwertigen Gang weiterentwickelt wurde.
Das zweite Gericht ist eine Schmortomate. Angelehnt an die leicht geschmorten Cherrytomaten, nur eben eine Spur wuchtiger: Ochsenherzen. 50 Minuten kommen sie bei 120 Grad ins Rohr, werden dann, wenn sie leicht angetrocknet sind, in Knoblauchöl mariniert und später dann mit Petersiliengremolata angerichtet. That’s it. Und es ist großartig.
Der orientalische Wirbelwind
Die Dritte im Bunde ist Wienerin. Nein, stimmt nicht. Das ist nur die halbe Wahrheit. Parvin Razavi ist in Teheran geboren und kam mit ihrer Familie 1985 nach Wien. Seit sie sich ihrer großen Leidenschaft, dem Kochen, verschrieben hat, stellte sie so einiges auf die Beine: einen höchst erfolgreichen Foodblog (thx4cooking), ein paar großartige Bücher („Vegan Oriental“ und „Teheran – Die Kultrezepte“), ein Catering-Unternehmen und Auftritte als Köchin in Fernsehshows. Dem Dogenhof und der Hausbar drückte sie ihren Stempel auf, und jetzt macht sie ihr eigenes Ding – als Küchenchefin im stylischen &flora in Wien-Neubau. An ihrer Seite ein hochmotiviertes Team an Mitarbeiterinnen.
Als „Sommerküche“ geht mehr oder weniger das gesamte Menü von Parvin Razavi durch. Mit allem, was man mit „Sommerküche“ assoziiert. Also Leichtigkeit, Finesse und Feingliedrigkeit, Frische und Eleganz. Bei Parvin kommen orientalische Einflüsse hinzu. Wobei ihr wichtig ist zu sagen, dass sie nicht persisch kocht. Wohl aber persische Zutaten und Ideen verwendet Granatapfelkerne zum Beispiel. Aber das nur nebenbei. Viel wichtiger ist die filigrane Komposition, die sich durch die Gerichte im &flora zieht.
Da wird als Marinade mit einer Reduktion aus Orangensaft und Safran gearbeitet oder Rohmilch aus biodynamischer Landwirtschaft zu Ricotta und der wiederum zu einem sensationell guten Gericht verarbeitet. Parvin hat eine Leidenschaft für bestimmte Produkte. Fleisch wird im &flora zwar nicht verteufelt, eine besonders große Rolle spielt es aber nicht. Und wenn Fleisch verwendet wird, dann ordentliches. Sprich hochwertige Qualität. Das Tatar vom X.O. Beef ist etwas, das man zum Beispiel einmal probiert haben sollte.
Mit größter Wahrscheinlichkeit wird es dann eh nicht bei „einmal“ bleiben. Wir zählen das Beef jetzt einfach zur Kategorie „Sommerküche“. Eigentlich liegt der Fokus in Parvin Razavis Küche nämlich eher auf Gemüse und Kräutern, ohne dabei aber dogmatisch vegan zu sein. Oft gilt bei den Gerichten die Philosophie „… eine Zutat weniger, und es wäre vegan“. Gemeint sind damit unter anderem Käse oder andere Milchprodukte, die immer wieder Parvins Gerichte bereichern. Sei es die Belper Knolle, der selbst gemachte Ricotta oder Labneh, der herrlich cremige, levantinische Frischkäse.
Dass Parvin Razavi trotz ihrer Leistung und Umtriebigkeit so vehement unter dem Radar der heimischen Restaurantführer flog, kann eigentlich nur als Irrtum gewertet werden. Mit dem &flora wird sich das jedenfalls schnell ändern.
Uns ging es bei dem Beitrag um zweierlei. Natürlich um eine Küche, die für Summer Feelings und Sun Vibes sorgt. Aber auch – und vor allem – darum, drei junge Frauen ins Rampenlicht zu stellen, die sich ihren Platz auf der kulinarischen Bühne des Landes erkocht haben. Ladies, the stage is yours!
Die Resi, die Wiese und der Fisch.
Clara Aue
Als „Sommerküche“ geht mehr oder weniger das gesamte Menü von Parvin Razavi durch.
Leichtigkeit, Frische und Eleganz prägen die Gerichte im &flora.
Heller Innenraum, am Dach ein Kräutergarten, links eine Bar. Eine urbane Wohlfühloase, die keine Wünsche offenlässt.
Adressen
GASTHAUS ZUR PALME
Marktplatz 6
3364 Neuhofen an der Ybbs
BIO-HOTEL GRALHOF
Neusach 7
9762 Weissensee