20ERJUBEL

DAS PRODUKT IST BEI UNS DER STAR

Der Spitzenkoch Alex Mayer scheint als Edelgreißler an prominenter Adresse eine Betätigung gefunden zu haben, die seiner Vorstellung von Kulinarik restlos entspricht. Kochen tut er dort natürlich nach wie vor –, aber anders als zuvor in Restaurants.

Wolfgang Schedelberger // Fotos: Rainer Fehringer

Ausnahmsweise am Chef‘s Table aus handgefertigten Keramik-Fliesen: Nathalie Le Reun und Alex Mayer in bester Laune. Foto: Rainer Fehringer.

Das Qualitätsverständnis ist ein Thema, das immer wieder für Zwist zwischen Küchenchefs und Gastronomen sorgt und in der Vergangenheit auch für das eine oder andere vorzeitige Ende eines Mayer-Gastspiels verantwortlich war. Auch wenn Mayer ein eher gemütliches Wesen hat, kennt er bei der Güte von Lebensmitteln keine Kompromisse. Lieber lässt er sich die Finger abschneiden, als mit minderwertigen Produkten zu kochen. Wenn er mit der Aufforderung „Die Gäste schmecken das eh nicht“ konfrontiert wurde, antwortete er stets: „Aber ich schmecke es.“ Dann ging er. Das brachte ihm den Ruf eines schwierigen Kochs ein, der nicht kalkulieren könne, doch dem widerspricht Mayer entschieden. Egal, wo und was er kocht, stets weiß er, wie man rechnen müsse, doch wenn man nur ein Budget für einen Volkswagen habe, könne man nicht Ferrari fahren. 

„Mir macht das Kochen mit Erdäpfeln und Schweinebauch genauso viel Spaß, wie mit Meeresfischen und Kaviar. Aber dann muss es auch das beste Schweinefleisch und frisches Gemüse von kleinen Produzenten sein. Meine Frau Nathalie stammt aus der Bretagne, wo ich die besten Meeresfrüchte der Welt kennengelernt habe. Mit billiger TK-Ware koche ich einfach nicht. Das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern mit Respekt vor dem Produkt und dem Gast“, redet sich Mayer schnell in Rage, wenn er als weltfremder Luxuskoch kritisiert wird.

Küchenchef – Privatkoch – Edelgreißler

So wie bei seinem letztem Engagement im exzentrisch gestalteten Blue Mustard hatte es Mayer zumeist mit branchenfremden Investoren zu tun, die sich ein Restaurant mit anspruchsvoller Küche gewünscht hatten, und ihn aufgrund vergangener Auszeichnungen (u. a. drei Gault-Millau-Hauben, ein Michelin Stern) engagierten. „Leider suchen sich immer wieder branchenfremde Investoren die Gastronomie als Betätigungsfeld, weil sie glauben, dass man hier schnell gutes Geld verdienen kann. Natürlich muss man jedes Restaurant profitabel führen, aber wirklich erfolgreich bist du nur, wenn du ein Lokal über viele Jahre aufbaust und etablierst“, meint Mayer. Bis auf wenige Ausnahmen hatte Mayer zumeist mit branchenfremden Unternehmerpersönlichkeiten zu tun. Doch auch wenn es im Hintergrund mitunter Brösel gab, im Gastraum herrschte stets eitel Wonne, wenn Mayer aufkochte. 

Seine Fans folgten ihm vom legendären Theatercafé hinauf zum Pfarrwirt nach Döbling, in ein Minilokal in die Gumpendorfer Straße (Martin), in ein skurril-elegantes Restaurant in die Leopoldstadt (Vincent), einen Sommer lang an den Attersee (Häupls), in einem ehemaligen Ristorante im Botschaftsviertel auf der Wieden (Diverso) sowie in die doch sehr schräg eingerichtete Restaurant-Bar Blue Mustard in der Dorotheergasse, wo Mayer ein knappes Jahr blieb. Seit Sommer 2017 war Mayer ohne fixes Engagement, was jedoch nicht bedeutete, dass er stempeln gehen musste. Mayer kochte regelmäßig im privaten Rahmen – dank seiner großen Fanbase war die Nachfrage stets sehr hoch.

Mayer & Freunde

Vergangenes Jahr trat wieder ein „branchenfremder“ Investor an Mayer heran, um ihm ein gemeinsames Projekt schmackhaft zu machen. Diesmal stimmten die Voraussetzungen. Zum einen handelt es sich beim Wiener Anwalt Daniel Gahleithner um einen langjährigen Freund. Zum anderen war eine seriöse Finanzierung samt langfristigem Businessplan gewährleistet. Und auch die prominente Adresse keinen Steinwurf vom Stephansdom entfernt, schien für das Projekt einer Edelgreißlerei perfekt zu sein. 

Der Name „Mayer & Freunde“ hat mehrere Aspekte. Zum einen soll er darauf hinweisen, dass er mit vielen seiner Produzenten befreundet ist. Zum anderen ist es eine Anspielung, dass Alex Mayer auch mit zahlreichen Stammgästen gut befreundet ist, für die das scherzhaft ausgesprochene „Lokalverbot“ zur höchsten Anerkennung gehört. Und dann soll der Name auch zeigen, dass es sich beim Lokal um ein Gemeinschaftsprojekt zweier Familien handelt. Alex Mayer und seine Nathalie, die jetzt Vollzeit im Geschäft mitarbeitet, sowie Daniel Gahleithner und seine Martina betreiben das Unternehmen gemeinsam. 

Die strenge Gewerbeordnung führte dann doch noch zu einer geringfügigen Verzögerung, weil man sich zusätzlich um eine vollwertige Gastronomie-Konzession bewarb, auch wenn das Mayer & Freunde eigentlich kein Restaurant ist. Es gibt zwar täglich ein kleines Mittagmenü, aber nur so lange der Vorrat reicht. Danach gibt eine Handvoll kalter Gerichte sowie drei, vier warme Speisen, die mit Hauben- oder Sterneküche jedoch nichts am Hut haben. 

Ein kulinarischer Eckpunkt bei den warmen Speisen sind Brühwürste, die bevorzugt aus Bayern kommen. Schon zum Klassiker geworden sind die Wallner-Weißwürste, die es außer in München nur noch bei Mayer & Freunde gibt. So viel zum Vorwurf, bei Mayer handle es sich um einen maßlosen Luxuskoch, der nur mit Edelprodukten kochen will. „Leider fehlt vielen Menschen das Bewusstsein, was Qualität eigentlich bedeutet. Wenn ich die beste Kalbspariser des Landes vom Seidl aus Neunkirchen verwende, dazu ein Kernöl vom Schiefer, Gurkerln von Maison Marc aus Frankreich und ein frisches Ei vom Bio-Bauern, dann ist das ein wunderbares Gericht jenseits von Hummer oder Kaviar“, so Mayer. 

Vor der Eröffnung hat Manfred Klimek bei der Zusammenstellung des Weinangebots geholfen, jetzt ist mit Andy Lux fix ein Sommelier an Bord. „Wir lieben Natural Wines, wollen aber niemanden zwangsbeglücken. Innovative „Underdogs“ aus Österreich, Italien, Deutschland und Frankreich gibt es bei uns auch glasweise. Champagner natürlich auch. Und weil es zu den Würsten einfach am besten passt, haben wir auch meine bayerischen Lieblingsbiere im Angebot“, umreißt Mayer das flüssige Angebot. 

Bei den Delikatessen selbst fällt die breite Auswahl an Sardinen in Dosen auf. Bei den restlichen Produkten – Oliven, Essige und Öle, Pasta – sowie Schinken, Speck, Würste und Käse ist das Angebot recht eingeschränkt – und zwar ganz bewusst. „Wir haben nur ausgesuchte Delikatessen von kleinen Produzenten und die sind nicht unbegrenzt verfügbar. Wenn der Speck von einem Bauern aus ist, kommt der nächste dran“.

Großes Menü auf Anfrage

So ganz ohne große Küche will es der ehemalige Sterne- und Hauben-Koch jedoch auch an der neuen Adresse nicht angehen, doch verfolgt er dabei das Konzept, das ihm schon als Privatkoch getaugt hat. Ab acht Personen und zumindest fünf Gängen kann man ab 19 Uhr den Chef’s Table exklusiv buchen. 

Das Menü wird jedes Mal individuell besprochen und zusammengestellt. Dazu kommen noch Gastauftritte befreundeter Köche, die in loser Folge rund einmal im Monat stattfinden. Juan Amador war schon da, für heuer haben sich bereits Paul Ivic, Konstantin Filippou und Hubert Wallner angesagt. 

Das Ganze soll stets eine zwanglose Runde in entspanntem Rahmen sein. Und mit maximal 20 Plätzen muss sich Mayer auch nicht um die Vermarktung sorgen. Dafür reicht die Mundpropaganda am Chef’s Table, bei dem die Gäste von alleine ins Gespräch kommen.

Ab acht Personen kann man den Gemeinschaftstisch am Abend auch exklusiv buchen. Dann kocht Alex Mayer kompromisslos groß auf. Die Menugestaltung erfolgt im Dialog.

Vor allem aber ist das Mayer & Freunde ein Feinkostladen samt kleinem Bistrot.

Artischocke à la Barigoule

French Toast

Frühlings Gazpacho

Ebenfalls schon zum Klassiker gereift ist die saure Kalbspariser mit Kernöl, Gurkerl, Schnittlauch und wachsweichem Ei.

»Wirklich erfolgreich bist du nur, wenn du ein Lokal über viele Jahre aufbaust und etablierst« 

– ALEXANDER MAYER –

wer&wo

Mayer & Freunde Feinkost & Bistro

Anastasias Grüngasse 40, 1180 Wien