20ER JUBEL

FRISCHER WIND IM WEIMAR

Rückblick auf 2018: Hans Diglas lüftet das altehrwürdige Café Weimar kräftig durch. Als neuer Betreiber will er gleichzeitig den Charme eines klassischen Kaffeehauses bewahren und einen neuen Stil einführen.

Text: Harald Schuster // Fotos: Rainer Fehringer
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»Ein junger Mensch will einen kräftigen Espresso mit einer Röstung, bei dem es ihm die Schlapfen auszieht« Foto: Rainer Fehringer

Wieso er sich das „angetan“ hat, ist rasch erklärt. Altehrwürdige Kaffeehäuser mit großem Namen kommen nur selten auf den Markt. Da muss man dann auch bereit sein, über den eigenen Schatten zu springen. „Ich habe mir klare finanzielle Grenzen gesetzt und diese dann natürlich weit überboten“, sagt Hans Diglas, Spross des Diglas-Clans in fünfter Generation mit einem breiten Grinsen. Im Bieterverfahren um das insolvente Café Weimar erhielt der 30 Jährige im September 2017 den Zuschlag. Eine Woche später wurde aufgesperrt. Mit an Bord war ein stark verjüngtes Team mit einer überlebensgroßen Vision.

Emotional verbunden

Diglas ist in Wien ein bekannter Name. Der Ururgroßvater hatte einst sogar den Kaiser bewirtet. Das verpflichtet. „Wenn das Weimar zu einem Running Sushi oder einem belanglosen Systemgastronomie-Laden geworden wäre, hätte Wien einen Teil seiner Identität verloren“, meint Hans Diglas. Die Leidenschaft für Gastronomie liegt dem Jungunternehmer zwar in den Genen – gleichzeitig bringt er auch unternehmerische Erfahrung mit. Seit zwei Jahren betreibt Diglas das Café im Schottenstift in der Wiener Innenstadt, wo er 28 Mitarbeiter beschäftigt. Dass er für das Café Weimar einen langen Atem brauchen wird, war ihm klar: „Ein rascher Return- on-Investment schaut anders aus. Dieses Engagement ist auf meine Lebenszeit gerechnet. Ob der Preis zu hoch oder doch günstig ist, hängt davon ab, welchen Zeithorizont man hat.“

Grantige Ober sind passé

Sich einfach ins gemachte Nest zu setzen und das Stammhaus der Eltern in der Wollzeile zu übernehmen war nicht sein Ding. So wie schon im Café Schottenring gibt er als Junger den Jungen eine Chance: „Woher soll das Personal der Zukunft kommen, wenn wir den Jungen keine Chance geben? Auch im Café im Schottenstift ist unsere Equipe sehr jung. Die Sorte ‚Grantiger Ober‘ mag ich nicht. Das ist für mich einfach nicht mehr zeitgemäß. Junge Mitarbeiter können das Service locker und gleichzeitig kompetent auf Augenhöhe anbieten.“ Neben den Stammgästen und Besuchern der Volksoper will der Chef zweier Kaffeehäuser damit auch das Publikum aus dem WUK ansprechen. Wo früher Kristallluster prangten, hängen jetzt bunt drapierte Stofflampen. „Das ist erst der Anfang, um auch ein optisches Zeichen für Veränderungen zu setzen“, meint Diglas. Das Konzept im Hintergrund ist bereits deutlicher umgestellt.

Eigene Produkte statt Marken

Die Karte wurde verkleinert, die Qualität jedoch gesteigert. Gekocht wird frischer und saisonaler. „Wenn man 50 Gerichte anbietet, verkauft man manche Speisen nur sehr selten. Das geht dann immer auf Kosten der Qualität“, so der junge Chef. Damit erspart man sich den Einsatz von Tiefkühlware. Die Mehlspeisen kommen täglich frisch – und zwar von der Konditorei Diglas im 1. Bezirk. „Wir definieren uns nicht über Fremdmarken. Das ist eine bewusst gewählte Strategie. Wir haben auch keine Tischaufsteller. Wir sprechen lieber über die eigenen Mehlspeisen, Limonaden und den eigenen Wein, den wir in der Familie produzieren und abfüllen. Damit wollen wir uns abheben und nicht mit Standardprodukten, die es überall gibt“, meint Diglas. Das bedeutet ein Mehr an Kommunikation beim Service. Aber der Marketing-Wert ist umso größer, sobald die Gäste es einmal verstanden haben. Das zeigt sich auch beim hausgemachten Eistee, der im Sommer besser geht als Mineralwasser.

Verschiedene Röstungen gefragt

Im Weimar gibt es eine Grundsorte Bohnen – aber mehrere Mühlen und Röstungen. Eine ältere Dame bekommt ihren Kaffee von einer anderen Mühle als ein junger Student. Das entscheidet der Kellner individuell. Diglas erklärt, worum es dabei geht: „Ein junger Mensch will einen kräftigen Espresso, kurz extrahiert, mit einer Röstung, bei der es ihm die Schlapfen auszieht.“ Das wäre für einen älteren Herrn bei der gleichen Bestellung aber deutlich zu wenig im Häferl. Bei einer Melange kommt wieder eine andere Röstung zum Einsatz, die besser mit Milch harmoniert. Bei Stammgästen weiß man über die jeweiligen Vorlieben natürlich Bescheid. „Wenn haben drei verschiedene Biersorten, sind aber ein Kaffeehaus. Da wollen wir auch beim Kaffee eine Auswahl anbieten können“, so Diglas.

Zukunft des Kaffeehauses

Fünf Euro oder mehr werden für eine Melange bald üblich sein, ist Diglas überzeugt. Trotzdem ist der Betrieb eines Kaffeehauses kein übermäßig ertragreiches Geschäft. Schuld sind die horrenden Mieten in Innenstadt-Lagen und die hohen Lohnnebenkosten. Dazu kommt noch die Kreditklemme aufgrund von Basel IV. Warum er sich das Weimar dennoch angetan hat? Weil es beim Café im Schottenstift auch geklappt hat – „ganz ohne Hilfe der Eltern“, wie Hans Diglas betont: „Dort haben wir es geschafft, ein Biotop mit Stammgästen aufzubauen, in dem sich junge Mädchen genauso wohlfühlen wie gut situierte Anwälte.“ Plötzlich mischt sich einer der Gäste ins Interview ein und sagt: „Das Café wird nie sterben, nur die Leute drumherum werden sterben.“ Diglas nimmt den Ball auf und erklärt: „Damit kann ich leben. Ich will auch einmal Kinder haben und hoffe, dass sie auch Cafetiers werden wollen, wenn ich einmal nicht mehr bin.“ Aber davon ist er wohl noch weit entfernt.

Persönlich am Schraubendrehen

Als leidenschaftlicher Kaffeetrinker kennt Diglas bei der Kaffeequalität keine Kompromisse. Und als HTL-Absolvent ist er ein begnadeter Tüftler. Also wartet er seine San Marco am liebsten selbst: „Ich schraube mit Hingabe im Innenleben der Maschinen herum, bis es passt.“ Für die Kaffeequalität sind auch die Frischmühlen verantwortlich, bei denen die Mahlscheiben zumindest einmal pro Monat auswechselt werden. Die Bohnen bezieht er von seinem Röster Alexander Hamerski. Mit ihm fährt er schon einmal nach Hamburg, um beim Bohnen-Einkauf dabei zu sein. Mit vielen Lieferanten und Geschäftspartnern pflegt Diglas einen freundschaftlichen Umgang. Manchmal lädt er sie auch zur Geburtstagsparty ein. „Ich mag Kommunikation auf Augenhöhe. Wenn ich mit der Qualität einmal ein Problem habe, kann ich das direkt, aber eben freundschaftlich reklamieren.“

INFO

Hans Diglas hat das Café Weimar im September 2017 übernommen. Er beschäftigt dort einen Geschäftsführer und 16 Mitarbeiter. Abwechselnd mit seiner Freundin Cynthia Hartweger pendelt er täglich zwischen dem Café Schottenstift (28 Angestellte) und dem Weimar.

Maschine: San Marco, dreigruppig. Sie ist einfach aufgebaut und wird von Hans Diglas selbst zerlegt und gewartet.