REISE
EIN ZAUBERHAUS IN CHINATOWN
Das Potong in Bangkok verzaubert seine Gäste auf vielerlei Hinsicht. Der Besuch gleicht einer Zeitreise mit Blicken zurück in die Vergangenheit aber auch voraus in die Zukunft. Chef Pam ist für die großartige Küche verantwortlich, ihr Mann Tor kümmert sich um die Opium-Bar.
Text:Â Wolfgang Schedelberger
Baupolizei und Denkmalschutz funktionieren in Thailand irgendwie anders als in Österreich. Ein Lokal wie das Potong wäre hierzulande schlicht undenkbar. Der hölzerne Lift, mit dem man maximal zu zweit sehr langsam und ruckelnd in den fünften Stock fährt, würde bei uns nicht einmal als Speiseaufzug genehmigt werden. Die engen, steilen Treppen, die man alternativ nutzen kann, stellen auch in nüchternem Zustand eine Herausforderung dar – vor allem am Weg hinunter. Und doch sind dies entscheidende Aspekte, die einen Besuch des Potongs zu einem einmaligen, unvergesslichen Erlebnis machen.
So lebendig sich die Straßen in Bangkoks Chinatown tagsüber zeigen, so ruhig ist es hier in der Nacht – fast schon gespenstisch. Außer ein paar Katzen, die hungrig durch die Gassen streunen, ist es um acht Uhr abends wie ausgestorben. Nur aus einem sehr schmalen alten Haus strahlt etwas Licht. Was für ein Gegensatz zu den angesagten Stadtvierteln, wo zu dieser Zeit nicht nur die Straßen verstopft sind, sondern auch auf den Gehsteigen ein lärmendes Durcheinander herrscht.Â
– CHEF PAM –
Rundherum ist in Chinatown abends alles finster. Nur das fünfstöckige „Zauberhaus“ von Chef Pam, die eigentlich Pichaya Utharntharm heißt, leuchtet verführerisch.
Apotheke samt Opiumhöhle
Pams Familienhaus stammt so wie die meisten Gebäude des Viertels aus dem Ende des 19. Jahrhunderts und wurde im Sino-Portugiesischem Stil errichtet. Wie die meisten Häuser dieser Gegend war es für eine gemischte Nutzung gedacht, nur ist es zwei Stockwerke höher, als die andern Häuser der Umgebung. Die unteren Stockwerke dienten dem Geschäft, weiter oben waren die Wohnräume. Eine Besonderheit dieses Hauses war die Verwendung als Apotheke. Auch Opium wurde in der chinesischen Community dieser Tage als Medizin betrachtet, also waren im dritten Stock, wo sich heute die Opiumbar befindet, auch einige Liegen untergebracht, auf denen man die Sorgen des Alltags bei einer gut gefüllten Pfeife ein paar Stunden hinter sich lassen konnte.Â
Das Geschäft mit dem Opium nahm ihm Laufe des 20. Jahrhunderts kontinuierlich ab. Schließlich war es nach dem Zweiten Weltkrieg auch offiziell verboten. Allerdings entwickelte sich der Handel mit Medikamenten nach westlicher Machart sehr gut. Dafür waren zunächst Pams Großvater und dann ihr Vater verantwortlich. Eine moderne Fabrik wurde vor den Toren von Bangkok errichtet, das alte Haus in Chinatown hat man eigentlich nur aus sentimentalen Gründen behalten. Die paar traditionellen chinesischen Medikamente, die in den letzten Jahren über die Gasse verkauft wurden, waren kommerziell betrachtet, unbedeutend geworden. Â
Die Familie war inzwischen sehr wohlhabend. Vor 15 Jahren hat der Familienrat dann beschlossen, dass sich Pams älterer Bruder um die Fortführung des Medikamentengeschäfts kümmern soll. „Was ich beruflich machen solle, war ihnen eigentlich egal, was rückblickend ein großes Glück war“, erinnert sich Pam. So durfte sie ihrer großen Leidenschaft, dem Kochen, nachgehen. Anfangs noch belächelt, legte sie rasch eine Traumkarriere hin. Schon mit 21 wurde sie als „Bestes Kochtalent Asiens“ ausgezeichnet. Es folte eine Ausbildung am CIA (Culinary Institute of America) und ein Jahr im New Yorker 3-Sterne Restaurant Jean-Georges. Zurück in Bangkok eröffnete sie das Mini-Lokal „The Table“, wo sie für maximal zehn Gäste exklusive vielgängige Menüs zubereitete. Was rückblickend vielleicht noch wichtiger ist: sie lernte ihren Mann Tor kennen, mit dem sie gemeinsam die Firma X Project gründete. Unter diesem Dach sind sämtliche gastronomischen Projekte von Pam und Tor gebündelt. Neben dem Potong und der Opium Bar, die im vierten und fünften Stock des Hauses untergebracht ist, gehören noch das kleine „The Table“ sowie das Texas-BBQ Restaurant „Smoked“, von dem es auch zwei sogenannte „Joints“ als Ableger gibt, dazu. „Ich habe in den USA die BBQ-Kultur schätzen gelernt. In Thailand kennt das niemand, also habe ich gedacht: das probieren wir. Und es funktioniert wunderbar.“
Außerdem hat Pam ihr gutes Netzwerk und ihre aparte Erscheinung dazu genutzt, es im Fernsehen zu probieren, wo sie in kurzer Zeit eine enorme Popularität erreichte. Als Judge bei „Top Chef“ und „Iron Chef“ wurde sie landesweit bekannt. Eigene Formate („Inside Pam’s Kitchen“) folgten. Diese zusätzlichen Einnahmen haben es dem Powerpaar ermöglicht, die Pandemie relativ unbeschadet zu überstehen. Auch die Verzögerungen bei der schlussendlich zwei Jahre dauernden Renovierung des Hauses waren während der Corona-Einschränkungen halb so schlimm. Der tatsächliche Startschuss folgte im September 2022.Â
– CHEF PAM –
Fünf Elemente anders gedacht
Dass sich Pam, die jeder Thai nur als „Chef Pam“ kennt, perfekt in Szene setzen kann, ist offensichtlich. Sie kann aber auch wirklich gut kochen und hat mit dem Potong eines der besten und nicht nur eines der schönsten Restaurants von Bangkok geschaffen. Auf Anhieb folgte auch der erste Michelin-Stern. Ihre kulinarische Basis ist die Sino-Thai-Cuisine, die seit Jahrhunderten in Bangkok gepflegt wird. Allerdings ging sie einen wesentlichen Schritt weiter und entwickelte für das Potong eine fünf Elemente-Küche der eigenen Art: Salz, Säure, Schärfe, Textur und Maillard Reaktion sind die Säulen, auf denen ihre Küche aufbaut. Die Präsentation der Gerichte ist hier genauso wichtig wie der Geschmack. Das erfordert viel Zeit in der Küche, aber die ist bei den relativ geringen Lohnkosten in Thailand relativ leicht zu organisieren. „Das Wichtigste ist das permanente Training der Mitarbeiter. Sie sind zwar motiviert, aber wenn man nicht selbst längere Zeit in der Top-Gastronomie verbracht hat, fehlt einfach das Bewusstsein dafür, dass jedes Detail wichtig ist. Das erfordert sehr viel Zeit“, erklärt Pam. Â
Die Dimension der Zeit spielt für Pam auch konzeptionell eine gewichtige Rolle. Das hat nicht nur damit zu tun, dass sie jetzt in jenem Haus arbeitet, in dem schon drei Generationen ihrer Familie gelebt hatten. „Wir kaufen nur Grundprodukte zu, den Rest machen wir selbst. Von der Fischsauce bis zur Gewürzmischung. Manches dauert Tage, Anderes Wochen, bestimmte Dinge auch Monate. Aber das macht nichts. Ich bin ja noch jung und will das Potong noch viele Jahrzehnte lang führen. Das ist meine Art, unsere Familiengeschichte fortzuschreiben.“
STERNEREGEN ÃœBER BANGKOK
Bangkok ist zurück – und wie! Eine neue Generation von Köchen interpretiert die Thai-Küche modern, unterhaltsam und ohne extreme Chile-Schärfe.
Im Windschatten des indischen Ausnahmekochs Gaggan Anand hat sich in Bangkok in den letzten acht Jahren außerhalb der Luxushotellerie eine lebendige und sehr originelle Fine-Dining Kultur entwickelt. Als der Guide Michelin 2017 sein Debut gab – finanziert mit Millionen der staatlichen Tourismusagentur – gab es gerade einmal 17 Restaurants, die mit einem Stern ausgezeichnet wurden. Im aktuellen Guide sind es doppelt so viele.Â
Das ist insofern erstaunlich, als Thailand rigorose Corona-Schließungen verordnet hatte und das Land fast zwei Jahre lang für ausländische Touristen unerreichbar blieb. Dass die meist französisch geprägten Fine-Dining-Restaurants in den großen Luxusrestaurants durchhalten konnten, ist wenig überraschend. Aber auch die meisten inhabergeführte Restaurants wie etwa das Sühring (2 Sterne) haben überlebt. Die beiden aus Deutschland stammenden Zwillinge Mathias und Thomas Sühring zeigen sich aktuell in Bestform. Ihr in einer eleganten Villa gelegenes Restaurant ist ein Idylle im hektischen Bankok.
Ebenfalls auf 2-Sterne Niveau agiert das Sorn, wo man sich in 22 modern gestalteten Gängen durch die Vielfalt der Aromen Südthailands kosten kann – und zwar ohne sich durch extreme Schärfegrade arbeiten zu müssen, für die diese Küche bekannt ist.
Den ersten und bisher einzigen „grünen“ Stern des Guide Michelin hält der sympathische Deepanker Khosla mit seinem Restaurant Haoma. Wie in den anderen Spitzenrestaurants auch, bekommt man hier eine ausgezeichnete Weinbegleitung geboten.Â
Auch wenn das Preisniveau günstiger als in Paris, New York oder Kopenhagen ist, geht das „Sternefressen“ in Bangkok durchaus ins Geld. Eine erfreuliche Ausnahme stellt das „Le Du“ von Thitid „Ton“ Tassanakajohn dar. Das führt dazu, dass man hier in Gesellschaft eines jungen, bestens gelaunten Publikums speist.
Nach wie vor spannend ist, was Gaggan Anand aktuell unternimmt. Am Höhepunkt seines Ruhms hat er – nur wenige Tage nachdem er auf der 50-Best-List als viertbestes Restaurant der Welt ausgezeichnet wurde – von seinen Finanzpartnern getrennt und sein Luxusrestaurant geschlossen. Aktuell betreibt er das extrem lässige und absolut empfehlenswerte Ms. Maria und Mr. Singh, wo eine stimmige Cross-Over-Cuisine zwischen Indien und Mexiko geboten wird. Dazu trinkt man Naturweine aus der Steiermark und dem Burgenland. Klingt schräg, ist aber großartig. Außerdem betreibt er das Mini-Restaurant Gaggan-Experience, wo sich maximal 20 Personen rund um einen Tresen einfinden, um sich bei fetziger Musik vom Master himself unterhalten zu lassen. Seinen Sinn für eindrucksvolle Inszenierungen hat sich Gaggan behalten, doch hier ist alles wesentlich persönlicher, als es zuvor in seinem Luxusrestaurant war. Â
wer&wo
422 ถนน วาณชิ 1 เขตสมั พนั ธวงศ,์ Samphanthawong, สมั พนั ธวงศ,์ Bangkok 10100, Thailand.