IM FOKUS

DAS RESTAURANT DER ZUKUNFT

Nein, Service-Robotern werden nicht so rasch Kellner aus Fleisch und Blut ersetzen. Aber ja: Die digitale Revolution wird die Art und Weise, wie Restaurants in Zukunft funktionieren, nachhaltig verändern. Künstliche Intelligenz und Roboter werden dabei eine zentrale Rolle spielen.

Text: Wolfgang Schedelberger

Pazzi electronics wollte in Paris mit vollautomatisierten Pizzerias durchstarten. Angeblich schmeckte es sehr gut, dennoch musste man bald wieder schließen. Foto: Pazzi Electronics.

Künstliche Intelligenz (KI) wird alles verändern. So konnte man in den letzten Monaten verschiedentlich lesen. Wirklich? Wir haben bei der Recherche zu diesem Artikel natürlich auch Chat-GPT befragt, wie sich die Digitalisierung auf die Zukunft der Gastronomie auswirken wird. Ohne überheblich zu wirken: Sie erfahren mehr, wenn Sie diesen Artikel bis zum Ende lesen. Der Begriff künstliche Intelligenz wird oft missbräuchlich oder zumindest irreführend verwendet. Die Zukunft vorhersagen kann KI jedenfalls mit Sicherheit nicht.

Grundsätzlich geht es bei KI darum, dass IT-Systeme immer größere Datenmengen speichern können und laufend erfasste neue Daten fast in Echt-Zeit in die Algorithmen, die das System steuern, einfließen lassen. Insofern sind diese IT-Systeme lernfähig und können als „Intelligent“ bezeichnet werden. Dadurch wird das Spektrum ihrer Anwendungsmöglichkeit deutlich größer. So lernen Autos eigenständig zu fahren, so lernen humanoide Roboter auf zwei Beinen zu gehen. Die Gastronomie wird in vielerlei Hinsicht zwar weitgehend ein „Peoples-Business“ bleiben, weil wir es schätzen, von echten Menschen mit einem echten Lächeln bedient zu werden. Doch wenn hinter dem Kellner ein kleiner Roboter nachfährt, der die Speisen und Getränke zu Tisch bringt, wird dies kaum einen Gast stören. 

Service-Roboter im Vormarsch

Eigentlich ist es erstaunlich, wie langsam Service Roboter in der Gastronomie Einzug gehalten haben. An der Hardware kann es nicht wirklich liegen, denn die gibt es – zumindest in Form von Prototypen – schon seit vielen Jahren. Offensichtlich war der ökonomische Druck, diese Technologie auch in die Praxis umzusetzen, bisher einfach nicht groß genug. Es ist nicht zu erwarten, dass wir Service-Roboter schon bald in heimischen Landgasthäusern sehen werden. Sie werden zunächst wohl in Fast-Casual- und SB-Lokalen in Hochfrequenzlagen wie Flughäfen oder Shopping-Malls auftauchen und vielleicht anfangs nur bei Abräumen helfen, wie dies aktuell schon Schweizer Hotel Sunstar Wellness in Davos erfolgt. Noch erscheinen diese Roboter trotz steigender Lohnkosten einfach noch zu teuer. Für den Bellapot vom chinesischen Hersteller Pudu Robotics muss man aktuell noch 20.000 Euro bezahlen und hier sprechen wir nicht von einem autonom agierenden C-3-PO (das ist der humanoide Roboterfreund von R2-D2 aus Star Wars), sondern von einem semi-autonomes Geschirr-Transportgerät auf Rollen, das eher an R2-D2 erinnert. Sobald solche Service-Roboter erstmals in großer Stückzahl in Fernost gefertigt werden, ist ein rascher Preisverfall zu erwarten. Zukunftsmusik? Vielleicht, aber die Chancen stehen ziemlich hoch, dass Roboter, die Menschen bei der körperlichen Arbeit unterstützen, bald zum Alltag gehören werden und zwar nicht nur in der Gastronomie, sondern in sehr vielen Lebensbereichen – von Baustellen bis zur Alten- und Krankenpflege. Tesla-Chef Elon Musk glaubt jedenfalls fest daran und arbeitet mit Hochdruck an humaoiden Robotern für verschiedenste Einsatzgebiete. 

Digitalisierung als laufender Prozess

Das Argument, dass Gäste das nicht wollen, ist wenig stichhaltig. Wenn Kellner von Speiseträgern zu „Genussberatern“ mutieren, weil sie einfach mehr Zeit haben, sich um das interpersonelle Service zu kümmern, ist das für alle Beteiligten eine Verbesserung. Auch wenn der Mensch ein Gewohnheitstier ist, adaptiert er neue Abläufe erstaunlich schnell. Essen und Trinken aus einem Automaten zu holen, mit dem Handy zu reservieren, zu bestellen und natürlich auch zu bezahlen – all das ist längst gängige Praxis geworden. Erinnern wir uns: noch vor ein paar Jahren war eine Weinkarte auf Ipads & Co eine bemerkenswerte Innovation. Heute ist das genauso Standard, wie die Verlinkung der Karte via QR-Code aufs eigene Handy. 

Apropos Handy: Wir erinnern uns noch an die Unkenrufe, die es bei der Einführung sogenannter Handhelds Terminals gegeben hat. Es wäre unpersönlich, der Kellner würde auf seinem Gerät herumtippsen statt mit dem Gast Augenkontakt zu halten und vieles andere mehr. Heute ist das Standard geworden, den niemand mehr bewusst wahrnimmt. Im Gegenteil. Wenn jetzt ein Kellner mit Kuli und Block bei Tisch erscheint, um die Bestellung aufzunehmen, wirkt das irgendwie altmodisch und unprofessionell. 

Wer weiß, vielleicht gibt es bald eine Software, die das Niederschreiben einer Bestellung überhaupt unnötig macht, etwa wenn ein kleines Mikrofon gepaart mit einer Spracherkennungssoftware die Bestellung des Kellners in Echtzeit in einen schriftlichen Bon für die Küche transformiert.    

McDonalds & Co zeigen vor, dass vor allem junge Menschen kein Problem damit haben, den Bestell- und Bezahlvorgang via Tochscreen digital auf einem Terminal erledigen. Das ist zwar kein Roboter im klassischen Sinn, weil er sich nicht bewegt. Ein digitales Interface, dass die Abläufe im Lokal erleichtert und beschleunigt ist es aber allemal.  

Die seit Jahren gehypten 3D-Drucker fristen in der Gastronomie immer noch ein Schattendasein.

High-Tech in der Küche

Auf den ersten Blick haben sich Profiküchen in den letzten Jahren kaum geändert. Ok, die Kombidämpfer sind raffinierter geworden, die Herde werden mit Induktion statt mit Gas befeuert und ein paar Gimmicks aus der „Molekularküche“ findet man mitunter auch. Aber sonst? Viele großspurig angekündigte Revolutionen wie das „Kochen“ mit 3D-Druckern sind nicht so recht in die Gänge gekommen. Die Gründe dafür sind die Gleichen wie im Gastraum. Die derzeit angebotene Technik ist noch zu teuer, die Kosten für Mitarbeiter trotz steigender Löhne vergleichsweise immer noch zu billig, damit auf breiter Front mehr Robotik in der Küche Einzug hält. Das wird sich ändern.

Auch wenn das exakte Anrichten in der Luxus-Gastronomie wie geschaffen für Roboter wäre, wird es dort wohl noch eine Weile dauern, bis sie tatsächlich zum Einsatz kommen. Dafür sind die produzierten Mengen einfach zu gering. Speziell fürs Catering-Geschäft, wo es nicht darum geht, einige, wenige Speisen á la minute zuzubereiten, sondern hunderte oder gar tausende Teller möglichst ident anzurichten, können Roboter ihre Stärken voll ausspielen. 

Abgesehen von Caterern, Kantinen und der Gemeinschaftsverpflegung können Roboter auch in der Fine-Dining eine wichtige Rolle bei der Qualitätskontrolle spielen. Das Um und Auf ist dabei der großflächige Einsatz von Sensoren, die nicht nur die Temperatur während des Garvorgangs messen, sondern sämtlich relevante Parameter der verwendeten Produkte ermitteln: vom Zucker-, Stärke- und Fettgehalt bis hin zum Wasseranteil. Vom Küchenchef vorgegebene Rezepturen könnten dann wirklich exakt eingehalten werden.

Erfolge und Misserfolge

Pioniere, die mit Küchenrobotern arbeiten, scheitern immer wieder, wie etwa das französische Unternehmen Pazzi Robotics, die vor drei Jahren in Paris vollautomatische Pizzerias eröffnet hatten. Doch so ist das Schicksal von Pionieren manchmal, wenn ihnen auf halber Strecke das Kapital ausgeht. Über kurz oder lang werden sich solche Gastronomie-Betriebe auf breiter Front etablieren, wenn es darum geht, einfache Prozesse möglichst genau zu wiederholen.    

Mit ein Grund, wieso die schon vor Jahren gehypten 3D-Drucker in der Profiküche nicht so richtig in Fahrt gekommen sind, liegt wohl darin, dass sie als ergänzende Stand-Alone-Geräte nicht wirklich dazu beitragen, Abläufe zu beschleunigen oder zu vereinfachen. Bis jetzt sind sie lediglich Gimmicks geblieben, um dramatische Effekte am Teller zu erzielen. Aber es ist noch nicht aller Tage Abend. Gänzlich abschreiben sollte man auch diese Technologie noch nicht. 

Digitales Datenmanagement

Am schnellsten schreitet die Digitalisierung in der Gastronomie dort voran, wo sie schon jetzt am weitesten verbreitet ist, nämlich im Back-Office. Hier geht es nicht um Sensoren und Robotics sondern schlicht und einfach um EDV. Von Kassensystemen, Warenwirtschaft, Personalplanungs-Tools gibt es hier kaum ein Feld, das nicht mit Hilfe von IT-Systemen gemanagt wird. 

Wo eine immer leistungsstärkere IT – Stichwort KI – viel Potential verspricht ist beim Thema Controlling. Dabei geht es nicht bloß sehr um das Aufzeichnen von Daten, sondern um die betriebliche Steuerung des Unternehmens mit Hilfe dieser Daten. Das größte Problem ist momentan jedoch, dass es eine Vielzahl an Daten gibt, die über unterschiedliche Systeme erfasst werden. Die digitale Kasse kann nicht mit der Warenwirtschaft vernetzt werden, weil sie von unterschiedlichen Anbietern kommen. Das Personalplanungstool stammt wieder von einem anderen Anbieter, genauso wie die Systeme für die Kommunikationssteuerung auf Social Media. 

Deshalb hat der Salzburger Multi-Gastronom Heiner Raschhofer (Soul Kitchen, Glorious Bastards, My Indigo, Raschhofers Rossbräu) gemeinsam mit dem IT-Spezialisten Darko Susnjara ein Software-Unternehmen namens My-cockpit gegründet, das sich auf die Zusammenführung verschiedenster Datenquellen spezialisiert hat. „So haben wir jetzt ein Tool, das dem Gastronomen eine tagesaktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung liefert, die alle Bereiche umfasst. So kann ich auf einen Blick sehen, wann ich mit welchem Personalstand welchen Umsatz gemacht hat, um nur ein Beispiel zu nennen“, erklärt Raschhofer. 

My-cockpit blickt auf eine mehr als zehnjährige Entwicklungsgeschichte zurück, denn bereits 2012 begann Raschhofer damit, die Daten der verschiedenen Systeme seiner Betrtiebe miteinander zu verknüpfen. Vor kurzem ist daraus eine Benutzerfreundliche Oberfläche entstanden, die man nun auch anderen Gastronomen zu Verfügung stellt.  

«Sollte unser Vorrat an Tomaten zu Ende gehen, verschwinden automatisch alle Angebote mit Tomaten von unserer digitalen Speisekarte.»

– HEINER RASCHHOFER –

Gastronomie am Handy

Diese ermöglicht es Gastronomen, eine Vielzahl von Abläufen im Betrieb digital und in Echtzeit zu managen – vom Dienstplan über den Einkauf bis hin zu Marketing-Aktivitäten.   

Wichtig ist auch die bewusste Gestaltung der „Digital Guest Journey“ – also die koordinierte Darstellung des Betriebs auf allen Ebenen. Die Entscheidung, ob und wann jemand ein Lokal besucht, wird heute vielfach am Handy getroffen. Der tatsächliche Besuch ist nur der finale Endpunkt, wo es zur Erbringung der Leistung kommt. Wie man auf allen relevanten Kanälen, von Instragram über Tiktok bis zu – ja, das gibt es immer noch – Facebook kommuniziert, ist entscheidend. Auch aktuelle Bespielung der eigenen Website mit diversen Features – Tagesempfehlungen, Reservierungsmöglichkeit, Prämien für Stammkunden, Take-Away, Jobangebote, Infos über Lieferanten, Social Responsibility etc. – bleibt nach wie vor wichtig.   

Intelligente Bots statt Call-Center

Noch arbeiten viele größere Gastronomie-Unternehmen mit Call-Centers und externen Booking-Plattformen zusammen, um ihr Reservierungsgeschäft zu managen. Das ist laut Raschhofer ein Auslaufmodell. „Die digitale Sprachsteuern macht momentan eine richtig gehende Revolution durch. In ein paar Jahren werden Bots Kundengespräche führen können, bei denen auch auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht genommen werden kann und zusätzliche Informationen – Buchungslage, Wettervorhersage, Personalstand – einfließen. Und das funktioniert ohne großen Aufwand im allen gängigen Sprachen“, erklärt Raschhofer.

Die Stärke solcher digitalen Management-Systeme beruht auf der Vernetzung ganz verschiedener Datensätze: Wettervorhersage, Verkehrswarnungen, Berücksichtigung der Umsätze aus dem Vorjahr, Kostenentwicklung von tagesaktuellen Waren und vieles andere mehr. Das hilft beim Einkauf, der Erstellung von Dienstplänen aber auch bei der Planung von Marketing-Aktivitäten. Wenn davon auszugehen ist, dass das Lokal sehr gut besucht sein wird, kann man sich Bonus-Aktionen oder zusätzliche Werbung auf sozialen Kanälen sparen. Ist eine niedrige Nachfrage zu einer gewissen Tageszeit zu erwarten, kann man bewusst gegensteuern oder zumindest die Dienstpläne entsprechend adaptieren.    

Fazit:

Die Zukunft ist zwar ungewiss, gewisse Prognosen sind dennoch unerlässlich, weil sich Investitionen, die ja immer eine Wette auf die Zukunft sind, rechnen sollen. Klar ist, dass die Digitalisierung aller Lebensbereiche weiter zunehmen wird. Das betrifft auch die Gastronomie. Durchsetzen werden sich jene Systeme, von denen alle Beteiligten profitieren, also Gastronom, Mitarbeiter und natürlich auch die Gäste. Wenn man ihnen mit digitalen Instrumenten einen tatsächlichen Mehrwert bietet, sind die oft wesentlich offener für Veränderungen, als es so mancher professionelle Bedenkenträger, die bei der Vorstellung von Service-Robotern den Untergang des Abendlandes aufziehen sehen. Da halten wir uns lieber an den „alten“ Heraklit von Ephesos, der schon vor 2.500 Jahren erkannt hatte: Panta rhei – alles fließt.

Speziell im Catering- Geschäft, wo es darum geht, oft hunderte Teller möglichst ident anzurichten, können Roboter ihre Stärken ausspielen.

Heiner Raschhofer (r.) und Darko Susnjara haben die Plattform my-Cockpit gegründet, auf der alle relevanten Daten eines Restaurant übersichtlich und in Echtzeit dargestellt werden. Heute bestellt und bezahlt man in Quick Service Lokalen wie etwa dem My Indigo übers Handy oder über Terminals.

«Die digitale Sprachsteuerung macht momentan eine richtiggehende Revolution durch.»

– HEINER RASCHHOFER –