SEIDLWEISE

DER START IN DEN ABEND

Irgendein Bier wird in jeder American Bar ausgeschenkt. Viel Augenmerk wird dort auf Bierkultur allerdings kaum geworfen. In der Wiener Cocktailbar Kleinod Prunkstück setzen die Betreiber auf Budweiser vom Fass und unterstreichen damit ihren Qualitätsanspruch in allen Bereichen.

Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Rainer Fehringer

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Foto: Rainer Fehringer

Nulleins, nullzwei, nulldrei! So lautet die Bier-Mathematik im Kleinod Prunkstück. Eine Halbe bzw. ein „Krügerl“ gibt es dort nicht. Die Maßeinheit beim Bier ist dort das Seidel. Auf Wunsch darf es auch ein bisschen weniger sein. Der Wiener Pfiff (0,2 Liter) wird von vielen Stammgästen gerne als Zwischengetränk geordert. Noch kleiner – eigentlich nur ein frisch gezapfter Erfrischungsschluck – ist der Champagner-Pfiff (0,1 Liter).

Das Bier in der Bar

Bier spielt in einer klassischen Cocktailbar keine zentrale, aber durchaus eine wichtige Rolle. Fast niemand kommt nur zum Biertrinken in eine American Bar. Erstaunlich oft wird es dann aber doch bestellt. Bevor man die Karte studiert hat, wird Bier gerne als unkompliziertes Eröffnungsgetränk bestellt. Auch als Zwischengetränk zwischen zwei unterschiedlichen Cocktails ist es beliebt. Zahlreiche Whisky-Freunde schätzen Bier statt Wasser als geschmackvolles Beigetränk zu ihrem exklusiven Single Malt. Bei all diesen Gelegenheiten gilt: das Bier muss gut schmecken, damit es nicht zum Show-Stopper mutiert. Gut bedeutet hier, dass es eine hohe Akzeptanz besitzt und vielseitig einsetzbar ist.         

Mehr noch als Champagner ist Bier der wichtigste Nebendarsteller in einer Cocktailbar. Wie auch in Hollywood glänzt der Hauptdarsteller (der Cocktail) dann am hellsten, wenn die Nebendarsteller ihre Rollen perfekt erfüllen. Für jeden Barbetreiber stellen sich beim Casting des wichtigsten Nebendarstellers daher ein paar entscheidende Fragen:     

Welche Marke passt zur eigenen Bar? 

Wie präsentiere ich Bier möglichst attraktiv?

Gibt es genug Nachfrage, sodass ein frisch gezapftes Bier tatsächlich frisch ist? 

Wie setze ich die Preisgestaltung an?

„Eine gute Bar ist ein Gesamtkunstwerk, bei dem alle Details wichtig sind. Wir haben im Prunkstück einen enormen Aufwand betrieben, um ein ansprechendes Ambiente zu schaffen. Die Einrichtung ist unsere Bühne. Als Barkeeper verwenden wir für unsere Cocktails nur Premium-Spirituosen. Wir bemühen uns jeden Tag, geschmacklich und optisch ansprechende Cocktails zu mixen – das ist unsere Kernkompetenz. In erster Linie sind wir aber Gastgeber, die unsere Gäste glücklich machen wollen, ganz egal, was sie bei uns trinken. Deshalb haben wir uns auch genau überlegt, welches Bier wir im Lokal haben wollen. Es sollte eine sympathische Premium-Marke sein, die eine hohe Akzeptanz hat, weil wir uns auf ein Bier beschränken wollten“, erklärt Oliver Horvath, wieso die Wahl auf Budweiser gefallen ist.

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Frisch gezapft wird hier nicht an der “Front”, sondern an der Rückseite der Bar. Foto: Rainer Fehringer

Frisch gezapft schmeckt es am besten

In ausgesprochenen Bierlokalen gehört eine breite Auswahl an verschiedenen Marken und Stilen einfach dazu. Selbst in Gasthäusern und Restaurants gibt es oft drei, vier verschiedene Biere vom Fass – Märzen, Pils und Weizen, dazu oft auch eine alkoholfreie Variante. Die zunehmende Nachfrage nach Craftbeer befriedigt man zumeist mit Flaschenbieren. In Cocktailbars wird das nicht erwartet. 

„Am Anfang haben wir uns kurz überlegt, ob wir nicht auch mehrere Flaschenbiere anbieten sollten. Es wäre leicht gewesen, das Angebot mit ein paar nationalen und internationalen Marken zu erweitern. Im Prunkstück haben wir uns aber dazu entschieden, ein einziges Bier zu führen, das dafür aber in Top-Qualität. Es war für uns wichtig, dass es von Wienern und internationalen Gästen gleichermaßen geschätzt wird. Am besten schmeckt Bier frisch gezapft, sofern man genug Ausstoß hat und die Schankanlage laufend wartet. Ein gut gezapftes Budweiser vom Fass ist meiner Meinung nach einfach nicht zu toppen. Wer unbedingt ein Flaschenbier will, bekommt es bei uns auch in der 0,33 Liter-Flasche, aber wir wollen mit unseren Gästen nicht über unterschiedliche Bierstile sprechen. Dafür sind wir einfach das falsche Lokal“, so Horvath. 

Das Spiel mit Marken

In anspruchsvollen Bars spielen Marken eine zentrale Rolle. Gerade bei Spirituosen ist das Image einer Marke besonders wichtig. Das Angebot an unterstützenden Werbeträgern – vom Glas über Kühlschränke bis hin zu Leuchtdisplays und Projektionen – aus dem Barbetreiber wählen können, erscheint schier grenzenlos. Für welche Marken man sich entscheidet und wie viel Product-Placement man im eigenen Lokal zulässt, hängt von mehreren Faktoren ab. Aber Vorsicht! Ein Zuviel an Markenbotschaften wirkt schnell billig.   

Im Prunkstück hält man sich mit plakativen Markenbotschaften sehr zurück. So gibt es auch nur zwei Gläser, auf denen eine Marke angeführt ist. Neben dem Haus-Champagner Perriet-Joët sind dies die Tulpengläser von Budweiser. „Ein gut gezapftes Bier gehört ins richtige Glas. Der Schaum hält sich länger und es schaut auch besser aus. Wir wollen unsere Premium Marken auch nicht verbergen, aber unsere Philosophie lautet: weniger ist mehr“, erklärt Co-Eigentümer Alexander Batik. 

Im Gegensatz zu Gasthäusern und Bierlokalen, wo die Zapfanlage prominent an der Frontseite der Bar untergebracht ist, befindet sich in den beiden Bars im Prunkstück der Zapfhahn auf der Rückseite der Bar. An der Vorderseite wird gemixt. 

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Auf Wunsch gibt es das Budweiser aber auch in der Flasche. Foto: Rainer Fehringer

Bier ist männlich

Das Prunkstück ist eine Bar, die bei den Damen ausgesprochen beliebt ist. Im Schnitt sind über 60 Prozent der Gäste weiblich. Das ist nicht passiert, sondern gewollt. Mit einer Vielzahl von kleinen Maßnahmen – vom Empfang über das Getränkeangebot bis zur Ansprache durch die Mitarbeiter – wird dafür gesorgt, dass sich auch Damen ohne männlicher Begleitung stets wohl fühlen. Nur beim Bier hat sich das Thema Gleichbehandlung noch nicht durchgesetzt. „Über 90 Prozent der Gäste, die bei uns ein Bier bestellen, sind männlich. Weibliche Gäste trinken bei uns in vergleichbaren Situationen eher ein Glas Champagner. Wieso das so ist, können wir uns auch nicht wirklich erklären. Schlussendlich ist es aber egal. Entscheidend ist, dass sich bei uns alle Gäste wohl fühlen“, meint Oliver Horvath.

Bleibt noch die Frage der Kalkulation. Mit 4 Euro für den Pfiff (0,2 L) und 5 Euro fürs Seidel ist das Prunkstück preislich in der Wiener Oberliga angesiedelt, doch das stört niemanden. „Preise sind relativ. Das Bier ist auf unserer Karte eine der günstigsten Positionen und auch im internationalen Vergleich müssen wir uns nicht verstecken. Wer möglichst viel Bier für wenig Geld trinken will, ist in einer edlen Cocktailbar ohnehin am falschen Platz. Uns ist es wichtig, dass auch beim Bier unterm Strich etwas übrigbleibt“, erklärt Oliver Horvath.

Entscheidend ist, dass die Marke selbst soviel Wert vermittelt, dass sie bei den Gästen eine hohe Preistoleranz hervorruft. Deshalb ist es auch wichtig, frisch gezapftes Bier anzubieten und keine Flaschen oder gar Dosen. Bei Flaschenbieren, die in jedem Supermarkt erhältlich sind, fangen viele Gäste unweigerlich an, zu rechnen. Beim Fassbier gibt es für die Gäste keine unmittelbare Vergleichsmöglichkeit bezüglich des Einkaufspreises.

Das Kleinod Prunkstück ist eine der stimmungsvollsten Bars von Wien. Foto: Rainer Fehringer

Die Kleinod-Truppe bevorzugt es frisch gezapft. Fotos: Rainer Fehringer

Foto: Rainer Fehringer

wer&was

KLEINOD PRUNKSTÃœCK

Cocktailbar

1010 Wien, Bäckerstraße 4

Mo bis Mi 16.00 bis 3.00 Uhr

Do bis Sa 16.00 bis 4.00 Uhr