PORTRAIT // INTERVIEW
HENRIQUE SÁ PESSOA
In Portugal kennt ihn jedes Kind aus dem Fernsehen. Feinschmecker schätzen sein mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnetes Restaurant Alma. In Lissabon betreibt er vier weitere Restaurants, dazu noch eines in Macao und in Amsterdam.
Text: Wolfgang Schedelberger
Aktuell im Mai Gastkoch im Ikarus. Foto: beigestellt.
Mit Ihren Restaurants in Macao und Amsterdam wollen Sie die portugiesische Küche promoten. Im eigenen Restaurant Alma kommen jedoch auch japanische Aromen und Techniken zum Einsatz. Ist das nicht ein Widerspruch?
Nicht wirklich. Ja, ich habe es mir zur Aufgabe gemacht zu zeigen, wie man eine moderne portugiesische Küche auf hohem Niveau umsetzen kann. Das wollen wir nicht nur im Arca in Amsterdam und im Chiado in Macao zeigen, sondern auch im Bacão, dem Cais da Pedra, am Time Out Market und in der Tapas-Bar Tapisco. Das Alma hat eine gewisse Sonderrolle. Auch hier verwenden wir abgesehen von Sojasauce und Yuzu praktisch ausschließlich portugiesische Produkte.
Man schmeckt im Alma also, dass man sich in Lissabon befindet. Gleichzeitig sind wir jedoch ein modernes Luxusrestaurant, in dem wir eine zeitgemäße Küchenlinie auf höchstem Niveau bieten wollen. Besonders wenn es um rohen Fisch geht, führt für mich kein Weg an der japanischen Küche vorbei. Das spiegelt auch meine persönliche Leidenschaft für diese Küche wider.
Der Atlantik liegt vor der Haustür, doch arbeiten Sie auch hier mit Bacalhau. Wieso?
Bacalhau ist seit Jahrhunderten der Dreh- und Angelpunkt der portugiesischen Küche. Es ist so etwas wie ein identitätsstiftendes Symbol. Weil er ohne Qualitätsverlust leicht zu transportieren ist, findet man ihn auch in den Küchen jener Regionen unseres Landes, die nicht unmittelbar an der Küste liegen.
Die ursprüngliche Idee lag darin, Kabeljau ohne große Qualitätsverluste lange haltbar zu machen. Es hat sich aber gezeigt, dass durch eine schonende Trockenreifung sogar geschmackliche Qualitätssteigerungen möglich sind. Früher war das ein Essen für arme Leute. Wir wollen zeigen, dass Bacalhau auch in der internationalen Top-Gastronomie eine Rolle spielen kann. Deshalb gibt es im Alma-Menü auch immer ein oder zwei Gerichte mit Bacalhau.
Auch in den vier weiteren Restaurants in Lissabon spielt Bacalhau eine wichtige Rolle. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie als Koch eines kleinen Luxusrestaurants zum Multi-Gastronomen geworden sind?
2008 habe ich gemeinsam mit meinem Partner Daniel Costa das erste Alma im Stadteil Santos aufgesperrt, das zwar alle geliebt haben, kommerziell erfolgreich war es trotzdem nicht. Verdient habe ich damals eigentlich nur mit meinen TV-Auftritten. Ich hatte davor ausschließlich in Hotelrestaurants gearbeitet, wo ich mich „nur“ um die Küchenleitung kümmern musste. Als ich mit dem eigenen Restaurant auch Unternehmer wurde, habe ich gemerkt, dass es hunderte andere Dinge gibt, die für den kommerziellen Erfolg mindestens genauso wichtig sind wie die Küche. Ich habe praktisch rund um die Uhr gearbeitet und trotzdem zu wenig Zeit für die kreative Entwicklung der Küche gehabt – vom Privatleben ganz zu schweigen.
Dann habe ich Rui Sanches kennengelernt, der mit seiner Restaurant-Gruppe Plateform schon damals sehr erfolgreich war. Er hat mir angeboten, gemeinsam einen neuen Anlauf an einer besseren Adresse zu machen. Seither läuft das Alma – und auch die anderen Lokale, die gefolgt sind – ausgezeichnet. Das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Wenn alles gut läuft, schauen solche Partnerschaften am Anfang gut aus. Gleichzeitig hat ein Finanzpartner in erster Linie den Profit im Fokus. Wie viel Druck spüren Sie da? Und wie schaut es in Krisenzeiten wie während der Pandemie aus?
Gerade während der Pandemie war es sehr hilfreich, Teil einer finanzkräftigen Gruppe zu sein. Das hat es uns möglicht, alle Schlüsselmitarbeiter zu behalten. Zu normalen Zeiten schreibt auch das Alma stets schwarze Zahlen. Wir sind dauernd ausreserviert, und wie man den Einkauf plant und die Preise kalkuliert, habe ich schon zuvor gewusst. Ohne diese Partnerschaft wären die Eröffnung von weiteren Lokalen in Lissabon wie auch die Engagements im Ausland nicht möglich gewesen. Mehrere Restaurants zu betreiben, ist auch für die Rekrutierung und Entwicklung von Mitarbeitern von Vorteil, weil man ihnen attraktive Perspektiven für ihre Karriere bieten kann.
Vor allem das Tapisco fühlt sich gar nicht so an, als wäre es Teil einer großen Restaurant-Gruppe. Was hat es mit dieser Tapas-Bar, die gleichzeitig modern und wunderbar altmodisch ist, auf sich?
Das Tapisco ist eine Herzensangelegenheit von mir. Mich freut es besonders, dass dort auch viele Kollegen in ihrer Freizeit hingehen, weil das eine Bestätigung für die Qualität unserer Speisen ist. Das Alma ist ein Luxusrestaurant, in das viele Gäste nur ein oder zweimal im Jahr gehen. Dort zu essen ist etwas Besonderes.
Ins Tapisco kann man jeden Tag gehen. Es ist für die Einheimischen also das wichtigere Restaurant. Dort können wir klassische portugiesische Gerichte in ihrer traditionellen Form kochen, wenngleich wir bei der Präsentation und Portionsgröße darauf schauen, dass sie unserer Zeit entsprechen.
Als Partner sind Sie nicht nur für die Gestaltung des kulinarischen Angebots, sondern auch für das operative Geschäft der Restaurants verantwortlich. Dennoch finden Sie Zeit für Fernsehauftritte und die Betreuung von Restaurants in Amsterdam und Macao. Wie geht sich das aus?
Wenn ein kleines Restaurant wie das Tapisco einmal läuft, brauche ich als Chef nicht dauernd vor Ort sein. Entscheidend ist, dass man ein tolles Team hat, das harmoniert und versteht, worum es geht. Im Alma bin entweder ich oder mein langjähriger Partner David Costa am Pass. Ohne ihn hätte ich keine weiteren Restaurants aufgesperrt. Natürlich ist es schön, wenn man im Leben eine Position erreicht hat, mit der man seine Familie ernähren kann.
Aber ich verspüre auch ein gewisses Sendungsbewusstsein, was die portugiesische Küche betrifft. Ich finde, dass sie in der Welt und mitunter sogar hier in Portugal unter ihrem Wert geschlagen wird. Meine Engagements in Amsterdam und in Macao bin ich nicht eingegangen, um mehr Geld zu verdienen. Ich will die Küche meiner Heimat populärer machen. Deshalb bin ich ins Fernsehen gegangen, und das ist auch der Grund, wieso ich im Mai gerne nach Salzburg in den Hangar-7 gekommen bin.
Wie wichtig ist dabei die Authentizität? Nach Macao werden Sie ja kaum portugiesische Produkte schicken, oder? Was haben Sie nach Salzburg mitgebracht?
Nicht nur wegen der Kosten, sondern auch aus ökologischen Gründen arbeiten wir im Ausland mit frischen regionalen Produkten. Einzig der Bacalhau ist immer dabei, und der lässt sich ja problemlos und ohne Qualitätsverlust verschiffen. Das wissen wir Portugiesen schon seit Jahrhunderten.
Das Alma verbindet Alt mit Neu: Designmöbel wirken im historischen Ambiente besonders gut.
Das Balcão liegt im Luxuskaufhaus El Corte Inglés und übersetzt Pessoas Philosophie in einem lockeren Rahmen.
WELTENBUMMLER MIT SENDUNGSBEWUSSTSEIN
Henrique Sá Pessoa kam 1976 in Lissabon zur Welt und ging mit 17 Jahren für ein Austauschjahr auf eine Highschool in den USA. Erst dort entdeckte er seine Leidenschaft fürs Kochen und absolvierte nach dem Schulabschluss eine Ausbildung am Culinary Institute in Pennsylvania. Danach arbeitete er jeweils für drei Jahre in Hotelküchen in London und Sidney. Zurück in Lissabon begann er im Restaurant des Hotels Sheraton und dann im Gourmetrestaurant des Hotels Lapa.
2008 machte er sich gemeinsam mit seinem Kollegen Daniel Costa selbständig und eröffnete das kleine Gourmetrestaurant Alma, das von der Kritik gelobt wurde aber nie schwarzen Zahlen schrieb. Durch seine TV-Auftritte („Entre Pratos“, „Ingrediente Secreto“) schaffte er es dennoch, sich über Wasser zu halten.
2013 musste er das Alma schließen und eröffnete es zwei Jahre später an einem besseren Standort neu. Diesmal allerdings mit dem finanziellen Rückhalt der Restaurant-Gruppe Plateform von Rui Sanches, die insgesamt 147 Restaurants betreibt. Mit derart professionellen Strukturen im Hintergrund konnten sich Sá Pessoaund Costa voll auf die kulinarische Entwicklung des Almas konzentrieren.
2016 kam der erste Michelin-Stern, 2018 folgte der Zweite. Mit dem simplen Restaurant im Time Out Market hatte Henrique Sá Pessoa bewiesen, dass er auch legere Konzepte beherrscht. Mit der grandiosen Tapas Bar Tapisco, dem Bacão im Luxuskaufhaus Corte Inglés sowie dem Cais da Pedra folgten drei weitere Restaurants.
Unter seiner kulinarischen Leitung eröffnete im Jahr 2018 in Macao das Restaurant Chiado, im vergangenen Jahr folgte in Amsterdam das Arca, die jeweils in noblen Hotels beheimatet sind. In beiden Restaurants will Sá Pessoa einem internationalen Publikum die portugiesische Küche vermitteln, wobei der traditionelle Bacalao eine zentrale Rolle spielt.
Adressen
Restaurants in Lissabon:
ALMA
R. Anchieta 15, 1200-224 Lisboa,
Portugal
www.almalisboa.pt
CAIS DA PEDRA
Armazém B, loja 9, Av. Infante Dom
Henrique, 1900-264 Lisboa
www.caisdapedra.pt
TAPISCO
R. Dom Pedro V 81, 1250-096 Lisboa
www.tapisco.pt
HENRIQUE SÁ PESSOA TIME OUT MARKET
R. Ribeira Nova 50, 1200-109 Lisboa
www.timeoutmarket.com/lisboa/en/
Internationale Restaurants:
CHIADO
Sands Casino & Hotel
Macao
sandsresortsmacao.com
ARCA
Art’otel
Amsterdam
www.arcaamsterdam.com