20ERJUBEL

KÖNIG DER NACHT

Familie, persönliche Weiterbildung, soziales Engagement – so stellt man sich das Leben eines umtriebigen Diskotheken-Betreibers eigentlich nicht vor. Auch wenn Stefan Süß eine gute Party-Nacht noch immer zu schätzen weiß, lässt er sich nicht vom vermeintlichen Glamour des Nachtgeschäfts blenden.

Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Rainer Fehringer

Face to face: Inspirierende Gespräche erzählen Lust- und Lebenswerte Geschichten. Foto: Rainer Fehringer.

In jungen Jahren hat das Nachtleben zweifellos seine Reize, aber wenn man einmal erwachsen ist und Familie hat, bleiben die meisten Menschen am Wochenende lieber zu Hause. Für Sie scheint das nicht zu gelten. Schließlich trifft man Sie immer noch bis in die frühen Morgenstunden im Empire?

Ich könnte es mir einfach machen und sagen, dass das halt zum Geschäft dazugehört. Aber ganz ehrlich: Es macht mir immer noch Spaß, dabei zu sein, wenn junge Leute bei mir eine gute Zeit haben. Es tut auch gut, gemeinsam mit dem Team nach einem erfolgreichen Abend das Lokal zuzusperren. Auch wenn wir – alle Lokale zusammengerechnet – mehr als 400 Mitarbeiter beschäftigen, fühlt es sich für mich immer noch wie eine große Familie an.

Aber Sie haben ja auch eine kleine Familie. Wie lässt sich das mit der Rolle des Disco-Kings vereinbaren?

Ich bin kein Disco-König, sondern sehe mich als Gastronom, dessen Geschäft zu einem Gutteil in der Nacht über die Bühne geht. Der Sonntag gehört der Familie, egal wie spät es geworden ist. Ich komme ja nicht betrunken nach Hause, also geht das schon. Ich glaube auch, dass es notwendig ist, hautnah zu erleben, wie es im eigenen Lokal läuft, und nicht nur die Umsätze mit jenen vom Vorjahr zu vergleichen. Schließlich ist das Nachtgeschäft nicht einfacher geworden. Seit wir vor knapp 20 Jahren das Empire aufgesperrt haben, hat sich vieles verändert.

Die 1990er-Jahre waren die goldenen Zeiten der Diskotheken. Was hat sich seither geändert?

Alles! Damals gab keine Handys und kein Internet. Man ist in die Disco gegangen, um jemanden kennenzulernen oder einfach nur, um zu hören, was für eine Musik gerade angesagt ist. Heute wird das alles über das Handy erledigt. Trotzdem wollen junge Leute am Wochenende etwas erleben, aber die Ansprüche sind stark gestiegen. Heute fahren junge Leute wesentlich weitere Wege, wenn es irgendwo einen angesagten Event gibt. Wir müssen also stets auf der Höhe der Zeit sein, um den Laden voll zu bekommen. Ob es damals wirklich goldene Zeiten waren, weiß ich nicht. Natürlich haben manche Kollegen mit den ersten Großtraumdiskotheken richtig viel Geld verdient, es gab aber auch regelmäßig Pleiten, weil es auch um sehr große Investitionen gegangen ist. Wie auch immer – vergangenen Zeiten nachzuweinen habe ich nie für eine gute Strategie gehalten.

Wie bleiben Sie tatsächlich auf der Höhe der Zeit? Privat werden Sie ja eine andere Musik hören als die Teenager von heute?

Ich habe mich vor 20 Jahren nicht in die laufenden Playlists eingemischt und mache das heute auch nicht. Das Gleiche gilt für die Buchung von angesagten DJs, was wirklich ins Geld gehen kann. Da verlasse ich mich auf jüngere, szenekundige Mitarbeiter, die wissen, was die Kids hören wollen. Auch für die Bespielung der Social-Media-Kanäle vertraue ich auf junge Mitarbeiter, die wissen, wie das funktioniert. Die traditionelle Werbung ist aber noch nicht ganz passé. Große Plakate im öffentlichen Raum gehören immer noch dazu. Außerdem sind auch die Mitarbeiter an den Bars ganz wichtig. Wenn die gut sind und einen großen Freundeskreis haben, bringen sie ebenfalls viele Gäste ins Lokal.

Das Nachtgeschäft ist und bleibt ein heikle Sache, weil man mit Themen wie Alkoholmissbrauch, sexuellen Übergriffen, Drogen und Gewalt zu tun hat. Kann man das durch eine strenge Einlasspolitik an der Tür in den Griff bekommen?

Wir haben – zumindest was den Dresscode betrifft – keine strenge Einlasspolitik. Wir begrüßen unsere Gäste höflich und bedanken uns bei der Verabschiedung fürs Kommen. Wir sorgen mit Securities auch im Lokal dafür, dass sich unsere Gäste nicht nur wohl, sondern auch sicher fühlen. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl kann man viele Situationen entschärfen, bevor sie eskalieren. Natürlich kommt es vor, dass junge Leute zu viel trinken, aber das ist ein gesellschaftliches Problem, das man nicht an Diskotheken aufhängen kann. Das Gleiche gilt für Drogen. Wenn junge Burschen mit wenig Geld viel trinken wollen, machen sie das zumeist außerhalb, weil das doch deutlich günstiger ist. Generell würde ich sagen, dass diese Probleme eher im Abnehmen sind. Zu uns kommen praktisch alle Gäste mit dem Auto, und es ist zum Regelfall geworden, dass immer einer dabei ist, der konsequent nichts trinkt. Das war früher nicht immer so. Ich finde es schade, dass die Erwachsenen in erster Linie Probleme sehen, wenn junge Menschen am Wochenende eine Party haben. In erster Linie geht es bei uns um Spaß und Freude.

... und auch um soziale Verantwortung. Im April ist im Empire wieder eine „Alltogether-Party“ gestiegen, bei der Sie den Erlös Behinderten aus dem Bezirk Rohrbach zu Verfügung stellten. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Wir machen das von Anfang an. Heuer war es bereits die 18. Auflage dieser Veranstaltung, zu der über 2.000 Gäste gekommen sind. Ich finde es extrem befriedigend, wenn man so etwas unterstützen kann. Da geht es nicht nur darum, Geld zu sammeln, sondern vor allem um eine Bewusstseinsbildung gegen soziale Ausgrenzungen. Es ist auch jedes Mal einer der lustigsten Abende des ganzen Jahres.

Gehen die Leute wirklich nur mehr im Winter in die Disco?

Ja, leider. In der warmen Jahreszeit gibt es an den Wochenenden einfach zu viele Alternativen, von lokalen Bezirksfesten bis hin zu den großen Musik-Festivals. Ein Diskothek wie das Empire funktioniert nur dann, wenn sie voll ist. Wenn junge Leute das Gefühl haben, bei etwas Großem dabei zu sein, spielt Geld fast keine Rolle. Aber wenn wir an zwei Donnerstagen hintereinander nur halb voll wären, hieße es rasch, „dort brauchst du nicht hingehen, dort ist nichts los“. Auch wenn wir im September in unsere 20. Saison gehen und wir wissen, was wir tun, bin ich jedes Mal aufs Neue nervös. Auch deshalb haben wir in den letzten Jahren unser „normales“ Gastronomiegeschäft mit Lokalen wie dem Pergwerk, dem Ennswerk und den beiden Rox in Linz und Graz ausgebaut. Dort geht es zwar auch immer um Musik und gute Stimmung, aber das Geschäft unterliegt nicht so starken saisonalen Schwankungen.

Seit ein paar Jahren halten Sie auch regelmäßig Vorträge. Wieso machen Sie das, und worum geht es dabei?

Ich beschäftige mich mit vielen Themen. Ich komme zwar kaum zum Lesen, aber weil ich viel Zeit im Auto verbringe, habe ich mir schon vor Jahren angewöhnt, beim Autofahren Audiobücher zu hören, bei denen es vor allem – aber nicht nur – um Persönlichkeitsentwicklung geht. Ich bin auch ein richtiger Fan vom Motivationscoach Tony Robbins, den ich schon zweimal live erleben konnte. Angefangen hat alles mit internen Teammeetings, weil ich die Entwicklung von Mitarbeitern als meine wichtigste Aufgabe sehe. Dann wurde ich bei einem runden Jubiläum gegen meinen Willen aufs Podium geholt, um ein bisschen etwas zu erzählen. Ich habe gemerkt, dass sich das gar nicht so schlecht anfühlt und die Gäste waren begeistert. Ich mache das seither mit großer Freude regelmäßig. Es geht dabei aber nicht um einen persönlichen Ego-trip. Sich laufend weiterzuentwickeln ist für jeden Menschen wichtig. Ich besuche regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen und habe dann Vortragende, die mir besonders interessant erschienen, für unsere Mitarbeiter engagiert. Irgendwann bin ich auf die Idee gekommen, die Vortragenden zu fragen, ob sie nicht noch einen zweiten, kostenfreien Vortrag für Schüler halten wollten, und die meisten haben zugesagt. Bildung und Entwicklung sind für mich ganz zentrale Werte.

Und dann gibt es ja noch ein Schulprojekt in Ruanda, bei dem Sie sich engagieren. Wie ist es dazu gekommen?

Das gehört eigentlich nicht hierher, weil es eine private Geschichte ist. Aber vielleicht will uns ja der eine oder andere Leser dabei unterstützen. Mein Freund und Geschäftspartner Andreas Leitner und ich sind gleich alt. Zu unserem 40. Geburtstag haben wir uns gefragt, was wir uns gegenseitig schenken wollen und sind drauf gekommen, dass wir eigentlich alles haben, was wir brauchen. Also haben wir beschlossen, ein Sozialprojekt zu unterstützen. 

Über einen Bekannten sind wir auf Traude Schröttner getroffen, die sich schon lange in Afrika sozial engagiert und uns auf ein geplantes Kindergartenprojekt in Ruanda hingewiesen hat. Wir sind zur Eröffnung hingefahren und waren in jeder Hinsicht überwältigt. Ruanda ist eines der schönsten Länder dieser Welt, gleichzeitig aber auch eines der ärmsten. Also haben wir das fortgeführt und jetzt auch den Bau einer Schule finanziert. Meine Tochter Lea hat in ihrer Schule einen Flohmarkt ins Leben gerufen, mit dem wir weitere 8.000 Euro bekommen haben. Es ist einfach wunderbar, zu beobachten, wie viel man mit relativ wenig Geld erreichen kann. Und das Beste daran ist, dass so eine Initiative auch unsere eigene Gemeinde schöner macht.

STEFAN SÜSS LEBT IN DER NACHT

Der heute 43-jährige Mühlviertler stammt aus einer Gastronomie-Familie. Seine Eltern haben ihm den ursprünglichen Berufswunsch Kindergärtner ausgeredet und ihn zum Besuch der Hotelfachschule motiviert. Nach einigen Stationen im In- und Ausland hatte er genug von der Gastronomie und machte in Wien die Ausbildung zum Sportpädagogen. 

Mangels Job-Perspektive nahm er mit 23 Jahren das Angebot eines Freundes, Betriebsleiter des „Happy Night“ in St. Martin im Mühlkreis zu werden, an. Nach dem Umbau zum Empire St. Martin fehlte im Sommer 2000 jedoch plötzlich Kapital, also griff Süß – gegen den Rat von Familie und Freunden – auf sein Haus, das einzige (ererbte) Kapital, zurück und beteiligte sich mit 1,8 Millionen Euro. 

Das Vabanque-Spiel ging auf. Somit war der Grundstein für eine erfolgreiche Karriere als Gastro-Unternehmer gelegt.

Es folgten andere Betriebe, die manchmal auch wieder geschlossen werden mussten. Im Großen und Ganzen gelang Süß und seinem Team jedoch ein konsequenter Wachstumskurs. An den Wochenenden sind heute in den Nachtleben-Lokalen insgesamt über 400 Mitarbeiter im Einsatz. 

Zur Nachtleben-Gruppe zählen noch die Diskotheken Lusthouse (Haag am Hausruck), Evers (Unterwaltersdorf) und Be Happy (Oepping). Gastronomisch ist er mit den beiden Rox – Musicbar & Grill in Graz und Linz, der Jukebox (Unterwaltersdorf) sowie dem Pergwerk (in Perg) und dem Ennswerk (in Enns) engagiert. Das Ennswerk und das Rox in Graz kamen übrigens erst heuer zur Nachtlebengruppe – die Zeichen stehen also auch hier auf Wachstum. 

Das persönliche Steckenpferd von Stefan Süß heißt Persönlichkeitsentwicklung. Das ist ihm nicht nur privat wichtig, sondern auch ein zentrales Element bei der Mitarbeiterführung. Seit ein paar Jahren hält er auch selbst regelmäßig Vorträge zu diesem Thema. Stefan Süß ist verheiratet und Vater zweier Kinder.