STREIFZÃœGE

BEGNADETES GESAMTKUNSTWERK

Koloman statt Bâtard: Markus Glocker ist ein begnadeter Gesamtkunstwerker. Nun startet er mit seinem neuen Restaurant in New York voll durch. Exklusiv-Interview in NY!

Text: Wolfgang Schedelberger // Fotos: Nick Johnson und Koloman

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Foto: Koloman

Wer beim Vornamen Koloman intuitiv den Nachnamen Moser mitdenkt, liegt hier richtig. Koloman Moser hatte um 1900 die Wiener Werkstätten mitbegründet und den Begriff „Gesamtkunstwerk“ erfunden. Es ging ihm nicht darum, ein Kunstwerk in einem Ausstellungsraum zu präsentieren. Der gesamte Raum mit all seinen stilistischen Elementen präsentierte für ihn ein großes Ganzes.

Zurück in die 29th Street in Manhattan zwischen 5th Avenue und Broadway. Hier liegt das im September 2022 eröffnete Restaurant Koloman, das mit seinen rund 100 Sitzplätzen und der großzügig dimensionierten Bar ein anderes Publikum anspricht, als es das kuschelige Bâtard in TribeCa zuvor getan hat. Seinem kulinarischen Erfolgsrezept – modern österreichisch mit französischem – ist der Spitzenkoch aus Oberösterreich treu geblieben. Anspielungen auf österreichische Gerichte gibt es einige. Auch „unser“ Schnitzel darf dabei nicht fehlen. Doch trotz Stiegl Bier vom Fass, mehreren Weinen made in Austria und einem umfassenden Angebot an Schnäpsen von Reisetbauer und Rochelt handelt es sich beim Koloman nicht um ein typisch österreichisches Lokal.

Das letzte Mal haben wir uns vor vier Jahren im Bâtard getroffen. Du hast damals gerade das Konzept für das Augustine entwickelt. Augustine und Bâtard sind Geschichte, dafür hast Du mit dem Koloman jetzt einen richtig großen Laden. Wie kam es dazu?

Nach sieben Jahren Partnerschaft mit Drew Nieporent wollte ich mein eigenes Ding machen. Leider war das mit dem Bâtard nicht möglich, weil Drew unbedingt Mehrheitseigentümer bleiben wollte. Das Augustine ist vielversprechend angelaufen, aber auch dort hatte mit Keith McNally ein Gastronom die Leitung über und ich spielte – unternehmerisch betrachtet – eine untergeordnete Rolle, weil ich eigentlich „nur“ für die Rezeptentwicklung verantwortlich war. Mit der Pandemie musste das Augustine zusperren. Ich habe mir schon während der letzten Jahre immer wieder überlegt, wie ein großes Restaurant mit meiner Handschrift aussehen könnte. Mit der EHV International habe ich schlussendlich einen finanzstarken Partner gefunden, mit dem ich dieses Projekt angehen konnte.

Wie viel Nervenflattern war dabei? Zum einen spielst Du jetzt ja in einer ganz anderen Größenordnung, zum anderen hast Du in dieser neuen Nachbarschaft ein anderes Publikum als zuvor in TribeCa. Wie gespannt warst Du, ob das Publikum das Koloman annehmen würde?

Eigentlich habe ich gar keine Zeit gehabt, lange darüber nachzudenken, wie es werden würde, weil ich rund um die Uhr beschäftigt war. Es gibt Dinge, die kannst du beeinflussen, und da habe ich meine ganze Energie hineingesteckt. Und dann gibt es Dinge, wie zum Beispiel die Pandemie, die man akzeptieren muss. Momentan brummt New York, alle Hotels sind voll und auch die Einheimischen haben große Lust, wieder auszugehen. Es ist also ein guter Zeitpunkt, um ein neues Lokal aufzumachen. Aber natürlich wollen wir mit dem Koloman viele Jahre lang erfolgreich sein. Ein guter Start macht vieles leichter, aber wie gut wir wirklich sind, wird man erst in ein paar Jahren sehen.

Auch in New York gilt: Location, Location, Location. Die Gegend rund um die 29. Straße erscheint irgendwie langweilig. Wieso bist du trotzdem hierher gegangen?

Du warst wohl schon länger nicht hier. Die Gegend nennt sich NoMad, was für North of Madison Park steht und ist total im Kommen. Das Eleven Madison Park ist keine fünf Minuten entfernt, vor ein paar Monaten hat um die Ecke das neue Ritz-Carlton aufgesperrt. Zahlreiche weitere Hotelprojekte in der unmittelbaren Umgebung werden demnächst fertig gestellt. Wir liegen sehr zentral und sind leicht erreichbar, sowohl für Gäste aus Midtown oder Downtown. Auch die finanziellen Rahmenbedingungen haben gepasst – wir sind hier sehr, sehr glücklich.

Ein paar Gerichte erinnern an das Bâtard, wo Du von Anfang an einen Michelin-Stern hattest. Überhaupt fällt auf, dass die Präsentationen am Teller für ein Lokal dieser Größenordnung sehr akkurat sind. Ist das Koloman nun ein Fine Dining Restaurant oder fällt es eher in die Kategorie Casual Dining?

Die tolle Bewertung in der New York Times bringt es auf den Punkt. 3 Sterne bekommen eigentlich nur Fine Dining Restaurants, gleichzeitig wird unsere entspannte Atmosphäre gelobt. Wir haben einen hohen kulinarischen Anspruch, gleichzeitig wollen wir aber ein niederschwelliges, lässiges Lokal bleiben, wo man auch ohne Reservierung einfach nur auf einen Drink an der Bar oder ein schnelles Gericht vorbeischaut. Ganz bewusst haben wir deshalb auch auf ein Tasting Menü verzichtet. Die meisten Gäste essen ganz klassisch drei Gänge, es dürfen aber auch vier oder fünf Gerichte sein – je nach Lust und Laune.

Die Positionierung eines Restaurants hängt nicht zuletzt von der Preisgestaltung ab. Wie hast Du das Koloman diesbezüglich positioniert?

Ziemlich genau in der Mitte, was hier in New York ganz ausgezeichnet funktioniert. Die Vorspeisen kosten zwischen 20 und 30 Dollar, die Hauptspeisen zwischen 30 und 50 Dollar. Auch bei den Weinen haben wir ganz bewusst preiswerte Flaschen auf der Karte, weil wir kein Restaurant für spezielle Anlässe sein wollen, sondern Stammgäste gewinnen wollen. Glasweise geht es bei uns schon unter 20 Dollar los.

Die sogenannte „Mitte“ bedeutet dann aber doch Durchschnittsbons von knapp 200 Dollar pro Person – da kommen dann noch Tax und Tipp dazu. 250 Dollar pro Person ist dann doch ein recht stolzer Preis, oder?

Man darf New York nicht mit Österreich vergleichen, weil hier einfach alles teurer ist – von der Miete über den Wareneinkauf bis hin zu den Mitarbeitern. Wenn die Qualität passt, hat hier niemand ein Problem, 250 Dollar für ein Abendessen auszugeben. Du hast ja das aktuelle Preisniveau in den anderen Restaurants in New York gesehen. Wir sind durchaus preiswert und werden auch so wahrgenommen.

Du hast Weine aus Österreich in Programm, führst auf der Karte an, dass du mit Gölles Essig würzt und bietest auch das unverzichtbare Wiener Schnitzel an, dazu gibt es Stiegl vom Fass. Der Name Koloman ist ebenfalls eine Anspielung auf Deine alte Heimat. Und doch ist das Koloman kein dezidiertes Österreich-Lokal. Wieso eigentlich?

Österreich hat hier ganz allgemein ein sehr gutes Image. Die Leute kennen die Weine, sie lieben auch unsere Küche. Gleichzeitig wird die typisch österreichische Küche aber als deftig und rustikal gesehen – viele denken zunächst an Knödel, Schnitzel und Mehlspeisen. Außerdem wollen wir nicht altbacken oder konservativ erscheinen. Bei uns läuft nicht Strauß-Musik sondern zeitgemäße Lounge-Musik mit Beat. Auch die Einrichtung ist bei allem Bezug zu Wien der Jahrhundertwende elegant und beschwingt. Meine Küchenlinie spiegelt meinen bisherigen Lebensweg wider. Man entwickelte eine eigene Handschrift ja nicht aus dem Nichts. Das Schnitzel ist eine Kindheitserinnerung, aber danach haben mich das Steirereck, aber auch Eckart Witzigmann und Hans Haas beeinflusst. Und dann war ich sieben Jahre bei Gordon Ramsay. Auch das hinterlässt Spuren. (lacht)

Du bist bei Gordon Ramsay relativ schnell vom Koch zum F&B-Manager aufgestiegen. Dann hast du im Bâtard in einem wesentlich kleineren Rahmen wieder den Koch gegeben. Wie siehst du deine Rolle jetzt hier im Koloman?

Ich bin ein hoffnungsloser Gastro-Romantiker. Ich liebe die Küche und meine Mitarbeiter. Ich trage im Restaurant am liebsten meine Kochjacke und stehe am Pass. Deshalb war es mir so wichtig, eine offene Küche zu haben, sodass ich auch den Gastraum überblicke und gegebenenfalls auch kurz rauskommen kann. Trotzdem ist während dem Service mein Platz in der Küche. Mir ist ganz wichtig, dass in der Küche immer eine positive Energie herrscht. Die Art und Weise, wie man miteinander spricht und agiert, bestimmt schlussendlich das Energielevel in der Küche und das entscheidet, ob das Ergebnis am Teller großartig, oder eben nur ganz ok ist. Mit Katja Scharnagl, die bei Aldo Sohm als Sommeliere im Le Bernardin und dann in Aldos Winebar gearbeitet hat, haben wir eine großartige Restaurantleiterin gefunden, die perfekt als Gastgeberin agiert und das Österreichische auf eine sehr charmante Art und Weise rüber bringt.

Fine de la Baie Oysters

Foto: Koloman

Das Team während dem Service zu führen, ist zweifellos wichtig. Aber als Gastronom bist du ja auch für Einkauf und Mitarbeiter verantwortlich. Bei uns jammern viele, dass alles teurer wird und man keine Mitarbeiter findet. Ist das in New Yorker einfacher als bei uns?

Inflation gibt es hier auch, aber das muss man einfach in die Kalkulation einfließen lassen und dann auch die Preise anheben. Bei der Qualität der Produkte spare ich jedenfalls nicht, weil das ja die Basis dafür ist, dass es gut schmeckt. Vieles kaufen wir zweimal die Woche am Union Square Green Market. Dann haben wir ein Netzwerk von kleineren Farmern Im Norden. Außerdem ist mein Freund Markus Draxler mit seiner Firma Solex ist ein verlässlicher Lieferant für Fisch und Spezialitäten. Die Mitarbeitersuche ist die größere Herausforderung, aber da kommt mir halt zugute, dass ich seit 15 Jahren in der Stadt tätig bin. Da entwickelt man ein verlässliches Netzwerk und kennt die guten Leute. Auch wenn wir vom ersten Tag weg Vollgas gegeben haben, beschränken wir uns zunächst aufs Abendservice und haben am Montag geschlossen. Wenn sich alles gut eingespielt hat, will ich auch zu Mittag aufsperren, aber wir machen einen Schritt nach dem anderen.

Die Pandemie scheint endgültig hinter uns zu liegen, aber sie hat Spuren hinterlassen. Wie hast Du die Corona-Zeit in New York erlebt und wie hat sich das bei Dir wirtschaftlich ausgewirkt?

Ich war schlau und habe mir rechtzeitig eine Angel besorgt, weil die waren dann rasch ausverkauft. Das Gleiche war mit den Fahrädern, aber das hatte ich schon zuvor. Es war schon spooky, wie leer die Stadt war. Manchmal hast du im Central Park keinen Menschen gesehen. Ich war mit Freunden regelmäßig in Upstate New York zum Fischen, was wirklich toll war. In den 14 Jahren davor habe ich dafür praktisch nie Zeit gehabt. Für mich war es eine Zeit der Veränderungen, weil mir bewusst geworden ist, dass es an der Zeit ist, den Traum vom eigenen Restaurant ganz konkret voranzutreiben. Der Business-Plan fürs Koloman hat erste Konturen angenommen, ich habe mich um viele Kleinigkeiten wie Geschirr, Brotkörbe und so weiter gekümmert, wofür man normalerweise nie Zeit hat. Die Unterstützung der Regierung für alle jene, die von gesetzlich verordneten Schließungen betroffen waren, war eigentlich recht großzügig. Trotzdem hat die Pandemie in manchen Stadtteilen ihre Spuren hinterlassen. Insgesamt ist es etwas rougher geworden, weil die sozialen Spannungen zugenommen haben.

Zur Person

Foto: Nick Johnson

Markus Glocker ist 1981 in Gallneukirschen bei Linz zur Welt gekommen. Seine Liebe zum Kochen hat er schon früh entdeckt. Nach seinen Lehrjahren ist Glocker für zwei Jahre ins Steirereck gegangen. Dort hat er gesehen, wie herausfordern aber auch reizvoll die Welt der Top-Gastronomie sein kann.

Glocker wollte mehr und ist konsequenterweise in die wohl härteste Schule der Welt gewechselt – zu Gordon Ramsay nach London. Der raue Ton und die anfangs miserable Bezahlung haben ihn nicht abgeschreckt, sondern motiviert, sich auch in diesem Umfeld zu beweisen. In relativ kurzer Zeit hat sich Glocker den Respekt Ramsays erarbeitet und immer verantwortungsvollere Aufgaben übertragen bekommen. Als Ramsay 2005 sein erstes Restaurant in New York eröffnete, schickte er Glocker als Sous-Chef über den großen Teich.

Bereits zwei Jahre später eroberte er dort – mittlerweile als Küchenchef – zwei Michelin-Sterne. Schließlich wurde dem jungen Koch – Glocker war gerade einmal 28 Jahre alt – 2010 als Executive-Chef die kulinarische Leitung des gesamten „The London“ Hotels übertragen – vom regulären Restaurant über das Zimmerservice bis zum lukrativen Bankett-Geschäft. Das war paar Jahre lang richtig toll, aber irgendwann wollte Glocker wieder mehr kochen und nicht nur von einem Meeting zum nächsten eilen.

Gemeinsam mit der Gastro-Legende Drew Nieporent (Nobu, Tribeca Grill, …) eröffnete Glocker im Jahr 2014 das Bâtard in TribeCa. Auf Anhieb gab es drei Sterne von der New York Times und einen Michelin-Stern. Das Restaurant brummte, alle waren happy.

Nach fünf Jahren Bâtard machte Glocker gemeinsam mit einer weiteren prominenten New Yorker Gastronomen (Keith McNally, Besitzer von Balthazar und Minetta Tavern, …) zusätzlich das Augustine im Bleekman Hotel im Finacial District auf, das ebenfalls auf Anhieb hervorragend lief.

Mit Ausbruch der Pandemie musste das Augustine im Sommer 2020 dauerhaft schließen. Das Bâtard lief zunächst mit zahlreichen Einschränkungen weiter.

Glocker wollte die Anteile seines Partners Nieporent übernehmen, um sich in „seinem“ Restaurant endlich auch als Gastronom und nicht „nur“ als Küchenchef zu beweisen. Trotz mehrerer Anläufe scheiterte dieser Versuch. Schlussendlich stieg Glocker im Sommer 2021 aus dem Bâtard aus und entwickelte mit der EHV International ein Konzept für ein großes Restaurant, das seine Handschrift tragen sollte.

Im September 2021 fand man mit den ACE-Hotel in der 29th Street die richtige Location und den passenden Rahmen. Während der einjährigen Umbauphase arbeitete Glocker als Konsulent für mehrere Hotels in Florida, bevor am 15. September 2022 die Eröffnung des Kolomans erfolgte.

»So wie bei meinem Kochstil wollte ich das traditionell Österreichische auch in meinen Lokalstil integrieren!«

– Markus Glocker –