DAS BESTE AUS BOHNE UND GEIST

GUTER GEIST IM KAFFEE

Heiße Kaffeecocktails sind in den nassgrauen Tagen ideal, um sich den Herbst von innen her zu vergolden. Das Thema Hochprozentiges und Kaffee hat aber nicht nur saisonbedingt Hoch-Konjunktur. Österreichische Bartender wie Heinz Kaiser oder Sigrid Schot setzen das ganze Jahr auf die schwarze Bohne.

Text: Harald Schuster

Foto: Michael Otto

In Italien gibt es den Cafè corretto – ein Espresso mit wahlweise Grappa, Sambuca oder Amaretto. In Frankreich den Café Royal mit Cognac und Zucker flambiert. In den Niederlanden den Dokkumer Kofje mit Sahne und einem Schuss Genever auf Kräuter-Basis. Auch die Eidgenossen kennen die wärmende Kombination mit Zucker und Obstschnaps als Kafi Lutz. Wenn die Tage kürzer und kälter werden, ist Kaffee nicht nur ein Muntermacher für den Morgen. Sondern ein schwarzer Aufheller für den ganzen Tag.
Apotheker Barmann
Die aufhellende und stärkende Wirkung kann Heinz Kaiser nur bestätigen: „Die Hälfte der Spirituosen sind medizinisch wirksam“. Der Bar-Tender aus der Dino´s Bar im ersten Wiener Bezirk muss es wissen. Er hat Pharmazie studiert und abgeschlossen, und arbeitet neben seiner Bar-Tätigkeit auch als Apotheker. „Kaffee in der Bar wird als Thema immer stärker, und damit verbunden auch die Beschäftigung mit der Zubereitung“, sagt Kaiser. Anschauungsbeispiel für das verschränkte Wissen eines Baristas und Mixologen liefert Kaiser am „Blue Hour“. Ursprünglich wurde der Drink exklusiv für Johnny Walker Blue Label kreiert. Vorzugsweise genossen in der Blauen Stunde ist er ein idealer Cocktail-Starter für den Abend.

Foto: Michael Otto

»Der Blue Hour passt gut zu Desserts mit Noten von Dunkelbitter-Schokolade«

– Heinz Kaiser –

Rein die Bohne
Und so geht´s. Während man den Espresso hinunterlässt, bricht man eine geschlossene Kapsel grünen Kardamom in die Tasse – samt Schale und Kernen. Zwei bis drei Minuten ziehen lassen, dann Kaffee abseihen und mit Johnny Walker Blue Label und einem sehr trockenen Kirschlikör – Cherry Bitter Heering – vermischen. Das ganze mit Honig und Scherry-Wein von Pedro Ximénez in einer Kasserolle erhitzen. Kaiser: „Heiß servieren mit einer separaten Gewürzschale aus Zimt, Rauchsalz und Zucker – fertig.“ Bei der Heißversion kann man den Blue Hour nach Belieben würzen. Bei der Kaltversion wird der Cocktail vom Bartender kalt geschüttelt. Ein Drink – zwei Versionen für Sommer und Winter.
Verschiedene Varianten
Man kann den Blue Hour auch mit altem Rum, Cognac, Irish Whisky oder einem vorzugsweise schweren Single Malt Scotch machen. Kaiser: „Der Drink ist sehr versatil was die Basisspirituose betrifft. Solange es dunkle, gereifte Spirituosen mit malzigem und rauchigem Charakter sind, funktioniert er.“ Und wie sieht es mit der Variabilität beim Kaffee aus – etwa mit Cold Drip? „Den Kaffee zu infusionieren ist interessant, aber komplex. Es erfordert viel Engagement und Kaffee-Wissen – gerade beim Cold Drip“, sagt Kaiser. Durch die Ehrfurcht vor der Beschäftigungstiefe habe er sich „ganz oder gar nicht“ gesagt – und das Thema aufgeschoben. Wie komplex die beiden Welten von Kaffee und Mixologie sind, erklärt Kaiser an der Kaltversion des Blue Hour. Kaiser: „Das Geheimnis ist, einen ganz frischen, heißen Kaffee schockartig abzukühlen, mit viel Luft und deshalb unbedingt im großen Shaker.“ Denn einzig so setzt man die Saponine und verwandten chemischen Stoffe aus dem Kaffee frei, die die steife Konsistenz der Crèma ausmachen. Der Beweis: Beim Fotoshooting stand der Schaum des Blue Hour nach vierzig Minuten immer noch perfekt.

Foto: Michael Otto

Gutes Material
Kaffee in der Bar ist ein zukünftiger Trend. Stölner: „Die Industrie geht dahin, dass man kleine, sehr gute Maschinen produziert, die in Hotel- und Cocktail-Bars Platz haben. Und einen guten Espresso in der Bar anzubieten, ist sicher eine Bereicherung.“ Von Kapselmaschinen hält der SCAE-Obmann nichts. „Wenn der Barkeeper so etwas für einen Espresso braucht, dann weiß ich nicht, wie er den Cocktail macht“, sagt Stölner. Also entweder gescheit oder gar nicht. Einen großen Erfolg prognostiziert Stölner den Cold-Brews in der Bar. Einerseits wegen der feinen Aromen, die den Gaumen nicht zukleistern und damit Platz für andere Geschmäcker freilassen. Und andererseits, weil man Cold-Brew – ready to use – vorbereiten kann.

Foto: Rainer Fehringer

Wiener Melange
Dass die Wiener Kaffeekultur in einem Cocktail-Glas Platz findet, beweist die Hammond Bar. Sigrid Schot, die Gewinnerin des Bombay Sapphire Contest 2015 in London, mixt eine Kreation aus ihrem Hause: den „Simply Vienna“. Schot: „Wir brauchen Gin, den Wiener Kräuterlikör Kalê, etwas Essig, Pfirsich Topfen-Creme – und träufeln obenauf mit der Pipette eine Infusion aus Kaffee-Öl“. Kreiert hat den Drink ihr Mitarbeiter Dominik – „the Oberst“ – Oswald. In dem Drink spiegelt sich die Wiener Kaffeekultur: die Topfen-Pfirsich-Creme erinnert an Topfenstrudel, das Kaffee-Öl steht für den Kleinen Mocca.

Foto: Rainer Fehringer

Ölige Infusionen
„Wir arbeiten in der Bar gerne mit Öl, weil es eine andere Textur gibt“, sagt Schot. Grundlage für das Kaffee-Öl ist normales Rapsöl, in dem man den gemahlenen Kaffee kurz aufkocht. Das hält abgefüllt vier bis fünf Tage, danach verfliegt das Aroma. „Das Öl zieht einen Fettfilm über Gaumen und Zunge, sogar an den Lippen bleibt etwas hängen. Der Kaffee-Geschmack bleibt länger liegen“, sagt Schot, die der Meinung ist, dass „Kaffee in einer American Bar dazu gehört“. Die 29-jährige arbeitet mit einer Siebträger-Maschine von La Cimbali und lehnt Tabs-Systeme ab. „Neben der Kaffeequalität muss man bei Kaffedrinks mit dem Schmelzwasser aufpassen, damit es kein Bodensee-Kaffee wird“, also ein Kaffee, bei dem man auf den Boden sieht“. Beim neuen Kaffee-Klassiker „Espresso Martini“ etwa, muss man schnell, hart und kurz shaken – für die richtige Crèma. Schot: „Kaffee schafft eine andere Textur. Das zu kombinieren macht Spaß – sowohl bei der Zubereitung als auch beim Genießen.“ Denn wenn sich die Elemente im Glas trennen, sieht es aus wie bei besagtem Sturm – nur diesmal nicht im Wasser- sondern Cocktailglas; Ästhetischer Mehrwert garantiert. Den Espresso-Martini bekommt man in der Hammond Bar zurzeit übrigens mit den Winteraromen Haselnuss- und Mandel-Likör.

Heinz Kaiser

„Der Apotheker“ wird er deshalb genannt, weil er nach seinem Pharmaziestudium als solcher gearbeitet hat, aktuell in der Maria-Lourdes Apotheke im 12. Bezirk. Kaiser verfügt über ein enzyklopädisches Fachwissen seiner Spirituosen und ihrer Wirkungsweise: „50 Prozent der Bargetränke stammen aus der Apotheke.“ Für Gäste, die sich vertrauensvoll in seine Hände begeben, wird der Barbesuch als heilsames Erlebnis beschrieben.

www.dinos.at

Foto: Rainer Fehringer

Sigrid Schot

Mit Februar 2017 übernahm die 29-jährige die Hammond-Bar im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Dort arbeitete sie seit 2013 und wurde 2015 bekannt, als sie beim Bombay Sapphire Contest 2015 in London mit ihrer Drink-Kreation „El Diamante“ den Titel „World´s most Imagninative Bartender“ errang. Seit der Übernahme wurde die Bar wurde großzügig erneuert und umgebaut. „Die ersten sechs Monate waren so anstrengend – ich bin einmal sogar mit dem Geld in der Hand bei der Abrechnung eingeschlafen“. Nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau in Niederbayern kam Schot mit 19 Jahren nach Österreich und machte in Salzburg, der Steiermark und Tirol Halt. Seit 2009 ist sie in Wien, wo sie im Grand Hotel an der Bar stand. Schot ist verheiratet mit ihrem Mann Sebastian, seines Zeichens Küchen-Chef im Motto.

www.hammondbar.at

»Wir arbeiten gerne mit Öl, weil es dem Drink eine außergewöhnliche Textur verleiht«

– Sigrid Schot –

Foto: Fotostudio Vorbild

Das Lächeln macht den Unterschied

Getränke mixen ist seit über 15 Jahren sein Beruf und seine Berufung. Robert Pölzl ist Barkeeper aus Leiden- schaft und lebt diese Begeisterung im Barcatering für jeden seiner Gäste. Mal geschüttelt. Mal gerührt.

Im Buch “Billion Bars” wird ein umfassender Einblick in seine Arbeit im Laufe der Jahre gegeben. Es wird auf persönliche Weise von seinem Leben und Erfolg berichtet und die Schlüsselelemente seiner Karriere werden enthüllt. Zudem bietet es faszinierende Einblicke darin, worauf es wirklich ankommt, wenn man mit Gästen und Mitwirkenden zusammenarbeitet. Darüber hinaus enthält es eine Vielzahl spezieller Cocktails mit entsprechenden Rezepten, die mit Sicherheit ein Lächeln auf dein Gesicht zaubern werden. Eine besonders empfehlenswerte Auswahl an Kaffeemischungen wird ebenfalls im Buch präsentiert, darunter “Bananalicious” und  “Simply Elegant”.

Kaffee-Cocktails von Robert Pötzl

Wo Action und VIPs sind, ist auch er da. Robert Pölzl mixte von Kitzbühel bis Obergurgl, von der Ennstal Klassik Rallye bis zum Red Bull Air-Race seine coolen Drinks für die Promis dieser Welt. Das Bar-Buch „BillionBars“ vereint spannende Signature-Drinks – auch mit Kaffee. Hier zwei davon.

www.billionbars.com

Foto: Fotostudio Vorbild

NIGHTLIFE STARTER

„Simply Elegant“

1 oz Havana Club Añejo 7 Años

½ oz Monin Amaretto Syrup

1 cup Espresso – AFRO COFFEE Dark & Elegant

½ oz cream

topped with Red Bull Simply Cola

physalis

Foto: Fotostudio Vorbild

HEARTBREAKER

„Espresso Martini“

½ oz Belvedere Vodka

2/8 oz Kahlua

1 cup Espresso – AFRO COFFEE Dark & Elegant

1 BL powdered sugar

coffee bean, nutmeg grated