PORTRAIT
DER FREAK IM KUHSTALL
Feinfühlig und sensibel, doch voller Leidenschaft und Konsequenz – so ist Hermann Oberreiter, der mit dem Hoagascht in Flachau und als Mensch vieles bewegt.
Text: Günther Gapp // Fotos: Rainer Fehringer
Der Speise Würze ist der Hunger, des Trankes der Durst, so höre ich Sokrates sagen. -Cicero-
Im Jahr 2000 hatte er die Idee, einen Kuhstall in ein Restaurant zu verwandeln. Hier haben seine „PongAsia”-Gerichte, die zwischen Korea und dem Pongau angesiedelt sind und mit dem „Umami Streetfood” 2020 noch eine stylische Ergänzung als Imbisslokal und lokales Take-away erfuhren, ihre perfekte Bühne. Der alte Bauernhof dahinter wurde in den letzten zehn Jahren liebevoll renoviert und beherbergt nun fünf feine Apartments und Studios, ein Schwimmbecken, Jacuzzi und Sauna und das „Gascht’l Spa” (muss man gesehen haben). Die neue Tiefgarage mit den Ladestationen für E-Autos und Bikes vollendete im letzten Jahr dann die Umbauten im Hoagascht.
Der Start einer Karriere
Bei den Obauers wurden ihm 1989 noch „die Wadln vire g’richt”. Gemüse putzen, Fische schuppen und Küche reinigen waren die ersten drei Monate das Programm. Nach einem klärenden Gespräch mit Rudi Obauer, „Ich lasse das, glaube ich, denn ich brauch schon eine Entwicklung”, und der Antwort, „Oberreiter, alle anderen können gehen, du bleibst”, ging es dann mit Amuse-Gueule und Vorspeisen doch noch weiter. Diese Leidenschaft und Begierde der beiden Obauers, Produkte zu spüren, zu interpretieren und auch mehrmals zu intensivieren, faszinieren ihn noch heute.
Richard Schüßleder, der heute an der Landesberufsschule in Oberalm unterrichtet, wurde danach sein Mentor und aus ihm – nach Stationen am Arlberg, der Schweiz und Südkorea – ein g’standener Küchenchef und selbstbewusster Unternehmer, der seinen eigenen Stil gefunden hat und auch seine Meinung sagt: „Wenn ich den ganzen Tag richtig hochqualitative Gerichte vorbereite, sättige ich den Gast nicht schon davor und serviere Brot, Butter und Aufstriche. Mir ist es lieber, es ist noch Platz für das Dessert und Zeit für einen Blick auf unsere Schnapskarte.”
Das stylische Umami Bistro mit Take-Away Streetfood und die Einfahrt in die neue Tiefgarage beim Hoagascht.
Hoagascht – Essen, Trinken, Reden
„Ich bin der Regisseur über alles – Housekeeping, Küche und Service. Vormittags ist meine Rolle seit 22 Jahren das Mitaufbereiten in der Küche, speziell die Reifung, die Zerlegung, die Portionierung des Fleisches. Abends bin ich bei den Gästen beim Weinservice, Smalltalk und mit den Augen überall, um Nachjustierungen tätigen zu können. Anders funktioniert es halt nicht”, erzählt Oberreiter und ergänzt „meine Küche sind traditionell österreichische Gerichte, asiatisch interpretiert, die mit den Gewürzen, der Yuzu- oder Passionsfrucht und selbst gemachten fermentierten Saucen immer wieder neu entstehen. Jedes Jahr setze ich zwei, drei neue Gerichte auf die Speisekarte, obwohl ich mir da echt schwertue, weil die Gäste die alten Gerichte dann oft vermissen, jedoch soll die Küche gefordert sein, um nicht zu sehr in eine Routine abzubiegen.”
Es sind oft seine spontanen Eingebungen bei der Büroarbeit, bereits mit dem Wissen, wie es schmecken soll, denen ein Besuch in die Küche folgt, wo dann hergerichtet, probiert und nachjustiert wird. Wenn es dann am Löffel schmeckt, kommt das Gericht auf die Karte, wie diesen Sommer der gebackene Leberknödel auf einen Kartoffel-Vogerl-Salat mit einem asiatischen Essig und Joghurt, ein wenig Passionsfrucht und Wasabi. Darüber ein frisches Kürbiskernöl. Das harmonische Gaumenspiel von Säure, Süße und Schärfe sind typisch für seine Hoagascht-Gerichte.
Flachauer Wirte – Total lokal
Auch aus der nachhaltigen Verantwortung, das ganze Rind bzw. Kalb zu verarbeiten, entstehen seine Gerichte. Denn perfekte und gleichmäßige Verarbeitung bedeutet für ihn, wenn das letzte Stück Fleisch in der Küche verkocht ist, ist auch das letzte Gericht zum Gast serviert. Seit 2019 gibt es dazu auch die Marke „Total Lokal”. Mit ihm als Initiator und Obmann, steht sie für das Bekenntnis einer 15-köpfigen Gruppe von Wirten, Produkte aus der Flachauer Landwirtschaft in deren Küche zu veredeln. Rinder, Kälber und Lämmer stammen aus kleinstrukturierten Betrieben in der Region und verbringen ihre Sommer auf den saftigen Wiesen der Almen. Alpenlachs, Saibling und Forelle kommen aus eigenen Fischteichen in Flachauwinkl.
Diesen Sommer stand „Gulasch vom Flachauer Rind mit Blumenkohlpüree und gebackenem Semmel-Kren-Soufflé” als Signature-Gericht auf den Speisekarten der teilnehmenden Wirtshäuser. Kreative alpine Küche halt, die sich auch in vielen Events zeigt, wie beim jährlichen Lederhosen & Dirndl Clubbing am alten Dorfplatz. Mit gemeinsamen Ausflügen, wo die Gaudi natürlich nicht zu kurz kommt, wird das Zusammenspiel aus ehrlicher Landwirtschaft und Küche auch regelmäßig gelebt.
Mit einem Tick Boutique
Das 200 Jahre alte Bauernhaus hinter dem Hoagascht wurde zehn Jahre lang baubiologisch renoviert, ohne auf die alte Substanz zu vergessen. So wurden stolze 90 % des bestehenden Bauernhausholzes in der Tischlerei wieder zu Kästen, Türen und Böden verarbeitet. Und das spürt man bereits beim Eintritt. Die komfortablen fünf Apartments tragen den ganz persönlichen Stil des Hausherrn und lokalen Handwerks. Die freischwebende Treppe ist dabei das stille Designelement des Hauses, das neue Schwimmbecken vor dem Haus eine Attraktion für die Urlaubsgäste.
Der neue Edelstahl Pool mit Wasserfall und Gegenstromanalage
Der fünfte Geschmack
In seiner Zeit als Küchenchef im Muju Resort in Südkorea hat Hermann Oberreiter auch das Streetfood am Straßenrand der vielen kleinen Stände kennen und lieben gelernt. Im Jahr 2020 war die Eröffnung seines stylischen Imbisslokals „Umami Streetfood”, dann ein salbungsvoller Hit in einer schwierigen Zeit. Einerseits konnte er seine Mitarbeiter in Kurzarbeit beschäftigen, darüber hinaus hat es voll eingeschlagen: „Eine Institution, in der ich Kreationen hochwertig präsentieren kann für ein ungezwungenes Miteinander. Unsere Umami-Take-away-Boxen aus dem natürlich zu Boden gefallenen Blatt einer Arekapalme sind absolut unbehandelt und kompostierbar”, erzählt ein zufriedener Gastgeber.
Akut positiv
Die augenblicklichen Veränderungen können für die Gastronomie auch von Vorteil sein, meint er: „Vielleicht wird man nicht mehr in Zeiten offen haben, wo man nicht offen halten muss. Auch die Inflation und Teuerung werden vermutlich bald zu einem Umdenken führen, weil die Leute mit der Work-Life-Balance-Idee nicht mehr zurechtkommen werden. Es ist eine Illusion, mit vier Tagen Arbeit verdienstmäßig auskommen zu wollen und dass Unternehmer für weniger Arbeitszeit mehr zahlen können.”
Mitarbeiter in der Gastronomie zu finden wird immer schwieriger. Nicht so für Hermann Oberreiter. In zwei Jahren hatte er nie ein strukturelles Mitarbeiter-Problem. „Es ist richtig, dass es weniger Profis gibt, aber jeder Mensch hat versteckte Talente, die man erkennen und entwickeln kann, wenn man sich mit ihm beschäftigt. Das Diskutieren, Themen ausreden und das Fördern sind Werkzeuge, die es uns erlauben, Mitarbeiter zu haben, die man braucht”, so der Unternehmer. Der Wille, lernen zu wollen, dies auch einzufordern und fleißig zu sein, ist für ihn aber auch die Voraussetzung dafür. 19 Jahre hat er selbst Rekorde gejagt, war in einem Flow, der nun aber durchbrochen ist und so bei ihm selbst zu einer neuen Gewichtung führte.
Der Blick nach vorne
Die Schere zwischen ehrlicher Qualität am Teller sowie der Dienstleistung dahinter und dem Preis geht für ihn viel zu langsam auseinander. Aber für Hermann Oberreiter ist es ist nur eine Frage der Zeit, wann frische, ehrliche Küche richtig bewertet und korrekt bezahlt wird. Selbst hat er die Preise im Dezember 2021 um 15 % erhöht und die Löhne um 20 % angehoben. Gefühlte 10 % bis 15 % Erhöhung werden es heuer sein, um die Kosten unterzubringen und seine Gäste jedoch nicht zu verschrecken.
Die Familie, der Sport und das Berggehen, sitzen und gedanklich reflektieren, wo alles steht, sind sein Ausgleich zum unternehmerischen Leben, um weiterhin authentisch zu bleiben und seinen Gästen Einzigartiges zu bieten. Das ist zwar mitunter mit mehr Aufwand verbunden, dafür nachhaltiger. Und die Energie, die er mit jedem abgeschlossenen Projekt findet, investiert er wieder – als Basis für ein neues Projekt. Es dürfte also spannend bleiben.
Umami Streetfood in Flachau. Mit Take-away-Boxen aus dem natürlich zu Boden gefallen Blatt einer Arekapalme. Unbehandelt und kompostierbar.
Die Lieblingsgerichte
Die Steinpilzravioli mit Fenchelbutter und Sepia-Backerbsen wie auch seine Fischsuppe, die ausschließlich mit Süßwasserfischen zubereitet wird mit einem leichten Auszug intensiver Paradeiser, ein wenig Safran, Fenchel- und Koriandernoten sowie einem Hauch Pernod und Wermut, zählt er selbst zu den persönlichen Favoriten seiner Karte. Aber seine Speisekarte kann viel mehr und ist eine einzige Versuchung.
Fünf feine Apartments und fünf Studios beherbergt der umgebaute Bauernhof
wer&wo
HOAGASCHT
Flachauer Straße 14
5542 Flachau