WINNER AM LOSER

DIE AUFGEIGER DES JAHRES

Mit der Geigeralm haben Eva und Dominik Utassy eine Skihütte übernommen. Allerdings nie mit dem Ziel, sie als Skihütte weiterzuführen. Heute ist die Geigeralm einer der angesagtesten kulinarischen Hotspots im Ausseerland.

Text & Fotos: Jürgen Schmücking

«Ich weiß, was er kann. Und dass wir dort sind, wo wir immer hinwollten. Aber da geht noch was.»

– EVA UTASSY ÜBER DEN MANN HINTER IHR –

Die beiden sind auf bestem Weg, aber nach eigenen Angaben noch nicht ganz am Ziel angekommen. Wenn allerdings das, was von den beiden heute geboten wird, noch nicht das Ziel ist, können wir uns noch auf einiges gefasst machen.  Ein Lokalaugenschein am Fuß des Losers.

Es ist der dritte Gang im Menü. Er heisst schlicht “Maibock vom Loser” und ist mit Abstand das stärkste Gericht des Abends. Meinte jedenfalls der Koch, nachdem wir nach dem letzten Gang ins Gespräch kamen. Und wir waren uns dabei sehr einig. Das Gericht fährt ordentlich ein. Dominik Utassy kombiniert – das hat er früher schon einmal gemacht – den jungen Maibock unter anderem mit pochierter Auster. Einer Pléiade Poget Nr. 2, um genau zu sein. Kompakt, kraftvoller Biss, feste Textur. Dazu kombiniert Utassy Brunnenkresse, Kren, Wollmispel und Kräuterseitlinge und eine Austernjus. Eigentlich hätten es statt der Kräuterseitlinge Mairitterlinge werden sollen. Aber die Geigeralm steht am Fuße des Losers. Das ist nicht München oder Wien und mit ihrem Menüpreis sind die Utassys zwar wohlfeil im Vergleich mit vergleichbaren Restaurants, in ihrem Markt aber an der oberen Grenze. Jedenfalls gingen sich die Mairitterlinge oder Georgipilze, wie sie auch genannt werden, nicht aus. Dem Gericht schadet das in keiner Weise. Es ist eine spannungsgeladene Komposition aus bodenständiger Erdigkeit, leichter Schärfe, dezenter Süße und rätselhafter Harmonie. Denn irgendwie passen Rehwild und Auster zueinander, auch wenn die Welten, in denen sie leben verschiedener nicht sein können. Mit ‘Maibock vom Loser’ zeigt Dominik Utassy auf jeden Fall, wo der Hammer hängt. Und das er das mit den Aromen und Geschmäckern im Griff hat. Schauen wir uns also den Rest des Menüs an und beginnen der Einfachheit halber diesmal am Anfang. Als Gruß aus der Küche schickt Utassy eine Wildfanggarnele mit einer kleinen Scheibe vom Ziegenkitzhoden. Das ist auch eine schöne Sache in der Geigeralm. Hier wird die nose-to-tail-Philosophie gelebt, ohne großes Aufsehen zu machen. Ein paar Gänge später kommt das “Altausseer Rind” auf den Tisch. Mit gefüllter Zucchiniblüte, etwas Zunge und kleinen Stückerln von der Niere. Es sind selbstverständliche Bestandteile von Utassys Küche. So selbstverständlich wie die Reinanke vom Hallstätter See oder das Lamm vom Lebensgefährten seiner Tante. Bleiben wir kurz beim Menü und bei der Reinanke. Der Gang kommt frühlingshaft. Es ist ein zur Perfektion gebratenes Filetstück, das weißem Solospargel, Erdbeeren und Babyspinat angerichtet wird. Dazu kommt noch ein wenig Spargelpüree, Erdbeeren und nur leicht in Orangenöl marinierte Reinanke. Auf den ersten Blick mag da ein wenig die Säure fehlen. Aber auch das ist eine bewußte Entscheidung. Durch das Öl wirkt die marinierte Reinanke leicht süßlich und unterstützt so die Erdbeeren. Auch das ein feiner Gang, der Utassys Feingefühl und Konzentration auf Details zeigt. Nach der heimischen Reinanke kommt wildgefangener schwarzer Kabeljau. Mit wildem Hopfen, Schweinebauch und einer intensiven Essenz. Elegant und filigran und dabei doch stattlich und opulent. Utassy spielt gern mit Gegensätzen, und das Spiel gelingt eigentlich immer. Nach einer kurzen Erfrischung (Champagnereis mit Champagne) wird der Hauptgang serviert. Lamm aus der Zucht des Onkels vom Gallhof. Keule und Schulter. Geschmort und gebraten. Dazu gefüllter Spitzpaprika, Bärlauch und Morcheln. In Summe ein sehr präzise abgestimmtes Menü mit spannender Dramaturgie. Auch wenn nach Rind und Lamm noch ein Käsegang und reichlich Süßes serviert wird, an keiner Stelle hat man des Gefühl der Ãœberforderung. 

Ein Wort zum Service. Den hat Eva, die Frau an Dominiks Seite im Griff. Die Weinkarte ist schlau kuratiert und kann sich sehen lassen. Von den Klassikern der steirischen Biodynamie hin zu soliden Wachauern und Franzosen. Die Weine sind gut, und auf die Empfehlungen von Eva Utassy ist Verlass.  Vor allem passt die Karte unglaublich gut zur Küchenlinie der Geigeralm. 

Durchdacht, manchmal etwas gewagt, aber stets eine klare Linie verfolgend. Und große Klasse. Das gilt für die Gerichte ebenso wie für die Weine auf der Karte.

Das Skihüttenerbe

Früher war die Geigeralm eine Skihütte. Keine unbekannte wohlbemerkt. Am Fuß des Losers gelegen, kannte sie jede Skifahrerin und jeder Skifahrer. Genau so war allerding auch die Küche ausgestattet, als die Utassys beschlossen, die Hütte zu übernehmen. Dass sie das Lokal nicht als Skihütte oder Après-Ski-Bar betreiben werden, war dabei sonnenbrillenklar. Also mussten die 4 Friteusen raus und überhaupt einiges an der Geigeralm verändert werden. Heute ist sie nur von außen wiederzuerkennen. Im Inneren gibt es eine Stube. Urig, aber stilvoll eingerichtet. Vereinzelt hängen noch alte Skibindungen und vergilbte Fotos an der Wand. Erinnerungen an die Wurzeln. Die Küche in der Geigeralm ist klein. Die Friteusen sind zwar Vergangenheit, aber Dominik Utassy träumt von einer neuen Küche. Der Mann hat Ambitionen. Und eine Partnerin, mit der die Vorhaben umzusetzen sind. Leicht? Nein, leicht gewiss nicht. Das Ausseerland ist keine Metropole. Die Einheimischen wollen behutsam abgeholt werden und die Gäste kommen nicht von selbst. Trotzdem. Die Zeit und der Trend spielen Eva und Dominik in die Hände. In kulinarischer Hinsicht bewegt sich im Ausserland gerade einiges. In Altaussee selbst kocht Andreas Maier in der Mayrei eine ganz eigene feine Linie. In Bad Aussee, nur ein paar Autominuten von der Geigeralm entfernt steht Christian Wölkart am Herd im “Das James” und liefert dort eine atemberaubende naturverbundene Küche ab. Und nachdem diese Chefs eher Freunde als Konkurrenten sind, kommt es immer wieder vor, dass sie in einer ihrer Locations zu zweit am Herd stehen und “4-hands-dinner” anbieten. Der vierte im lukullischen Bunde ist Stefan Haas vom Gasthaus Seeblick und dem Restaurant Wassermann, der vom Restaurantführer Gault & Millau mit drei Hauben ausgezeichnet wurde. 

Wie gesagt, es bewegt sich was zwischen Loser, Trisselwand und Ödensee, und diese Bewegung ist spannend zu beobachten. Von Eva und Dominik Utassy werden wir jedenfall noch einiges hören. Sie halten derzeit bei drei Hauben. Unserer Ansicht ist damit aber der Plafond noch nicht erreicht. 

Bereits mit den ersten Grüßen aus der Küche macht Dominik Utassy klar, in welche Richtung der Abend gehen wird. Und die Richtung stimmt.

wer&wo

Geiger Alm

Lichtersberg 85 8992 Altaussee

www.geigeralm.at