FERNWEH IM GLAS

Bei uns haben viele regionale Brauereien trotz schwieriger Rahmenbedingungen und wachsender internationaler Konkurrenz überlebt. Das ist gut so. Doch auch wir Österreicher wollen hin und wieder eine internationale Bierspezialität im Glas. Auch das ist gut so.

Text: Wolfgang Schedelberger.

Seit Kurzem gibt es Corona nur noch als Mehrweg-Pfandflasche

Ein vollmundiges bayerisches Weizenbier, ein fruchtiges belgisches Kriek, ein dunkles Guinness, ein extraherbes norddeutsches Pils – all diese Stile will man als begeisterter Biertrinker bei aller Treue zu seinem regionalen Lieblingsbier ab und zu einmal trinken. 

Das erklärt das breite Angebot internationaler Biermarken am heimischen Markt aber nur teilweise. Schließlich werden auch Biere importiert, bei denen es ganz offensichtlich nicht primär um sensorische Erlebnisse geht. Eine Marke transportiert immer auch ein Stück Lebensgefühl. Es geht um Zielgruppen, Vertriebskanäle und Preis-Segmente. 

Authentizität im Ethno-Eck

Wenn es im Thai-Restaurant Singha oder Chang gibt, fühlt man sich gleich zurück in den letzten Urlaub versetzt. Beim Chinesen gibt es Tsingtao, beim Japaner Kirin oder Asahi und beim Türken Efes. In der Regel sind diese Import-Biere stets etwas teurer als das ebenfalls angebotene Schankbier einer österreichischen Brauerei und schmecken nicht zwingend besser. Bestellt werden sie trotzdem. Für die Betreiber sind sie ein Stück Heimat, für die Gäste eine kurze Fernreise.  

Auch in Bars und Nachtlokalen, wo man oft auf Fassbier verzichtet, sind internationale Marken sehr beliebt. Becks, Corona oder Heineken signalisieren dort Weltoffenheit. Die 0,33 Liter Flasche ist das passende Format und man unterscheidet sich vom Wirt nebenan, was das Verständnis für die Kalkulation etwas einfacher macht. Die internationale Stilistik eines klassischen Lagerbiers hat auch den Vorteil, dass sie mehrheitsfähig ist. Es ist wie beim Vanille-Eis: Kaum jemand hat Vanille als Lieblingssorte, aber es gibt auch fast niemanden, der es gar nicht mag.

Biere aus den Nachbarländern (Tschechien im Osten, Bayerisches im Westen) haben bei uns eine lange Tradition und werden oft auch vom Fass angeboten. Sie werden von vielen Österreichern als Teil ihrer eigenen Bierkultur gesehen, was ja auch stimmt. In den 1990er Jahren eröffneten hierzulande die ersten Irish Pubs, deren Popularität bis heute ungebrochen ist, wenngleich sich viele Österreicher immer noch schwer mit Stouts wie Guinness tun. In der Regel bekommt man in einem Pub ja auch ein Helles vom Fass.

Mehr Geschmack aus Ãœbersee

Seit ein paar Jahren hat uns die Craft Beer Welle Interessantes aus aller Welt beschert. Heute gibt es in Österreich Pale Ales aus Schottland und den USA, sowie hocharomatisches aus Dänemark und Italien – also Ländern, die bis vor kurzem nicht als qualitative Bierproduzenten bekannt waren. Auch traditionelle Spezialbiere wie etwa das belgische Leffe Blonde profitieren vom neu entfachten Durst auf internationale Spezialitäten. Im beliebten Wiener Bierlokal Café Anzengruber schenkt Patron Tomi Saric neben Trumer Pils und Puntigamer auch Leffe Blonde vom Fass aus: „Märzentrinker lieben das Puntigamer, Pilsfreunde das Trumer vom Fass. Wir haben aber auch einige Stammgäste, die extra wegen des Leffe Blonde kommen, weil es das in Wien nur selten vom Fass gibt. Als Lokal für Bierliebhaber wollen wir mehr als nur Pils und Märzen vom Fass anbieten“, meint Saric.  

Exoten als Bereicherung

In den 1980er Jahren habe ich im damals eben erst eröffneten Krah Krah meine ersten Erfahrungen mit Bieren aus Übersee gemacht. Red Stripe – wow es gibt auch Bier aus Jamaica. Verwenden die dort nur Hopfen oder vielleicht auch …? Estrella Dam – das kannte ich ja von meinem ersten Barcelona Besuch. Was? San Miguel gibt es auch aus den Philippinen? Zumindest optisch beeindruckend war die Riesendose Foster’s Lager aus Australien. Und wie schmeckt eigentlich ein japanisches Bier, das mit Reis statt mit Gerste gebraut wird?

Mehr als zwei oder drei Mal haben wir solche Exoten dann aber doch nicht getrunken. Nachdem der Reiz des Neuen verflogen war, sind wir wieder zu frisch Gezapften zurückgekehrt. Der Import von exotischen Bieren aus Übersee war sehr teuer und aufwändig. Oft dauerte es viele Monate, bis diese Bier bei uns waren. Das hat man auch geschmeckt. Sie waren eine Nische in der Nische.  

Regional – National - Global

In den letzten 20 Jahren hat sich die internationale Bierwelt dramatisch verändert. Im Zuge der Globalisierung etablierten sich einige Bier-Riesen, die weltweit agieren und auf allen Kontinenten Brauereien betreiben. Die zwei größten – AB InBev aus Belgien und Heineken aus Holland – sind auch in Österreich sehr aktiv. Heineken hat vor 20 Jahren die heimische Brau Union übernommen, zu der Brauereien wie Fohrenburger, Gösser, Puntigamer, Schwechater, Villacher, Wieselburger und Zipfer gehören. 

Im Gegensatz anderen Ländern hat Heineken in Österreich keine Brauereien geschlossen, sondern die regionalen Biervielfalt erhalten. Die Präsenz der eigenen Marke Heineken wird in der Gastronomie nur behutsam ausgebaut. Auch bei den anderen Marken des Heineken-Konzerns halten sich die Import-Zahlen in überschaubaren Grenzen. Die Marken Birra Moretti, Desperados und Sol werden in der modernen Brauerei Wieselburg hergestellt und sind somit streng genommen österreichische Biere.

Jung und trendig

Mit Desparados und Sol will Heineken bei jener jungen und markenbewussten Zielgruppe punkten, die sich auf das mexikanische Corona eingeschworen hat. Die gleichnamige Pandemie hat zwar aufgrund der Absagen von Festivals und der Schließungen in der Nachtgastronomie für Einbußen in der Gastronomie gesorgt. Die Marke an sich hat laut Maarten Schürmann aber keineswegs gelitten. Schürmann ist als AB InBev Geschäftsführer für Österreich und die Schweiz verantwortlich und erklärt den Erfolg des mexikanischen Trendbiers wie folgt: „Corona steht für gute Laune und gutes Gewissen. Vor allem junge Konsumenten interessieren sich zunehmend dafür, für welche Werte ihre Lieblingsmarken stehen. Deshalb engagieren wir uns mit Corona bei verschiedenen Initiativen wie etwa Protect our Beaches.“

Keine Frage, die jeweilige Öko-Bilanz eines Produkts wird für junge und zunehmend kritische Konsumenten immer wichtiger. Mehrweg-Gebinde haben (zumeist) einen geringeren CO2-Fußabdruck als Einwegflaschen, die auf der anderen Seite der Welt gefüllt wurden. Gleichzeitig macht es wenig Sinn, leere Pfandflaschen zurück nach Mexiko schicken. AB InBev hat also zunächst die Produktion der in Mitteleuropa verkauften Chargen von Corona nach Deutschland verlagert und verkauft seit Jahresanfang ausschließlich Pfandflaschen. „Das war für uns ein großer Schritt mit einem enormen logistischen Aufwand. Aber wir wollen bei AB InBev spätestens 2040 CO2-neutral sein und das lässt sich nur mit Umstellungen in allen Bereichen erzielen – von den Abläufen in jeder einzelnen Brauerei bis hin zum Vertrieb“, erzählt uns Schürmann beim Interview.

Weitere Marken von ABInbev, die in der heimischen Gastronomie eine Rolle spielen, sind Becks, Franziskaner, Spaten und Löwenbräu aus Deutschland sowie Stella Artois, Leffe und Hoegaarden aus Belgien.     

Deutlich geringer als bei Heineken und ABInBev ist das Österreich-Engagement der anderen Global Player. Zu erwähnen sind Asahi aus Japan, deren internationales Portfolio (Grolsch aus den Niederlanden, Peroni aus Italien sowie Pilsner Urquell und Kozel aus Tschechien) zumindest im heimischen Fachhandel gelistet ist. Der Spirituosen-Profi Kattus-Borco ist gerade dabei, den Marktanteil der Marken der US-kanadische Molson Coors Beverage Company zu erhöhen. Dazu gehören neben Coors und Miller Lite aus den USA auch das tschechische Staropramen. Die anderen Global Player (Carlsberg aus Dänemark, Group Castel aus Frankreich sowie die chinesische Großbrauereien) spielen in Österreich keine nennenswerte Rolle.  

Die Dose und ihr Image

Bis heute hat Dosenbier in Österreich ein schlechtes Image. Kein Wunder. Jahrelang wurden fast ausschließlich billige Diskontbiere im Supermarkt in der Dose vertrieben. Fast zwangsläufig erscheint beim Gedanken an Dosenbier das Bild eines herunter gekommen Gammlers vor dem inneren Auge. Von Bierkultur keine Spur. Schaut man sich heute in einem trendigen US-Getränkemarkt um, findet man ein paar Dutzend bunter Craftbiere in Dosen, aber so gut wie keine Flaschen mehr. In einigen Bundesstaaten (u.a. Kalifornien und New York) darf Dosenbier nur mit Pfand verkauft werden, wodurch eine hohe Recylcing-Rate gewährleistet wird. Modern produzierte Dosen sind eigentlich eine der besten Gebindeformen, wenn es darum geht, Bier für mehr als ein paar Wochen frisch zu halten. Kleine Brauereien, die hochpreisige Spezialitäten brauen und diese auch außerhalb ihres regionalen Marktes vertreiben wollen, kommen an der Dose eigentlich nicht vorbei.

Wenn mit Jahresende 2024 in Österreich ein verpflichtendes Dosenpfand kommt, wird dies den Markt wahrscheinlich beleben und das Image der Dose nachhaltig verbessern. Wenn es mit dem Pfand gelingt, eine ähnliche hohe Recycling-Rate wie beim Glas zu erreichen, ist die Dose in den meisten Fällen die ökologisch sinnvollste Gebindeform. 

Besser als vom Fass

Noch ökologischer ist es, Bier nicht in Flaschen oder Fässern zu transportieren, sondern gleich im Tankwagen. Dafür darf allerdings der Transportweg nicht allzu lange sein und der jeweilige Betrieb muss über Tanks verfügen. Das funktioniert nur, wenn der Ausstoß groß genug ist, denn direkt von der Brauerei geliefertes Tankbier wird nicht pasteurisiert und schmeckt einfach noch besser, wie man sich seit über einem Jahr in Wien beim Praterwirt mit Budweiser „vom Tank“ überzeugen kann. Seit kurzem gibt es am Laaer Berg im Restaurant Panoramaschenke der Familie Eitljörg ebenfalls eine Budweiser „Bier-Tankstelle“. Mehr dazu auf Seite XX dieser Ausgabe.

Damit setzt Budweiser konsequent auf seine Fassbier-Kompetenz, die von der Gastronomie in der östlichen Landeshälfte hochgeschätzt wird. Das führt zu einem Gastronomieanteil von stolzen 50 Prozent. „Für viele Bierfreunde ist „ihr“ Budweiser zwar kein rot-weiß-rotes, aber doch ein heimisches Bier, was ja auch irgendwie stimmt. Seit 1926 wird es im Schweizerhaus im Wiener Prater vom Fass ausgeschenkt. Budweis liegt keine 50 Kilometer hinter der österreichischen Grenze. Es ist also kein nationales, aber doch ein regionales Bier“, erklärt Michael Kolarik-Leingartner vom heimischen Vertriebsprofi Del Fabro-Kolarik.

Seit dem EU-Beitritt 1995 hat sich die Menge an importierten Bieren auf 747.000 Hektoliter fast verdoppelt. Trotzdem ist dies für heimische Brauereien kein Grund zum Jammern, denn auch unsere Exporte sind deutlich gewachsen und haben im vergangenen Jahr 888.000 Hektoliter ausgemacht. Unterm Strich ist Österreich beim Bier also nach wie vor ein Netto-Exporteur.

Der Obmann des Verbands der Brauereien Österreichs ist der oberste Bier-Botschafter unseres Landes. Im Juni hat Karl Schwarz (Zwettler, l.) das Zepter von Sigi Menz (Ottakringer, r.) übernommen.

Keine Einbahnstraße

Auch wenn wir in Österreich keine weltbekannten Biermarken haben, ist die Exportquote erstaunlich hoch. Vor allem unseren Nachbarn schmeckt Beer made in Austria ausgezeichnet.

In den lässigsten Lokalen von San Francisco ist „unser“ Trumer Pils allgegenwärtig, sehr oft sogar vom Fass. Man fragt sich nur, wie es gelingt, ein knackiges Pils derart frisch an die Pazifikküste zu bringen? Die Antwort ist ganz einfach: in Berkeley steht eine kleine, feine Brauerei, die das Salzburger Pils in Lizenz braut und in Fässern, Dosen und Flaschen füllt. Es wird in den USA regelmäßig zum besten Craftbeer in der Kategorie Pils gewählt, was das Patriotenherz höherschlagen lässt. Für die heimische Export-Statistik spielt dies – weil made in USA – allerdings keine Rolle. 

Das eine oder andere Österreich-Lokal in Übersee führt Stiegl Bier, Gösser oder ein Edelweiss-Weißbier der Brau Union. Besonders beliebt sind unsere Radler – der Gösser Radler ist in Deutschland ein richtiger Renner, die Radler von Stiegl erfreuen sich vor allem in den USA höchster Beliebtheit, weil es derartige Spezialitäten dort einfach nicht gibt. 

Im großen Stil lohnt sich der Export in weit entfernte Märkte für heimische Brauereien nicht. Dafür ist der logistische Aufwand einfach zu hoch und die Konkurrenz zu groß. Anders schaut es in der näheren Nachbarschaft aus. Mit 213.000 Hektolitern ist Italien unser stärkster Exportmarkt. Vor allem in Grenznähe und in Südtirol ist Bier aus Österreich sehr beliebt – in der Gastronomie wie auch im Handel. Dass Slowenien mit 171.000 Hektoliter auf Platz 2 der Exportstatistik liegt, mag überraschend klingen, weil man bei gelegentlichen Restaurantbesuchen nur selten Bier aus Österreich sieht. Des Rätsels Lösung liegt im Supermarkt: Mehrere heimische Brauereien stellen für den slowenischen Handel Eigenmarken her, die hierzulande unbekannt sind. Erst auf Platz 3 kommt Deutschland mit 131.000 Hektolitern. Das ist in Anbetracht des patriotischen Stolzes unserer Nachbarn beim Thema Bier doch recht beachtlich und bedeutet eine Verzehnfachung der Menge gegenüber dem Jahr 1995. Auf den Plätzen Vier und Fünf folgen Kroatien (64.000 hl) und Ungarn (31.000 hl).

wer&was

Top 10 Braukonzerne weltweit:

  1. AB InbeV  518 Millionen Hektoliter
  2. Heineken 257 Millionen Hektoliter
  3. China Res. Snow 122 Millionen Hektoliter
  4. Carlsberg 102 Millionen Hektoliter
  5. Molson Coors 82 Millionen Hektoliter
  6. Tsingtao 80 Millionen Hektoliter
  7. Asahi 59 Millionen Hektoliter
  8. BGI Groupe Castel 44 Millionen Hektoliter
  9. Yanjing 38 Millionen Hektoliter
  10. Efes 34 Millionen Hektoliter