GEKOMMEN UM ZU BLEIBEN

Harald Irka und Lisa Gasser sind angekommen. Auch ohne dem typischen Dialekt ist der gebürtige Linzer mittlerweile zu einem lebensfrohen Steirer mutiert. Ähnliches gilt für seine Lebensgefährtin Lisa Gasser, deren Kärntner Mundart stets für gute Laune sorgt.

Text: Wolfgang Schedelberger.

Seit Kurzem gibt es Corona nur noch als Mehrweg-Pfandflasche

Der Pfarrhof ist eines der schönsten Restaurants unseres Landes. Direkt neben der Kirche des kleinen Ortes St. Andrä im Sausal liegt ein barockes Schmuckstück, das in vergangenen Jahrhunderten den Pfarrern als standesgemäßes Zuhause gedient hatte. Bei der aufwändigen Renovierung zeigte sich der heimische Denkmalschutz überraschend großzügig. Ein mächtiger, unbehandelter Eisenkubus, der gemächlich vor sich hinrosten darf, wurde an der Querseite angebracht und dient seither als Küche. Das schlichtere Nachbargebäude war einst der Pferdestall. Heute sind hier sechs außergewöhnliche Zimmer, die man eigentlich als Suiten bezeichnen muss, untergebracht. Daneben liegt ein zweistöckiger „Pavillon“ aus Holz, wo man sich in der warmen Jahreszeit am liebsten aufhält. 

Renoviert wurde das alles noch unter den Vorgängern Tom und Katharina Riederer, die nach einer kurzen gemeinsamen Übergangsphase mit Harald Irka und Lisa Gasser ins istrische Momjan weitergezogen sind. Seit drei Jahren führen Harald und Lisa den Betrieb in Eigenregie. Ein erstes unternehmerisches Fazit kann man schon ziehen: der lange angestrebte Schritt in die Selbständigkeit ist dem immer noch jugendlich wirkenden Powerpaar gelungen.

Lust & Leben: „Dass du echt gut kochen kannst, hast du zehn Jahre lang in der Saziani Stub’n eindrucksvoll gezeigt. Sich als Gastronom unternehmerisch zu beweisen, ist aber etwas ganz anderes. Wie schwierig war dieser Schritt?

Das war kein Schritt, sondern sehr viele Schritte. Dass ich mich irgendwann einmal selbständig machen will, ist mir schon nach ein paar Jahren als Küchenchef in der Saziani Stub’n bewusst geworden. Eine Zeit lang stand im Raum, dass ich nach dem Pensionsantritt von Albert Neumeister das Restaurant am Weingut als Pächter übernehmen könnte. Daraus ist dann leider nichts geworden. Mit Jahresende 2019 habe ich mich mit Tom Riederer darauf geeinigt, seinen Pfarrhof gemeinsam zu bespielen, weil er ein paar Jahre später zur Gänze nach Istrien gehen wollte. Er war dem Verpächter im Wort, den Betrieb weiter zu führen. Die Idee, ein Restaurant mit zwei eigenständigen Küchenchefs zu bespielen, war zwar originell, hat auf Dauer aber nicht funktionieren können. 

Also hast du dann alleine weiter gemacht. Gleichzeitig brach die Pandemie aus. Wie habt ihr das gemeistert?

So wie für fast alle Kollegen war das extrem schwierig. Doch der Verpächter war verständnisvoll und ist uns damals sehr entgegen gekommen – sonst würde es uns heute nicht mehr geben.  

Bleiben wir noch kurz bei Deiner neuen Rolle als Gastronom und Hotelier. Neben dem Restaurant bietet er ja auch sechs Zimmer an. Zusätzlich zum Abendessen gibt es also auch ein Frühstücksservice. Wie groß ist das Team?

Die Küchen machen wir zu zweit, dazu haben wir noch einen Abwäscher. Seit vier Monaten habe ich mit Jan Gollinger einen neuen Souschef, der auch ein großartiger Patissier ist. Den Service schupfen meine Freundin Lisa und unser Sommelier Peter Hlinak. Und dann haben wir noch einen guten Geist, der sich um die Zimmer kümmert. That’s it. Von Sonntagabend bis Mittwochnachmittag haben wir geschlossen, damit wir uns um alles andere kümmern können. Da laden wir auch unsere Batterien wieder auf. An den vier Öffnungstagen sind wir voll gefordert, aber das gehört dazu, wenn man seinen eigenen Betrieb haben will.

Fine Dining – sprich das große Menü – gibt es aber nur mehr von Freitag bis Sonntag. Am Mittwoch und Donnerstag bittest du die Gäste zum „Essen im Ostrea“. Was hat es damit auf sich und wie ist es dazu gekommen?

Das hat mehrere Gründe. Wir haben sehr viele Gäste, die gerne öfter zu uns kommen, aber nicht immer ein großes Menü essen wollen. Denen wollen wir mit unserem A la Carte Angebot am Mittwoch und Donnerstag die Möglichkeit geben, uns ganz ungezwungen zu besuchen und vielleicht nur eineinhalb oder zwei Stunden zu bleiben und zwei oder drei Gänge zu essen. Das war zumindest der Plan, der nicht ganz aufgegangen ist, weil es oft Runden gibt, die viele Gänge essen und reichlich Wein bestellen. In der Küche und vor allem im Service sind die Ostrea-Tage mitunter sogar fordernder, als die Wochenenden, wo es im Großen und Ganzen ja nur ein Menü gibt. 

Und was für Gerichte kochst du A la Carte?

Ostrea ist das lateinische Wort für Auster. Das heißt, dass wir uns auf Fisch und Meeresfrüchte konzentrieren – auch aus der Adria, aber nicht nur. Weil wir entsprechende Menge brauchen, können wir uns auch Spezialitäten wie Thunfisch aus Spanien und getauchte Jakobsmuscheln aus Norwegen in absoluter Frische liefern lassen. Das kommt bei den Gästen total gut an und ich liebe es, mit Meerestieren zu arbeiten, wenn die Qualität passt. Auch im Fine Dining am Wochenende sind ein paar Gänge mit Fisch und Meeresfrüchten dabei.   

Damit liegst du aber nicht in aktuellen Trend, der eine Beschränkung auf regionale und saisonale Produkte am besten in Bio-Qualität fordert …

Wenn Du Dir meine Lieferanten anschaust, wirst du sehen, dass wir fast ausschließlich mit lokalen Produzenten arbeiten. Viel regionaler und saisonaler als wir einkaufen, kann man es gar nicht machen. Aber ich halte wenig von Dogmen und Schranken im Kopf. Einen Teil unseres Gemüses bekommen wir von einer Bäuerin, die ich schon seit vielen Jahren kenne und schätze. Bei ihrer Betriebsgröße macht eine Bio-Zertifizierung keinen Sinn. Soll ich jetzt Bio-Gemüse im Großmarkt bestellen, nur damit ich auch offiziell „Bio“ drauf schreiben kann? Nein, so ticken wir nicht!

Und der urbane Veganer-Trend spielt bei Euch auch keine Rolle?

Nicht wirklich. Wir leben am Land. Wobei ich überhaupt kein Problem damit habe, ein vegetarisches Menü zu kochen, wenn man uns das bei der Reservierung sagt. Gemüse spielt bei mir ohnehin eine tragende Rolle. Gleichzeitig haben wir eine sehr kleine Küche, in der wir zu zweit arbeiten. Auf Sonderwünsche können wir also nur bedingt eingehen.

Und doch sind Deine Gerichte sehr aufwändig zubereitet und auch optisch beeindruckend. Immer wieder überraschen einzelne Gänge mit unerwarteten Kombinationen. Beim aktuellen Menü war beim Taschenkrebs-Gang Saiblingscaviar dabei. Den dazu gereichten Fonds aus den Karkassen hast Du mit Walderdbeeren aromatisiert. Wie kommst du auf so etwas? Studierst du Kochbücher? Schaust du Kurzvideos auf Tiktok und Instagram?

Gar nicht. Die Erklärung ist eigentlich ganz simpel. Wir haben zu Wochenanfang einige Kilo frische Walderdbeeren bekommen. Da habe ich mir überlegt, was ich damit – außer zum Dessert – machen kann. Dann probiere ich ein bisschen und wenn es funktioniert, gibt es das dann am Abend. Nächste Woche wird es anders sein. Generell soll man beim Kochen nicht allzu schematisch vorgehen, sondern sich vom Angebot inspirieren lassen. Wieso Saiblingskaviar zum Taschenkrebs? Mir war die Textur des Gerichts am Gaumen noch ein bisschen zu langweilig. Vom Geschmack her hat es auch gepasst. Die Gerichte entstehen nicht, weil ich irgendwelche Konzepte umsetzen oder eine tolle Geschichte erzählen will. Sie müssen einfach gut schmecken. Ein tolles Menü muss auch ohne Gebrauchsanleitung oder endlos langen Erklärungen bei Tisch funktionieren.

Ganz offensichtlich habt Ihr Euer Publikum gefunden. Außer bei der 47° Gruppe bist Du bei keiner nationalen oder internationalen Marketing-Plattform dabei. Wird das überschätzt?

Das muss jeder Betrieb individuell entscheiden. Für uns ist das nicht so wichtig. Unsere 47 Gruppe betrachte ich nicht primär als Marketing-Plattform, sondern als Zusammenschluss von sechs gleichgesinnten Köchen aus der Region. Der interne Austausch ist mir mindestens genauso wichtig, wie die Wirkung nach außen. Wir haben vielfach die gleichen Themen, die uns beschäftigen. Wenn man in vertrautem Rahmen diskutieren kann, hilft das einfach. Und manches macht einfach Spaß, wie unser alljährliches, gemeinsame Sommerfest. Internationale Plattformen wie Relais & Chateaux und andere sind für uns einfach zu teuer. Erfreulicherweise habe ich mir in den 13 Jahren, in denen ich jetzt in der Südsteiermark arbeite, einen Namen machen können, der dafür sorgt, dass wir sehr viele Stammgäste haben. 

Wagen wir zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft. Du bist gerade erst 30 geworden und hast mit dem Schritt in die Selbständigkeit ein großes persönliches Ziel erreicht. Was kommt noch?

Der 30- Geburtstag hat ein bisschen weh getan. Ich fühle mich schon richtig alt. Eigentlich passt alles, auch privat. Gemeinsam mit der Lisa haben wir uns einen funktionierenden Betrieb an einem wirklich schönen Ort aufgebaut. Was ich in meinem Leben noch machen will, wäre ein echt gutes Wirtshaus aufzusperren. Das würde mir total taugen.

»Es macht Spaß, den eigenen betrieb zu führen«

– Harald Irka –

Am Wochenende gibt’s Fine Dining, am Donnerstag und Freitag einfacher angerichtete Meeresfrüchte.

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AM PFARRHOF

Sankt André im Sausal 1

www.ampfarrhof.com