LUST & LIEBE

ONE MEAL STAND

Text: Martina Bücher // Illustration: Michael Otto

Der Farmhouse-Burger hält, was er verspricht. Das perfekt gegrillte Patty liegt wohlig eingebettet in einem Nest aus Eisbergsalat. Das Spiegelei, das in der Pfanne davor perfekt in Form gebracht wurde, ist fest genug, dass der Dotter sich nicht über das gesamte Essen ergießt. Das Patty glänzt so saftig, dass einem bereits beim Anblick das Wasser im Mund zusammenläuft.
Mr Farmhouse

Illustration: Michael Otto

Nach dem ersten Bissen entsteht in Ina sofort ein wohliges Farmhouse-Gefühl. Würzig und kräftig. Nach der Begeisterung bemerkt sie allerdings eine unangenehme Trockenheit im Mund. Sie vermisst das sämige Wonnegefühl. Die Suche danach dauert allerdings nicht lange. Nur einen Zentimeter weiter unter dem Patty sammelt sich ein geschmackvolles Duo aus gegrillten Champignons und cremiger Burgersauce und verleiht dem nächsten Bissen das Tüpfelchen auf dem i. Nach dem köstlichen Mahl leckt sie sich genüsslich über die Lippen, die sich genau richtig anfühlen. Keine schmierig-fette Schicht darauf, nur pure Burgerlust-Reste.

So wunderbar das Burgererlebnis auch klingen mag – Ina ist bewusst, dass das Genussempfinden durchaus auch ihrem beachtlichen Hunger zuzuschreiben sein könnte, der sie beim deutlich zu langen Warten auf Verpflegung ereilte. In einem Lokal, in dem man länger als eine Viertelstunde auf einen Kellner warten muss, nur um ein Getränk zu bestellen, läuft was falsch. Vor allem, wenn der Kellner auf die Nachfrage mit trotzigem Schulterzucken reagiert. 

Dabei gäbe es ein ganz einfaches Mittel, um den aufkommenden Gästegrant ratzfatz zu entschärfen – engagierte Freundlichkeit. Wenn die Gäste sehen, dass sie gesehen werden, wenn sie spüren, dass das Personal gerne seine Arbeit tut und wenn trotz des erhöhten Arbeitsaufkommens ein Lächeln, ein Späßchen oder ein verständnisvollen „ihre Getränke werden gleich bei Ihnen sein“ rüberkommen, dann kehren rasch Ruhe und fröhliche Stimmung ein.

Ein Mensch, der das, was er tut, mit Liebe macht, hat doppelt so viel Energie. Das spürt man beim Service, schmeckt man beim Essen und fühlt man auch beim Sex. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass man seine Sexpartner unbedingt lieben muss, um guten Sex zu haben. Eine gute Servicekraft muss nicht jeden einzelnen Gast lieben. Und einer tatsächlich verliebten Köchin sagt man ja ein zu großzügiges Händchen beim Salzen nach. Nein. Es geht um die Liebe zur Sache, die Liebe zu der Tätigkeit, die man gerade verrichtet. Wer den Job nicht mag, wird darin nicht gut sein. Das gilt selbstverständlich auch für sexuelle Aktivitäten.

Wer Sexualität liebt, und sie nicht nur benutzt um das eigene Ego aufzupeppen oder Nähe zu erzeugen, hat nicht nur selbst mehr Lust und Freude am Bettgeschehen, sondern kann auch Andere in den Bann ziehen und begeistern. 

Ina steht auf leidenschaftliche Menschen, denen Energie und Freude aus den Augen blitzen. Mehr noch als auf gutes Essen. Ein toller Burger ist die Basis, der Service rundherum ist für sie aber genauso wichtig. Die aktuelle Burger-Erfahrung wird daher wohl ein One-Meal-Stand bleiben.

wer&was

MARTINA BUCHER

Martina Bucher ist Psychologin, klinische Sexologin und Kommunikationstrainerin. Sie begleitet Menschen bei Anliegen zu den Themen Sexualität, Bewusstheit und Genuss. Mit ihren Texten verknüpft sie ihren Beruf mit ihrer Leidenschaft für Gastronomie.

martina.bucher@lustundleben.at