Spirited Roundness

GEREIFTE FRISCHE

Ein Jahrgangschampagner aus dem Hause Krug ist stets etwas Besonderes. Das gilt auch für den jüngst präsentierten 2011er.

Text & Fotos: Wolfgang Schedelberger

Isabelle Bui hatte ein reizvolles Reisegepäck mit ins Wiener Park Hyatt Hotel gebracht: den neuen Krug 2011 Vintage und die vor vier Jahren herausgebrachte Grande Cuvée Edition 169.

Der Jahrgangswechsel geht auch bei großen Champagner-Häusern zumeist lautlos über die Bühne. Schließlich beruht der Erfolg der edlen Schaumweine aus Ostfrankreich zumindest teilweise darauf, dass sie Jahr für Jahr gleich schmecken und den Stil eines Hauses ohne große Variationen widerspiegeln. Das wird durch eine Assemblage aus mehreren Jahrgängen erreicht, wodurch eventuelle Schwächen des jeweils aktuellen Jahrgangs ausgeglichen werden.

Das ist auch bei Krug grundsätzlich nicht anders, wenngleich man sich dort bei der Gründung im 19. Jahrhundert dafür entschieden hat, jede Ausgabe zu nummerieren. Die aktuelle 171. Edition der Grande Cuvée basiert auf dem Jahrgang 2015, der mit Reserveweine aus zwölf reiferen Jahrgängen vermählt wurde. Mit seinem ausgewogenen Verhältnis zwischen Pinot Noir (45 %) und Chardonnay (37 %) und dem relativ hohen Anteil an Pinot Meunier (18 %) spiegelt auch die 171eme Édition die Charakteristik von Krug perfekt wider und steht für jene Kontinuität, die man sich von einem Schaumwein in dieser Qualitäts- und Preiskategorie erwarten darf.

Neben den beiden extrem raren und für Normalverdiener praktisch unerschwinglichen Lagenweinen Clos de Mesnil (Blanc de Blancs) und Clos d’ambonnay (Blanc de Noirs) füllt Krug in sehr guten Jahren auch einen Jahrgangschampagner ab, der preislich nur geringfügig über der Grande Cuvée liegt. Für Krug-Fans ist dies stets eine hervorragende Gelegenheit, die geschätzte Krug-Assemblage mit größerer Reife und einer Spur höheren Komplexität zu genießen.

Kleiner Jahrgang, große Weine

Mitte April kam Isabelle Bui – eine von drei weiblichen Önologen des sechsköpfigen Panels – nach Wien, um in kleiner Runde den neuen 2011 Vintage zu präsentieren. Statt im prestigeträchtigen Goldton ist das Label der Vintage-Linie in mattem Schwarz gehalten. Der Rebsortenanteil der Cuvée ist praktisch der gleiche wie bei der aktuellen Grande Cuvée. Der Pinot Noir sorgt für Frucht und Fülle, der Chardonnay für Frische und Eleganz, der Pinot Meunier für Struktur und Würze.

In aller Kürze: Es ist jedes Mal aufs Neue faszinierend, wie frisch und lebendig sich gereifte Champagner präsentieren können. Wenn es sich um einen frischen, reifen Champagner wie den 2011er Vintage von Krug handelt, kommt noch eine verführerische Steinobst-Frucht in der Nase und am Gaumen hinzu. Die (erwartbare) Länge macht jeden Schluck zu einem außergewöhnlichen Genuss.

Dennoch stellt sich die Frage, wieso Krug gerade den Jahrgang 2011 für einen Vintage ausgesucht hat. Dieses Jahr wurde von den meisten Kritikern als relativ schwach mit sehr heterogenen Qualitäten bezeichnet.

„Natürlich haben allgemeine Jahrgangsbewertungen einer Region ihre Berechtigung und geben auch eine gewisse Orientierung. Wir haben damals – so wie jedes Jahr – unsere Hausaufgaben in den Weingärten gemacht und trotz schwieriger Witterung sehr gute Qualitäten geerntet. Dass wir einen Jahrgangschampagner füllen würden, haben wir uns damals nicht gedacht. Die Entscheidung ist erst Jahre danach bei den Verkostungen der einzelnen Chargen gefallen. Das ist der Vorteil, wenn man, so wie wir bei Krug, die Weine aus verschiedenen Lagen separat reifen lässt“, erklärte Bui beim Tasting.

Jeder Jahrgang, in dem ein Vintage gefüllt wird, bekommt bei Krug übrigens einen Spitznamen. „Inspirierter Fülle“ (O-Ton Bui: „Spirited Roundness“) wurde für 2011 gewählt. Diese inspirierte Fülle war übrigens auch im zweiten Glas, das parallel mit dem 2011er Vintage verkostet wurde, zu erkennen. Es handelte sich um die Grande Cuvée 167, die zu über 50 % aus dem 2011er Jahrgang besteht. Dieser wirkt ein bisschen reifer und runder, was aufgrund des mehr als 40prozentigem Anteil an Reserveweinen auch nicht weiter verwundert.

Eine edle Erscheinung gehört bei einem Prestige Haus wie Krug natürlich dazu.

Wer Lust dazu hat, eine eigene Nachschau auf den „kleinen“ Jahrgang 2011 mit großen Schaumweinen zu machen, kann dies bei einem der vier Krug-Botschafter Österreichs Juan Amador, Konstantin Filippou, Andreas Döllerer und Hubert Wallner tun, die neben dem aktuellen 2011er Vintage auch gereiftere Editionen der Grande Cuvée im Keller haben. Santé!

Jeder Jahrgang, in dem ein Vintage gefüllt wird, bekommt bei Krug übrigens einen Spitznamen. „Inspirierter Fülle“ (O-Ton Bui: „Spirited Roundness“) wurde für 2011 gewählt.