DIE BOHNE FÜRS LEBEN

Oliver Goetz beschäftigt sich mit allen Aspekten rund um den Kaffee. Von Schlagwörtern wie Bio, Fair oder Nachhaltig hält er nicht viel – dafür ist die Materie viel zu komplex.

Text: Wolfgang Schedelberger Fotos: Rainer Fehringer

Seit 2008 röstet Oliver Goetz als Miteigentümer von Alt Wien Kaffee Kaffeebohnen. Im heurigen Sommer hat er von Werner Savernik das Lokal Coffee Pirates in der Spitalgasse übernommen und ist jetzt auch Gastronom geworden. Weiterhin agiert er als zertifizierter Q Grader für Arabica und Robusta Bohnen, ist Assistent Q Instructor, bildet Baristas aus und ist im Vorstand der SCA (Specialty Coffee Association of Austria). Wir haben ihn in seinem neuen Lokal auf einen Kaffee getroffen.  

«Niemand muss Kaffee trinken, aber viele lieben es.»

-OLIVER GOETZ-

Lust & Leben: „Jetzt bist Du auch unter die Kaffeesieder gegangen und hast unmittelbar mit Gästen zu tun. Wie gefällt Dir deine neue Rolle?

Oliver Goetz: „Ich habe meine anderen Tätigkeiten nicht aufgegeben, also stehe ich hier auch nicht selbst an der Kaffeemaschine. Wir haben ein Superteam vor Ort, das ganz genau weiß, worum es bei der Zubereitung eines guten Kaffees geht. Aufgrund der Lage ist das Coffee Pirates in erster Linie ein Studentencafé, wo man auch alleine herkommt, seinen Laptop auspackt und arbeitet. Ja und über das Wort Kaffeesieder müssen wir noch sprechen.“

Studenten haben in der Regel ein überschaubares Budget. Sind da rare Specialty Coffees für diese Zielgruppe nicht zu teuer?

Im Coffee Pirates wird niemand gezwungen, viel Geld auszugeben. Außerdem kann man so lange sitzen bleiben, wie man will. Aber natürlich können und wollen wir preislich nicht in einer Liga mit einem Espresso Gitti oder Stehcafé Gabi um die Ecke spielen. Die meisten Stammgäste wissen ganz genau, was für eine Art von Kaffee sie wollen und lassen sich dann gerne beraten, was wir aktuell im Angebot haben.

Erstaunlicherweise spielen Spezial-Kaffees in Gourmet-Lokalen immer noch eine untergeordnete Rolle. Wieso eigentlich?

Kaffee ist Teil unserer Genusskultur und die ist – neben dem Wiener Kaffeehaus mit Melange und Mehlspeisen – italienisch geprägt. Oft begnügt man sich auch in hochpreisigen Restaurants damit, den Gästen einfach nur einen Standard-Espresso anzubieten. Aber die Dinge sind im Wandel. Immer mehr Menschen interessieren sich für die Herkunft, die Art der Röstung und verschiedene Formen der Zubereitung. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Generation voll im Berufsleben steht und anfängt, auch selbst teurere Restaurants zu besuchen. Wenn die Nachfrage nach Specialty Coffees in Restaurants steigt, werden die Gastronomen das auch vermehrt anbieten. Im Privatkundenbereich werden außergewöhnliche Kaffeequalitäten jedenfalls jetzt schon stark nachgefragt.

Aber wie schaut es mit den Geräten in privaten Haushalten aus?

Um einen guten Filterkaffee zu machen, braucht es nicht viel.  Mit ein paar billigen Teilen ist man mit dabei. Teuer sind Präzisionsmühle und gute Siebträger. Mittlerweile beginnen die Kaffeeliebhaber schon, tiefer in die Tasche zu greifen und sich Topniveau auch zu Hause zu gönnen. Wer braucht einen Kleinwagen, wenn er stattdessen seinen Mahlgrad mikronengenau einstellen kann. Die Corona-Lockdowns haben diesen Trend hin zu hochwertigen Privatgeräten weiter befeuert. Jetzt muss die Gastronomie nachziehen, weil sich Gäste in einem Lokal eine ähnliche Qualität wie zu Hause erwarten.

Oft sind es nicht die einmaligen Investitionskosten für eine professionelle Maschine, die Gastronomen zögern lassen. Das größere Problem ist aktuell, ausgebildetes Personal zu finden, das dann auch Kaffee professionell zubereiten kann oder sich jeden Tag ernsthaft und konsistent zu einer genauen Kaffeezubereitung zu verdingen.

Man kann auch mit einem Vollautomaten guten bis sehr guten Kaffee zubereiten, wenn die Maschine richtig eingestellt ist und man geeignete Kaffeequalitäten verwendet. Schlussendlich gibt es für jeden Betrieb die passende Lösung. Immer mehr Gäste wissen heute, was für einen Kaffee sie bevorzugen und sind auch bereit, einen entsprechenden Preis zu zahlen. Was halt nicht geht, ist eine Kapsel in einen Automaten zu stecken und dann ein Vielfaches des Wareneinsatzes zu verlangen. Gäste für dumm verkaufen, das funktioniert beim Kaffee einfach nicht mehr.

Gerade für junge Konsumenten wird die Frage nach der Herkunft die Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern immer wichtiger. Wie stehst du zu Themen wie Bio, Fairtrade und Nachhaltigkeit?

Wirklich nachhaltigen Kaffee gibt es per Definition nicht. Kaffee ist ein Genussmittel, das nur in subtropischem Klima gedeiht. Niemand „muss“ Kaffee trinken, aber viele lieben es.  Menschen müssen sich um den Anbau kümmern, man braucht auch Energie, um Kaffee zu transportieren, dann zu rösten und schlussendlich zu brauen. Streng genommen, ist keine einzige menschliche Aktivität nachhaltig. Bei Fairtrade und Bio handelt es sich um Zertifizierungen, die ihre Berechtigung haben aber zunehmend auch von Konzernen genutzt werden können. Das ist eigentlich eine positive Entwicklung, aber am besten ist es immer noch, Kaffee von einem lokalen Röster zu kaufen, der sich auskennt und weiß, wo er wie produziert wurde. Je mehr wir über Kaffee wissen, umso besser schmeckt er auch.

wer & wo

Coffee Pirates

Spitalgasse 17, 1090 Wien