BETRIEBSWIRT, JURIST, BRAUER UND AUCH BAUER

Ordentlich zu wirtschaften, bedeutet für Heinrich Dieter Kiener mehr, als nur möglichst viel Geld zu verdienen. Ein zeitgemäßes Image ist dem Stiegl-Chef bei der Unternehmensentwicklung dabei genauso wichtig, wie die Pflege der über 500jährigen Tradition.

Text: Wolfgang Schedelberger; Fotos: Rainer Fehringer

Die Stiege zum Biermuseum im Keller der Stiege-Brauwelt ist stimmungsvoll von roten Bierkisten umrahmt.

Sie haben 1985 die Leitung von Stiegl übernommen. Seither ist viel Wasser die Salzach hinuntergeflossen. Wie sehr hat sich der Bier-Markt in Österreich in den letzten 40 Jahren verändert?

Wenn man nur auf die am Markt vertretenen Marken schaut, hat sich gar nicht so viel getan. Aber so wie auch am globalen Markt hat bei uns ein Konzentrationsprozess stattgefunden, der in der Übernahme der Brau Union durch Heineken im Jahr 2003 gipfelte. Bis 1980 gab es in Österreich noch ein Bierkartell, durch das exklusive Absatzmärkte definiert waren. Als ich 1985 begonnen habe, war Stiegl ein regionales Bier für die Salzburger, heute haben wir einen kleinen, aber feinen Exportanteil und sind in ganz Österreich zu Hause.

Was nicht zuletzt durch das Sponsoring der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft betont wird. Bier und Fußball gehören natürlich zusammen, aber wie schaut es mit den Frauen als Zielgruppe aus?

Auch der Anteil an Frauen, die gerne Fußball schauen, ist stark gestiegen. Ganz generell betrachtet, ist Bier in Österreich deutlich weiblicher geworden, was man auch beim Marketing sieht – nicht nur bei unserer Marke. Das zeigt sich übrigens auch beim Ausschank. Früher gab es Weizenbier nur im 0,5 Liter Glas, heute verkaufen wir hier im Braugasthof einen Gutteil des Weizenbiers on 0,33 Liter-Gläsern, was von den Damen sehr geschätzt wird.

«Bier ist deutlich weiblicher geworden und das ist gut so»

Im vorigen Jahr habe ich im New Yorker in Markus Glockers Restaurant Koloman ein Stiegl vom Fass getrunken. Wie wichtig ist der Export nach Ãœbersee eigentlich?

In den USA gibt es uns schon länger, aber natürlich sind wir dort ein Exot, der vor allem in Lokalen mit Österreich-Bezug stark gefragt wird. Wichtiger ist Deutschland, wo wir als österreichisches Bier sehr hohe Sympathiewerte haben. Was im Ausland überdurchschnittlich gut läuft, sind unsere Radler, mit denen wir ganz offensichtlich eine wachsende Nische besetzt haben.  

Blicken wir noch einmal zurück, bevor wir in die Zukunft schauen. Einst galt Bier als Grundnahrungsmittel für Bauarbeiter, heute trinken es Damenrunden in einer schicken Bar. Wie ist dieser Wandel gelungen?

Als ich angefangen habe, war die Säuberung der Bierkisten ein großes Problem, weil sie auf Baustellen für alles Mögliche verwendet wurden. Das gibt es heute nicht mehr. Dass auf Baustellen während der Arbeit große Mengen Bier getrunken wird, hat sich aufgehört und das ist gut so. Wir haben bei Stiegl die gesellschaftliche Entwicklung hin zu einem bewussteren Umgang mit Alkohol aktiv mitgetragen. Bier soll Lebensfreude vermitteln – für Männer wie für Frauen. Stiegl ist eine traditionsbewusste Marke geblieben, die heute aber einen absolut zeitgemäßen Auftritt hat. Für mich sind das zwei Seiten der gleichen Medaille und kein Widerspruch.

In der Stiegl-Brauwelt wird täglich durchgehend frisch gezapft und frisch gekocht.

Stiegl ist auch bei aktuellen Trend-Themen stets ganz vorne dabei. Mit dem Paracelsus haben Sie 1992 das erste Bio-Bier Österreichs gebraut, und auch beim Thema Craft-Beer waren Sie mit der Hausbier-Serie Trendsetter. Haben Sie stets die Nase im Wind, um gesellschaftliche Entwicklungen vorauszuahnen?

Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt, und habe ein ganz gutes Gespür für gesellschaftliche Veränderungen. Wir verstehen uns aber nicht als Trendsetter, sondern wollen uns als Unternehmen permanent weiterentwickeln. „Bio“ war 1992 noch kein großes Thema. Wir haben da nicht auf Absatzpotentiale geschielt. Im Rahmen der Neugestaltung unserer Brauwelt wollten wir dort in einem kleineren Rahmen ein besonderes Bier brauen. Wir haben uns für ein naturtrübes Zwickel in Bio-Qualität entschieden und es Paracelcus 1492 getauft. Das war der erste „Hausbier“ von Stiegl. In den letzten zehn Jahren ist unser Braumeister Markus Trinker immer experimentierfreudiger geworden und hat im Rahmen der Hausbier-Serie eine Vielzahl an außergewöhnlichen Bieren gebraut, die man im modernen Sprachgebrauch wohl als Craft-Biere bezeichnen würde. Ich war seit je her der Meinung, dass es in einer großen Brauerei auch Platz für außergewöhnliche Spezialitäten in Kleinserie geben muss. Das Meiste, was in den letzten Jahren in Österreich als Craft Bier gefeiert wird, schmeckt mir allerdings nicht, weil da oft die Balance fehlt.

Im Handel spielt das Craft Beer Thema ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Trotzdem wollen manche Wirte damit offensichtlich ihre Bierkompetenz erweitern, auch wenn diese Biere nicht oft bestellt werden. Wie sehen Sie die Entwicklung von Bier in der Gastronomie?

Wir betreiben selbst ein paar Lokale, nicht nur hier in Salzburg sondern auch in Linz und Innsbruck, dazu noch die Stiegl-Ambulanz in Alten AKH in Wien. Wir wissen also aus erster Hand, wie die Gastronomie tickt. In unserem Lokalen wird fast ausschließlich Fassbier bestellt. Gleichzeitig sehen wir, dass unser Fassbier-Verkauf seit Jahren leicht rückläufig ist. Das finde ich sehr Schade, weil ich meine, dass die Gastronomie dadurch eine große Chance verspielt, ihre Gäste mit einem hochqualitativen Angebot an sich zu binden. Natürlich bedingt die Pflege einer Schankanlage einen gewissen Mehraufwand, aber ein frisches, gut gezapftes Bier bietet den Gästen einfach einen Trinkgenuss, den man mit Bier aus der Flasche oder aus der Dose nicht vergleichen kann. 

Die Dose spielt in der Gastronomie kaum eine Rolle. Wie wichtig ist sie im Handel?

Bis vor ein paar Jahren hat die Dose in Österreich ein Billig-Image gehabt und spielte deshalb für uns nur eine untergeordnete Rolle. Heute ist sie vor allem im urbanen Bereich, wo viele Menschen ihren Einkauf ohne Auto erledigen, von zentraler Bedeutung. Im Prinzip spricht ja auch nichts gegen die Dose. Sie ist eine ausgezeichnete Verpackung, sowohl was den Schutz des Bieres wie auch den der Umwelt betrifft. Mit dem Dosenpfand, das Anfang 2025 kommt, wird der Recycling-Anteil wohl noch weiter steigen. Gleichzeitig bleibt unser Bekenntnis zur Mehrweg-Glasflasche unverändert. Mit einem Anteil von 72,6 Prozent liegen wir da deutlich über dem Branchenschnitt. In ein paar Wochen kommt eine neue 0,33 Liter Poolflasche auf den Markt, die auch von einigen Mitbewerbern verwendet wird. So wird es für den Lebensmittelhandel möglich, auch bei den 0,33 Liter Pfandflaschen zu akzeptieren. Die neue Poolflasche ist nicht nur sehr schön, sondern auch deutlich leichter und lässt sich aufgrund des aufwändigen Herstellungsverfahrens drei Mal so oft wieder befüllen, als die aktuellen 0,5 Liter Mehrwegflaschen.

Und welche Biere wird es künftig in der 0,33 Mehrwegflasche geben?

Neben den Klassikern Goldbräu und Hell wird es auch Pils, Bio-Paracelcus Zwickl und das Bio-Paracelcus glutenfrei in diesem Gebinde geben. Wir haben diese Flaschen-Innovation zum Anlass genommen, uns auch bei den Limonaden neu aufzustellen. In den nächsten Wochen kommt unser neuer Stieglitz mit acht verschiedenen Geschmacksrichtungen auf den Markt. Dafür kommt dann natürlich keine braune, sondern eine durchsichtige Glasflasche zum Einsatz. 

Erzählen Sie uns zum Schluss noch etwas zu den Wildshut Bieren, die bei Bierkennern extrem gut ankommen, aber leider nur in sehr kleinen Mengen verfügbar sind.

Zuerst war ich Betriebswirt, dann Brauer, zu guter Letzt bin ich auch noch Bauer geworden. Wir haben 2012 den Bauernhof Wildshut erworben, den ich übrigens seit meiner Kindheit kenne. Nach einer grundlegenden Renovierung brauen wir dort seit 2015 auch Bier in Bio-Qualität. Dem Motto „Vom Feld ins Glas“ folgend, bauen wir dort alle verwendeten Zutaten selbst an. Wir verwenden unser eigenes Wasser, bauen Hopfen und alte Urgetreidesorten an und mälzen diese sogar selbst. Dieser Zugang bedingt, dass die Mengen klein und die Preise relativ hoch sind. Unsere Wildshuter Biere können niemals massentauglich werden und sollen es auch gar nicht. Wir verfolgen dort unsere Philosophie, Körper, Geist und Seele mit der Natur in Einklang zu bringen mit letzter Konsequenz. Mittlerweile haben wir dort auch eine kleine Gastwirtschaft und bieten Besuchern die Möglichkeit zu übernachten an. Natürlich backen wir am Gut Wildshut unser eigenes Brot. Mit unseren kulturellen Veranstaltungen sprechen wir auch interessierte Tagesbesucher an, die sonst den Weg zu uns nicht gefunden hätte. Aus dem ehemals verschlafenen Bauernhof ist in den letzten Jahren ein sehr lebendiges Biergut geworden. 

«Am Biergut Wildshut machen wir einen Schritt zurück, der ein Schritt nach vorne ist.»

In einer Welt, die viel zu oft nur den Glanz schätzt, erinnert Heinrich Dieter Kiener daran, dass Authentizität und tiefe Werte das Herz eines jeden erfolgreichen Unternehmens bilden.

«Wann immer möglich, trinke ich mein Bier frisch gezapft.»

Früher war Bierbrauen oft ein Glücksspiel. Dank moderner Technik und strenger Hygiene kann heute eine gleichbleibende Qualität garantiert werden.

Die leuchtende Bernsteinfarbe, der hefeblumige Weißbiergeschmack und die leichte Spritzigkeit der Stiege Weisse begeistern die Weißbiertrinker.

Gemeinsam und unabhängig

Bereits zum zweiten Mal laden die Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs zum Unabhängigkeitstag. Ein wichtiges Datum für alle Freunde von authentisch gebrauten Bieren, denn an diesem Tag steht die echte österreichische Brauszene im Mittelpunkt.  

Von Freitag, dem 19. April bis Sonntag, dem 21. April wird in einer Vielzahl der mittlerweile 46 Mitgliedsbetriebe gefeiert – und zwar vor allem die Tatsache, dass sich konzernfreies, unabhängig gebrautes, österreichisches Bier auf einem schwierigen Markt behauptet und heute besser schmeckt denn je. 

Der Unabhängigkeitstag ist eine gute Gelegenheit, Privatbrauereien aus der Nähe kennenzulernen. In den Betrieben von Vorarlberg bis ins Burgenland stehen Brauerei-Besichtigungen, Bier-Verkostungen und Gewinnspiele auf dem Programm.  

Infos unter: www.privatbrauereien.at

wer & was

Zur Person

Dr. Heinrich Dieter Kiener ist promovierter Jurist und Betriebswirt. Nach dem Studium stieg der Salzburger 1985 im Familienunternehmen ein, ab 1990 leitete der Großneffe und Adoptivsohn von Heinrich Kiener die Geschäfte der Brauerei.  

Zum Unternehmen

Die Wurzeln der Stieglbrauerei zu Salzburg gehen bis ins Jahr 1492 zurück. Seit über 130 Jahren ist sie im Besitz der Familie Kiener. Jährlich werden in einem großen und drei kleinen Sudwerken rund eine Million Hektoliter Bier gebraut. 750 Mitarbeiter setzen knapp 180 Millionen Euro um und beliefert rund 10.000 Wirte. Außerdem betreibt Stiegl eigene Gasthäuser in Salzburg, Linz, Innsbruck und Wien. 1995 wurde das erste österreichische Biergut Wildshut eröffnet, das biologisch bewirtschaftet wird.