GENUSSBOTSCHAFTER UND PIONIER

Peter Grünauer hat die österreichische Küche in New York in den 1980er Jahren salonfähig gemacht und dann bis nach Kansas City getragen. Sein herzlicher Wiener Schmäh hat auch auf Englisch wunderbar funktioniert.

Text: Wolfgang Schedelberger

Peter Grünauer, der im Februar 2023 in Florida verstorben ist, hat in seinem bewegten Leben Millionen von Amerikanern vermittelt, wofür Österreich kulinarisch steht und wie herzlich unsere Gastfreundschaft ausfallen kann.

Das Gasthaus Grünauer kennt jeder in Wien. Martin Grünauer hatte es von seiner Tante übernommen und zu einem legendären Ort der traditionellen Küche mit hoher Weinkultur entwickelt. Seit 2005 begeistern dort Sohn Christian seine liebenswerte Katja die Gäste mit Kompetenz und Herzlichkeit. Hierzulande weniger bekannt ist die Geschichte von Martins Bruder Peter Grünauer, der im Februar 2024 in Florida verstorben ist. In seinem bewegten Leben hat er Millionen von Amerikanern vermittelt, wofür Österreich kulinarisch steht und wie herzlich unsere Gastfreundschaft ausfallen kann. Somit hat er unzählige Türen geöffnet und kann mit Fug und Recht als bedeutendster österreichischer Botschafter bezeichnet werden, der jemals in den USA gewirkt hat.

Nach der Ausbildung in Wien ist Peter Grünauer gemeinsam mit seinem Freund Karl Zartler zunächst auf ein Kreuzfahrtschiff gegangen, um die Welt kennen zu lernen. Das Verdienst war ausgezeichnet – je aufmerksamer der Service umso höher das Trinkgeld. Einen wohlhabenden Gast haben sie mit ihrem charmanten Service besonders beeindruckt. Er revanchierte sich nicht nur mit einem außergewöhnlich hohen Trinkgeld, sondern überreichte ihnen auch seine Visitenkarte, die ihn als Eigentümer des legendären New Yorker Steakrestaurants Peter Luger auswies. Wann immer die Beiden Lust hätten, könnten sie dort anfangen.

Peter Grünauer und die Naschmarkt-Ikone Gerhard Urbanek verband Wiener Schmäh und die Liebe zum Kaffee.

Vom elitären Nachtclub zum eignen Lokal

Gesagt getan! Ein paar Wochen später gingen Peter und Karl in New York von Bord und heuerten 1971 im Peter Luger an. New York taugte ihnen von Anfang an. Trotzdem folgte zwei Jahre später noch ein Zwischenstopp im Genfer Intercont Hotel, wo ihm sein Schulfreund Walter Krajnc zufällig über den Weg lief. Zurück in New York konnte Peter gemeinsam mit Karl einen richtig lukrativen Job im legendären Nachtclub Régine landen. Heute kaum mehr vorstellbar, aber Mick Jagger wurde – obwohl er mit der Besitzerin eigentlich gut bekannt war – nicht eingelassen, weil er mit Sneakers gekommen war. Stets elegant gekleidet und immer einen guten Spruch auf den Lippen hat sich für die Peter und Karl die Möglichkeit ergeben, dort zu arbeiten – Walter, der damals auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs war, sollte unbedingt nachkommen

In New York darf man nicht nur hochtrabend träumen. Hier gilt tatsächlich: The sky is the limit! Jedenfalls konnten Karl, Peter und Walter im Jahr 1979 ihr eigenes Lokal in der 79. Straße aufsperren, in dem sie den New Yorkern die österreichische Küche schmackhaft machen wollten. Der Anfang war schwer. Zunächst arbeiteten alle drei nach Dienstschluss im Vienna 79 noch weiterhin im Régine, um finanziell halbwegs über die Runden zu kommen.

Höchstbewertung in der New York Times

Trotz der beschränkten Mittel lag der Fokus von Anfang an auf anspruchsvollem Essen mit  authentischem Geschmack. Mit wechselnden Küchenchefs wurden typisch Wiener Gerichte auf die Karte gesetzt, die leichter und zeitgemäßer waren, als es zu dieser Zeit in der alten Heimat üblich war. Vieles musste improvisiert werden, doch das Vienna 79 hatte dank der außergewöhnlichen Gastfreundschaft von Peter Grünauer von Anfang an einen ganz besonderen Spirit, der in New York super angekommen ist.

Dann passierte etwas Unglaubliches: Mimi Sheraton, die langjährige Restaurant-Kritikerin der New York Times, besuchte das Lokal mehrmals und verlieh den unbekannten Newcomern aus Österreich auf Anhieb drei von vier möglichen Sternen. Aus dem Nichts war das Vienna 79 in den Olymp der New Yorker Fine Dining Szene aufgestiegen. Doch es kam noch besser! Zwei Jahre später erschien am 9. Jänner 1981 in der New York Times eine weitere Review, in der Mimi Sheraton dem Vienna 79 vier Sterne verlieh. Damit war das Vienna 79 zu einem der vier besten Restaurants der Stadt aufgestiegen. Am Herd stand der gerade erst 24 Jahre alte Thomas Ferlesch, der immer noch in New York lebt und in Brooklyn sein Lokal namens Werkstatt betreibt.

Aus Eins mach Drei

Von so viel Rückenwind getrieben, eröffnete das österreichische Power-Trio ein paar Straßen weiter südlich mit dem Vienna Park ein weiteres Restaurant, in dem das Speiseangebot um ein paar französische Klassiker ergänzt wurde. Als Souschef arbeitete dort mit David Bouley zunächst ein junger US-Koch mit, der schon bald zum angesagtesten Küchenchef der Stadt aufsteigen sollte. Zuerst gab es stolze zwei, bald darauf sogar drei Sterne in der New York Times. Peter Grünauers Märchen vom Land mit unbegrenzten Möglichkeiten erfüllte sich auch privat: Er heiratete eine bildhübsche junge Stewardess namens Lynne, zwei Kinder (Elisabeth und Nicholas) folgten rasch. Apropos nachfolgen: die beiden Brüder Luis und Martin folgten Peters Ruf nach New York genauso wie Neffe Christian. Während Martin nach ein paar Monaten und Christian nach ein paar Jahren wieder nach Österreich zurückkehrten, blieb Luis auf Dauer in den USA.

Bis dahin war alles wie am Schnürchen gelaufen, doch ganz so unbeschwert sollte es nicht weitergehen. 1983 eröffnete das rotweißrote Powertrio die Fledermaus in der Wallstreet. Als Vorbild diente das Schwarze Kameel in der Wiener Innenstadt: In einem eleganten Rahmen wollte man den gutverdienenden Investment-Bänkern exklusive Sandwiches verkaufen. Die Gestaltung des Innenraums wurde in Design-Magazinen hymnisch gelobt und auch Mimi Sheraton von der New York Times liebte das Lokal. Gleichzeitig sagte sie ihm keine lange Lebensdauer voraus: die Bänker wären „Potataoe & Meat – People“, Eleganz und feines Essen sei dort im Mittagsgeschäft nicht gefragt. So kam es ein paar Jahre später dann auch.

Österreichbild bekommt Risse

Aus den drei unbeschwerten Wiener Gas(t)gebern waren inzwischen viel beschäftigte Multi-Gastronomen geworden. Statt stets vor Ort zu sein, musste man sich plötzlich auf Manager verlassen. Ein Brand im Vienna 79, der von der Versicherung nur teilweise gedeckt war, fraß die Reserven auf, mit dem Vermieter des Vienna Park gab es Troubles. 1985 wurde der österreichische Weinskandal publik, ein Jahr später war Kurt Waldheim Präsident. Das lange Zeit nur positive Österreich-Bild hatte in den USA unschöne Risse bekommen. Die beiden Restaurants Vienna 79 und Vienna Park in Uptown mussten geschlossen werden, ein paar Jahre später war auch die Fledermaus Geschichte.

Der unternehmerische Animo von Peter Grünauer war jedoch ungebrochen. Mit teilweise neuen Partnern folgte das Lipizzana, das in den 1990er Jahren in Midtown Manhattan für Austria-Flair sorgte. Außerdem engagierte sich Peter vermehrt als Berater und Entwickler für Neueröffnungen. Die Idee, in New York ein Top-Restaurant mit österreichischer Küche zu machen, wurde nach der Schließung von Vienna 79 und Vienna Park vom zuvor schon erwähnten David Bouley aufgegriffen, der 1999 in SoHo das legendäre Danube eröffnete.

Wiener Schnitzel in Kansas City

Nach der Trennung von Peter war Lynne mit den beiden Kindern zurück in ihre Heimatstadt Kansas City gegangen. Dennoch riss der Kontakt zwischen Peter und Lynne nie ab. So lernte Peter bei einem seiner Besuche in Kansas City einen Immobilienunternehmer kennen, der sich auch als Gastronom mit einem eleganten Fischrestaurant versuchte. Doch das Lokal kam einfach nicht in Schwung. Peter wusste wieso: das falsche Konzept am falschen Ort, dazu ein branchenfremder Chef, dessen unternehmerische Fokus ganz woanders anders lag.  

Peter bot ihm an, das Lokal im Jahr 2010 zu übernehmen, um eine solide finanzielle Basis für seine beiden heranwachsenden Kinder, die ebenfalls ein gewisses gastronomisches Interesse zeigten, zu schaffen. Gleichzeitig hatte Peter im Laufe seines Lebens gelernt, was er gut kann und was weniger gut. Peter ist stets der großzügigste und herzlichste Gastgeber gewesen, den man sich nur vorstellen kann. Auch bei der kulinarischen Umsetzung eines österreichischen Konzepts für den amerikanischen Markt hat er es zur Meisterschaft gebracht. Das Controlling und die Finanzierung haben stets Partner für ihn (mehr oder weniger gut) erledigt. Also holte er sich seinen langjährigen Freund Klaus Piber, dem man in Wien vom Indochine 21, Franks, Mercado, Yohm, aktuell Trixie Kiddo’s bestens kennt, als Partner an Bord. Seit mittlerweile 14 Jahren ist das Grünauer in Kansas City – genauso wie das Grünauer in Wien-Neubau – stets voller gut gelaunter Gäste.

Peter Grünauer hat den Kontakt zur alten Heimat nie verloren und kam praktisch jedes Jahr nach Wien, um Freunde und Verwandte zu treffen. Bis zu Letzt hat er sich sein spitzbübiges Lächeln, sein großes Herz und seine charmante Art behalten. Im Beisein seiner Lebensgefährtin Denise Girolami ist Peter Grünauer am 18. Februar in Florida im Alter von 73 Jahren verstorben. Wir werden ihn vermissen.

«Auf die Mehlspeisen wurde stets größter Wert gelegt.»

Das Régine war der exklusivste Nachtclub der Stadt, entsprechend hoch war das Trinkgeld und die Promi-Dichte. Hier mit Tom Jones.

Das “Österreich” war regelmäßig zu Gast bei Peter Grünauer in NYC.

Walter Krajnc besuchte Peter Grünauer bis zu seinem Tod regelmäßig in Florida. Ein gutes Glas Wein durfte dabei nie fehlen.

Peter Grünauer (r.) zu Besuch in der Werkstatt in Brooklyn, das Thomas Ferlesch (vorne links), der ehemalige 4-Sterne Koch aus dem Vienna 79, derzeit führt. Ebenfalls mit dabei Walter Krajnc (hinten links). 

Peter mit seinen beiden Kindern Elisabeth und Nick, die das Grünauer in Kansas City weiterführen.

Die Idee, in New York ein Top-Restaurant mit österreichischer Küche zu machen, wurde nach der Schließung von Vienna 79 und Vienna Park vom zuvor schon erwähnten David Bouley aufgegriffen, der 1999 in SoHo das legendäre Danube eröffnete.

Mehr über den ebenfalls im Februar 2023 verstorbenen David Bouley und die zahlreichen Österreicher (unter anderem Walter Krajnc als Maitre), die mit ihm das Danube zu einem der besten Restaurants der Stadt machten, finden Sie hier: