DIE WELT ALS BÜHNE

In den 1980er Jahren haben französische Köche schrittweise damit begonnen, rund um den Globus Luxusrestaurants zu eröffnen. Heute ist das Geschäft der „Sterne-Multiplikatoren“ zu einer lukrativen Spielwiese für viele verschiedene Konzepte geworden.
Text: Wolfgang Schedelberger

Das neueröffnete Pop-up-Restaurant des französischen Starkochs Alain Ducasse verspricht den Besuchern AlUlas, der antiken Oasenstadt im Nordwesten Saudi-Arabien, ein einzigartiges kulinarisches Erlebnis, das die Aromen Saudi-Arabiens mit feinster französischer Sterneküche kombiniert. Die Leitung des Restaurants liegt in den Händen von Afonso Salvação Barreto, einem talentierten Protegé von Ducasse.

Die Globalisierung hat vielerlei Ausprägungen. Eine davon ist die Entstehung von internationalen Marken, die man auf der ganzen Welt kennt. Das gilt auch für die Gastronomie. Digitale Medien kennen weder Grenzen noch Vertriebskosten. Was jemand in einer Ecke der Welt auf Instagram stellt, wird schon ein paar Minuten später auf der anderen Seite des Globus kommentiert und diskutiert. Gourmets fliegen rund um die Welt und orientieren sich bei der Restaurant-Wahl an Namen, die sie kennen. Der Guide Michelin, der bis zur Jahrtausendwende nur in Europa präsent war, ist zu einem globalen Gourmet-Führer geworden. Die von ihm verliehenen Sterne haben sich zu einer internationalen Währung entwickelt, die jeder respektiert.

Auch die Präsentation der „50-Best-Liste“, ist in den letzten Jahren zu einem globalen Event geworden. Köche, die dort regelmäßig aufscheinen, sind auf dem besten Weg, sich als internationale Marken zu etablieren. Was vor 20 Jahren als informelles Branchentreffen in London begann, hat sich längst zu einer glamourösen Gala mit Show-Charakter entwickelt. Vorläufiger Höhepunkt ist die diesjährige Präsentation der „besten Restaurants der Welt“ am 5. Juni in Las Vegas. Ein durchaus passender Ort, um das Phänomen der Filialisierung der Luxusgastronomie zu beleuchten.

The French Connection

Die kulinarische Legende Joël Robuchon stellte 2017 seine beiden neuen Chefköche aus Singapur im Resorts World Sentosa vor. Robuchon hat in seinen Ateliers sehr oft auf japanische und nicht auf französische Küchenchefs gesetzt.

Zuerst kamen die Franzosen. Das Image des eigenen Landes hat ihnen beim Sprung ins internationale Geschäft geholfen. 1989 eröffnete Joël Robuchon sein erstes Restaurant in Japan, das auf Anhieb ein Erfolg war. Sein Name war zunächst nur in Fachkreisen bekannt. Frankreich als Inbegriff von Luxus und gutem Geschmack kannte man hingegen sehr wohl. In seinem Windschatten folgten weitere französische 3-Sterne Köche wie Alain Ducasse und Pierre Gagnaire. Im Jahr 2007 eröffnete schlussendlich auch Paul Bocuse sein erstes Restaurant in Japan. Zunächst wurden diese Restaurants als Inbegriff des französischen Savoir Vivre gefeiert. Im Laufe der Zeit wurden diese Köche selbst zu Stars.

Alain Ducasse hat es bei der Multiplikation von Luxusrestaurants schon früh zur Meisterschaft gebracht. Ducasse war der erste Koch – oder sagen wir lieber Gastronomie-Unternehmer – der 2005 drei Restaurants mit jeweils drei Michelin Sternen in drei Städten (New York, Paris, Monte Carlo) führte. Sein Engagement im New Yorker Essex House ging kurz darauf zu Ende, zahlreiche neue folgten. Aktuell ist Ducasse weltweit an 34 Restaurants beteiligt, die allerdings nicht alle im Luxus-Segment angesiedelt sind.

Während Ducasse den meisten seiner Restaurants eigene Namen gibt und auf das jeweilige Marktumfeld Rücksicht nimmt, hat Joël Robuchon mit seinen Ateliers die erste Luxusmarke im Fine-Dining Segment erfunden. 2003 eröffnete er gleichzeitig in Paris und Tokio. Es folgten L’Ateliers de Joël Robuchon in Las Vegas und New York, in Hongkong und Taipeh, in Madrid und Genf, in Bangkok, Singapur und Dubai. Auch nach seinem Tod vor sechs Jahren hat die Marke „Robuchon“ nur wenig von ihrer einstigen Strahlkraft eingebüßt.

Die Rolle des Stellvertreters

Die Rolle der Stellvertreter vor Ort ist das Um und Auf. Daniel Boulud – hier im Hangar 7 in Österreich – beteiligt sie immer am Gewinn und will sie dauerhaft binden. Foto: Helge Kirchberger.

Abgesehen von Geld und Ruhm haben Starköche mitunter noch andere Motive, ihr Imperium zu erweitern. David Boulud beklagte sich einmal darüber, wie viel Zeit auf Flughäfen verbringen müsse. Auf meine Frage, wieso er sich neue Projekte noch antue, schließlich verdiene er mit seinen zehn Lokalen in New York ohnehin mehr als genug, gab er mir die überraschende Antwort, dass er dies vor allem für seine Mitarbeiter machen würde. Er bekäme laufend Anfragen, in einem Luxushotel ein Restaurant aufzusperren, die er fast immer ablehne. Nur wenn sich ein langjähriger Mitarbeiter in die Selbständigkeit verabschieden will, beginne er, über ein neues Restaurant nachzudenken. Dabei ist sein Stellvertreter, also der Küchenchef und Geschäftsführer vor Ort immer finanziell beteiligt. Bouluds Rolle beschränkt sich nach der Eröffnungsphase eigentlich auf die gelegentliche Beratung. 

Briten mit wechselndem Erfolg

Die initiale Finanzierung von Restaurantprojekten ist in der Top-Hotellerie eigentlich nie ein Problem. Bei der Entwicklung neuer Häuser geht es zumeist um hunderte Millionen. Die Verpflichtung eines gefeierten Starkochs fällt da nicht ins Gewicht. Für den Koch stellen sich die Herausforderungen ganz anders dar. 

Zunächst mag es reizvoll erscheinen, regelmäßig um die Welt zu jetten, um Restaurants unter eigenem Namen zu entwickeln. Gleichzeitig darf die Qualität im Stammhaus nicht leiden. Wenn der Chef nicht da ist und mehrere Schlüsselkräfte gleichzeitig abgezogen werden, kommt es schnell zu Problemen. Aufstieg und Fall liegen oft nahe beieinander. Im Zweifelsfall hat das Stammhaus immer Vorrang. Das zeigte sich beim Gastspiel von Gordon Ramsay in New York (2006 – 2013). Für das gehypte Opening des The London in New York wollten die Investoren unbedingten den gefeierten 3-Sterne Koch Ramsay dabeihaben. Der schickte mit Markus Glocker einen seiner besten Sous-Chefs nach New York, um dort die Küchenleitung zu übernehmen. Prompt erkochte der damals erst 27jährige Österreicher wie befohlen zwei Michelin-Sterne. Doch im Hintergrund begann es zu brodeln. Das Management des Hotels verdiente vor allem mit Caterings und Veranstaltungen und wollte das Gourmet-Restaurant auf Sparflamme „mitlaufen“ lassen, Ramsay sah das naturgemäß umgekehrt. Als der zweite Stern wieder verloren ging, zog sich Ramsay mit dem Vorwurf, er habe zu wenig Einfluss auf das operative Geschäft, zurück. Glocker blieb in New York und ist dort erfolgreich in die Selbständigkeit gestartet (zunächst Le Batard, aktuell Koloman).

Auch die Fat Cow, die Ramsay 2012 in Los Angeles eröffnet hatte, musste er 2014 wieder schließen. 2018 hat er mit seiner Hell‘s Kitchen im Caesars Palace in Las Vegas den Wiedereinstieg in die USA gewagt. Mit echtem Fine Dining hat das allerdings wenig zu tun, aber schließlich ist Hell’s Kitchen ja auch der Name von Ramsays aktuellem TV-Format. 

Kulinarisch etwas bescheidener, zunächst aber deutlich erfolgreicher, machte sich zur gleichen Zeit ein Landsmann Ramsays auf den Weg, die Welt zu erobern. Jamie Oliver wurde in jungen Jahren fürs Fernsehen entdeckt und begeisterte mit seiner lockeren Art als „The Naked Chef“ ein Millionenpublikum. Erst danach begann er, eigene Restaurants aufzusperren – zunächst in London, dann auch international. Nach mehreren Auf und Abs betreibt er heute weltweit rund 30 „Jamie’s Italian Kitchens“, darunter auch eines am Wiener Flughafen.

Einzelkämpfer auf dem Vormarsch

Martin Klein (re.) trifft 2017 Quique Dacosta im Quique Dacosta Restaurante in Dénia, Spanien zur Vorbereitung für seinen Gastkoch-Auftritt im Restaurant Ikarus im Hangar 7 in Salzburg.

Martin Berasategui betreibt in Spanien aktuell über ein Dutzend Restaurants und ist mit insgesamt zwölf Michelin Sternen unangefochtener Rekordhalter. Seine internationalen Ableger in Portugal und der Karibik haben mittlerweile aber wieder geschlossen. Beim andalusischen Spitzenkoch Daní Garcia ist die Eroberung der Welt hingegen voll im Gange. Auch er hat zunächst in Spanien expandiert, bevor er mit New York (Casa Daní in der Citizen Food Hall), Dubai (Leña im St. Regis) und Doha (Lobito de Mar im Kempinski) seine Fühler nach Übersee ausgestreckt hat. Der 3-Sterne Koch Quique Dacosta eröffnet demnächst in London, Henrique Sá Pessoa aus Lissabon ist Amsterdam, London und Macao mit eigenen Restaurants engagiert – weitere sind geplant. 

Wer von nordischen Gourmetdestinationen spricht, denkt zunächst an Kopenhagen. Dabei ist Stockholm mindestens genauso spannend. Mit Björn Frantzén ist dort ein Chef zu Hause, der in den letzten Jahren still und heimlich ein globales Imperium aufgebaut hat. Sowohl das Frantzén in Stockholm als auch das Zén in Singapur sind aktuell mit drei Michelin Sternen ausgezeichnet. In Singapur eröffnet in wenigen Wochen die Brasserie Astoria. Dann gibt es noch die luxuriöse Villa Frantzén in Bangkok und das edle Studio Frantzén im Londoner Kaufhaus Harrods. Weitere Restaurants in Shanghai und Dubai sollen noch heuer folgen. Bemerkenswert: Von seinen bisherigen Outlets liegt keines in einem Luxushotel, sprich die Finanzierung hat er über andere Kanäle organisiert.

Österreicher als Global Player

Wolfgang Puck eroberte zunächst Hollywood, dann die USA mit Pizza-Lokalen und zuletzt die ganze Welt mit Luxus-Steaks in seinen CUT-Restaurants.

Er ist nicht nur der bekannteste, sondern auch der erfolgreichste Koch unseres Landes. Zuerst revolutionierte er in seinem schicken L.A. Restaurant Spago die Welt der Pizza, dann etablierte er sich als Caterer der jährlichen Oscar-Party als Lieblingskoch der Hollywood Stars.

Hierzulande kaum bekannt ist jedoch, wie groß sein weltweites Netz an Restaurants mittlerweile geworden ist. Wir wollen (beziehungsweise können) gar nicht alle Pizza-Outlets („Wolfgang Puck Express“) nennen, die es mittlerweile als Franchise-Outlets in den USA gibt. Neben seinen erfolgreich laufenden Restaurants Spago, Chinois, Ospero und Merois hat Wolfgang Puck 2006 im Four Seasons Hotel in Beverly Hills sein erstes Steak-Restaurant namens „CUT by Wolfgang Puck“ eröffnet.

Im Gegensatz zu den traditionellen Steak-Häusern der USA, die zumeist sehr maskulin und rustikal gestaltet sind, hat Wolfgang Puck das CUT deutlich eleganter, moderner und die Spur femininer eingerichtet. Die Gäste haben es auf Anhieb geliebt. Ganz Hollywood ist ins CUT gepilgert – auch weil Puck nicht nur Steaks, sondern auch alle anderen Gerichte mit größter Sorgfalt zubereitet. Jedenfalls hat der Koch aus Kärnten damit eine globale Marktlücke besetzt: viele Luxushotels wollen ihren Gästen ein Premium-Steaklokal bieten, das mit Eleganz und nicht mit Rustikalität punktet.

Heute gibt es neben dem Stammhaus in Beverly Hills auch in Luxushotels in Las Vegas, New York, Washington, Bahrain und Singapur Steaklokale der Marke „CUT by Wolfgang Puck“. In Wien hat sich leider noch kein Hotel-Partner dafür gefunden. Wir müssen uns bis lang mit einem einfachen „Wolfgang Puck Kitchen + Bar“ am Flughafen begnügen.

Modernes Sushi als Trendgericht

Los Angeles ist ein guter Ort, um durchzustarten! Nobu Matsuhisa (r.) wurde von Stammgast Robert De Niro (M.) überredet, nach New York zu gehen, um gemeinsam mit dem Gastronomen Drew Nieporent (l.) das erste Nobu aufzusperren. Der Rest ist Geschichte. 

Der erfolgreichste Multi-Gastronom im Premium-Segment ist zweifellos Nobu Matsuhisa, der mit seiner eigenen, von alten Traditionen losgelöster Interpretation von Sushi zunächst New York und danach die ganze Welt eroberte. Robert De Niro war bei Dreharbeiten in Hollywood stets in Nobus damaligen Sushi-Restaurant zu Gast. Schließlich überredete er ihn, gemeinsam mit dem Gastronomen Drew Nieporent in New York ein Lokal aufzusperren. Das war 1994.

Der Erfolg war sensationell – obwohl das Nobu im damals eher ruhigen Stadtteil Tribeca lag. Zwei Jahre später folgte ein zweites, wesentlich größeres Restaurant in Midtown Manhattan, 1997 das erste Nobu in London. Mittlerweile kommt man mit dem Zählen gar nicht mehr nach, weil alle paar Wochen irgendwo anders ein weiteres Nobu eröffnet. Heuer stehen noch Eröffnungen in Sevilla, Madrid, Rom und Toronto an, aktuell hält man bei 50 Restaurants weltweit. Preislich immer im Premium-Bereich angesiedelt, aber nicht von der Jagd nach Michelin-Sternen getrieben, zählen Nobu-Restaurants zu den profitabelsten Outlets überhaupt.

Die Marke Nobu ist mittlerweile so stark geworden, dass man sich nicht mehr von anderen Luxus-Hotels engagieren lässt. Man ist selbst zu einer geworden! Neben dem Meister selbst ist wieder Robert De Niro sowie der Filmmogul Meir Teper als Partner an Bord. Aktuell gibt es 20 Nobu-Hotels, weitere sollen folgen.

Marketing fürs Hotel

Abgesehen von einer kurzfristigen Delle während der Corona-Pandemie boomt die Luxushotellerie weiterhin. Was Ausstattung und Komfort betrifft, unterscheiden sich Ketten wie Ritz-Carlton, Mandarin-Oriental, Grand Hyatt, Four Seasons, St. Regis oder Park-Hyatt nur marginal. Um sich von ihren Mitbewerbern abzuheben, ist ein attraktives kulinarisches Angebot oft unverzichtbar. Gelingt es, einen angesagten 3-Sterne-Koch zu verpflichten, sind zahlreiche Medienberichte garantiert und die Reservierungsbücher voll. Bevorzugt behandelt werden dabei natürlich die eigenen Hotelgäste.

Die Herausforderung besteht darin, möglichst dauerhafte Partnerschaften einzugehen und dafür Konzepte zu entwickeln, die für beide Seiten zufriedenstellend sind. Je nach Bekanntheitsgrad hat der Gastronom zumindest bei der Einrichtung und der Kartengestaltung ein Wörtchen mit zu reden. Die Anwesenheit eines Küchenchefs und zwei, drei Mitarbeiter aus der Zentrale sind zumeist ebenfalls Teil des Deals. Manchmal ist der berühmte Koch nicht viel mehr als ein Lizenzgeber, ein anderes Mal agiert er als selbständiger Unternehmer und ist somit auch für die Profitabilität des Restaurants verantwortlich. 

Bemerkenswert: Björn Frantzén

Von seinen bisherigen Outlets seines still und heimlich aufgebauten Imperiums liegt keines in einem Luxushotel, sprich die Finanzierung hat er über andere Kanäle organisiert.

Ein Ende des Trends zur Entwicklung von globalen Gastro-Marken ist nicht abzusehen. Allerdings wird das Angebot in Zukunft wahrscheinlich noch bunter werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ersten chinesischen Luxusrestaurants zur globalen Multiplikation ansetzen werden.